MITTELEUROPA 2022
Do, 14. April, Gründonnerstag
Abfahrt um 17h. Heute haben wir’s nicht weit.
Nach einem kurzen Besuch bei Maria Oberlik fahren wir nur noch zum Sulzbacher nach EFERDING und übernachten in altbewährter Weise vor der Werkstatt.
121km
Fr, 15. April, Karfreitag
Den regnerischen Vormittag verbringen wir notgedrungen im McDo von Eferding, während an unserem WoMo gewerkt wird.
Das nette Kaffeehaus mit dem veganen Frühstück sperrt ja erst viel später auf.
Und jetzt geht es endlich richtig los.
Unsere erste Station ist Kieser-SALZBURG, wo wir motiviert trainieren.
Wir werden auf dieser Reise noch mehrere dieser Fitness-Studios aufsuchen.
Kurz danach überschreiten wir die Grenze nach BAYERN.
Wir übernachten bei einem Biobauern in MARKTSCHELLENBERG.
150 km
Sa, 16. April, Karsamstag
Es ist merklich kühler geworden.
Wir lernen, mit dem neuen Autoradio samt GPS umzugehen, das uns gestern eingebaut worden ist. Jetzt können wir auch endlich unsere eigene Musik wieder ordentlich abspielen. „Du bist wie die Wintersonn’“- von der Temperatur her passt es ja ;-).
Nun „pilgern“ wir zum OBERSALZBERG, dem ehemaligen „Führersperrgebiet“ im BERCHTESGADENER LAND.
Von der ehemaligen Pracht ist ja nichts mehr übrig. Hitlers Berghof wurde 1945 von den Amerikanern schwer beschädigt und in den frühen 1950er-Jahren vom Freistaat Bayern gesprengt.
Das moderne Dokumentationszentrum ist geschlossen- noch keine Saison.
Wir sind eigentlich gar nicht sehr traurig darüber.
Lieber wenden wir und netteren Sehenswürdigkeiten zu.
In der kleinen, idyllisch gelegenen, Wallfahrtskirche MARIA GERN herrscht rosa Bauernbarock vor. Die Proportionen sind aber recht nett.
BERCHTESGADEN ist ziemlich touristisch, gefällt uns aber trotzdem einigermaßen.
Der Ort ist für die Lüftelmalerei bekannt. Das Hirschenhaus ist besonders prächtig bemalt. Nicht nur die Vorderseite ist sehenswert. Die Rückseite ist sogar noch interessanter. Die sogenannte „Affenfassade“ aus 1610 zeigt diese Tiere, wir sie sich menschlichen Lastern hingeben.
Was ist das für ein Höllenlärm? Einige Burschen in Tracht führen eine laut knatternde große Osterratsche auf einem Leiterwagen durch die Gassen.
Das Herz des Fotografen lacht.
Wir fahren weiter zum Königssee.
Es schüttet. Also an eine Bootsfahrt ist heute nicht zu denken.
Ein Schlechtwetterprogramm ist angesagt. Wir entscheiden uns für das Romy-Schneider-Museum in SCHÖNAU am Bodensee. Im hiesigen Haus Mariengrund hat die Schauspielerin ja mit ihrer Mutter und ihren Großeltern Kindheit und Jugend verbracht.
Auf dem Parkplatz der Königssee-Schifffahrt übernachten wir. Vielleicht haben wir ja morgen mit dem Wetter mehr Glück.
34 km
Sa, 17. April, Ostersonntag
Eine sehr kalte Nacht. Unser Himalaya-bewährtes, warmes Schlafgewand kam zum Einsatz.
Heute wollen wir die Schifffahrt auf dem Königssee wagen, obwohl es immer noch recht kühl ist.
Auf dem Weg zu Bootsanlegestelle haben wir einen guten Blick zum Kehlsteinhaus hinauf. Hitler bekam diesen „Adlerhorst“ mit der phänomenalen Aussicht von einem seiner Getreuen zum Geburtstag geschenkt. Heute ist es ein Restaurant, das leider erst später im Jahr aufsperrt.
Es geht vorbei an zahllosen Standeln mit unsäglichem Kitsch, und auf der Fahrkarte ist ein Gutschein für einen Burger beim McDonalds- alles Dinge, gegen die wir ziemlich immun sind.
Das Wetter wird deutlich besser, und wir können die Fahrt auf dem Wasser richtig genießen.
Der Kapitän verrät und launig einige Details. Wir erfahren, dass der See 8 km lang, an der breitesten Stelle etwas mehr als 1 km breit, ca. 120-200 m tief und sehr kalt ist. Er wird nur durch Regen- und Schmelzwasser gespeist und hat Trinkwasserqualität hat. Er liegt im Nationalpark Berchtesgaden, daher sind Wassersport und Motorboote verboten, und es darf nichts gebaut oder verbaut werden. Die umliegenden Wälder sind ganz naturbelassen.
Auch das berühmte Echo bekommen wir zu hören. Der Kapitän hat nämlich seine Trompete dabei.
Und dann taucht vor uns sehr eindrucksvoll der zweitgrößte Berg Deutschlands auf, der schneebedeckte Watzmann- „groß und mächtig, schicksalsträchtig. Über seinem Gipfel jagen Nebelschwaden… „Der Watzmann ruft“ nach wie vor viele Bergsteiger, und jedes Jahr gibt es Todesopfer.
Ein versteinerter grausamer König mit seiner Frau und seinen Kindern sind in den Gesteinsformationen deutlich zu erkennen.
Unsere Fahrt geht bis zum reizenden Kirchlein St. Bartholomä.
Das nette Ensemble mit Kirche, Wirtshaus und Fischerhütte kann man nur über den See erreichen.
Nach einer kleinen Rundwanderung fahren wir wieder zurück nach SCHÖNAU.
Wir wollen noch ein bisschen weiter wandern, meist geht es recht steil bergauf.
Am Malerwinkel kommen wir auch vorbei. Klaus macht ein Foto. Malen wird er den Ausblick später in unserem kleinen „Häuschen“.
Die Sonne kommt heraus. Der Frühling beginnt, sich von seiner besten Seite zu zeigen, und wir können unseren Osterspaziergang so richtig genießen.
Wir besteigen unser Wohnmobil und fahren weiter zum Hintersee.
Da ist wegen des Feiertags enorm viel los. Der Platz am See, den wir zum Schlafen auserkoren haben, ist total überfüllt- wie alle anderen Parkplätze hier auch.
Da fahren wir lieber weiter nach SCHNEIZLREUTH. Da ist ja auch der Name schon viel schöner.
Wir kommen an einem Campingplatz vorbei und fahren zum Wasser Zapfen und Klo Ausleeren einfach hinein. Schon sind wir wieder verschwunden. Chuzpe halt.
Ein netter Wanderparkplatz wird uns für die Nacht aufnehmen.
47 km
10 km mit dem Ausflugsschiff
Mo, 18. April, Ostermontag
Die heutige Nacht war wieder ziemlich kalt.
In der Früh heizen wir wieder ein bisschen ein. Bald kommt die Sonne heraus, und wir können uns wieder am Frühling erfreuen.
Wir sind nun auf der Deutschen Alpenstraße im Landkreis TRAUNSTEIN unterwegs.
In RUHPOLDING fahren wir mit der Seilbahn auf den Rauschberg hinauf.
Von oben hat man eine schöne Aussicht bis zum Chiemsee. Man erkennt deutlich, wo die Alpen aufhören und dahinter das flache Land beginnt. Wenn wir uns umdrehen, sehen wir unter anderem den Watzmann, den Großvenediger, den Großglockner- in Wolken gehüllt und die Übergossene Alm vom Hochkönig- da war ich vor vielen Jahren schon einmal mit Christian.
Hier steht auch eine Skulptur, die Alexander Huber als „Himmelskletterer“ darstellt. Er und sein Bruder Thomas sind die bekannten Huberbuam, bayerische Extremkletterer- noch leben sie.
Wir machen nun eine kleine aber doch recht anspruchsvolle Hochgebirgs-Wanderung über Stock und Stein und über Schneefelder zum Hinteren Rauschberg. Gut, dass ich meine Stöcke dabei habe. Wir erreichen sogar zwei Gipfelkreuze, wobei das erste zugegebenermaßen mehr oder weniger neben der Bergstation steht.
Interessant finden wir die Paragleiter-Station. Hier bereiten sich viele junge Leute auf ihren Flug vor, und wir können diese Geräte und das Equipment ganz aus der Nähe sehen.
Die Seilbahn bringt uns wieder ins Tal.
Das war heute unser Emmausgang, und wir fahren weiter zum heutigen Tagesziel, REIT IM WINKL.
Der Wohnmobil-Stellplatz vor der Touristeninformation bietet Klo und eine hervorragende Internetverbindung. Da lacht unser Herz.
Zuletzt machen wir noch einen Abendspaziergang durch das Dorf. Alles in diesem Luftkurort ist - wie nicht anders zu erwarten - ganz auf Tourismus ausgelegt. Schließlich finden wir nach langem Suchen doch ein Lebensmittelgeschäft, wo wir morgen früh einkaufen werden.
45 km
Di, 19. April, Osterdienstag
Erfreulicherweise scheint es nun doch etwas wärmer zu werden. Heute Nacht war uns jedenfalls mit all unseren Gewändern und Decken wohlig warm.
Nachdem wir unseren Proviant aufgefüllt haben, reisen wir nach einigen Kilometern nach ÖSTERREICH ins Heilige Land TIROL ein. Der Wilde Kaiser begrüßt uns.
Wenn wir schon mal hier sind, tanken wir, denn der Treibstoff ist in Deutschland teurer.
Dann frühstücken wir gemütlich am Walchsee.
Mit der Gemütlichkeit ist es aber bald vorbei, denn nach unserer Rückkehr nach DEUTSCHLAND wartet in ROSENHEIM wieder ein Kieser-Studio auf uns.
Für heute haben wir uns genug angestrengt, und wir suchen uns einen netten Platz für den restlichen Tag und die Nacht. Auf uns warten Bildschirmarbeit und Bücher, und vielleicht ein Film.
Nach einer Fahrt durchs schöne OBERBAYERN, entlang dem Nordrand der Alpen landen wir in BAYRISCHZELL, wo wir beim Schwimmbad unbehelligt stehen können.
Der Wasserfall auf der Anhöhe über uns lädt uns zu einem ausgedehnten Abendspaziergang ein.
Und dann freuen wir uns am Wiedersehen mit dem alten Film „Koyaanisquatsi“ aus dem Jahr 1982. Der Titel stammt aus der Hopi-Sprache und bedeutet soviel wie „Life out of Balance“. Der Film beschäftigt sich mit dem Eingriff des Menschen in die Natur und der modernen Lebensweise der Menschen. Es gibt keine Dialoge, nur Zeitlupen- und Zeitrafferaufnahmen, die mit eindrucksvoller, meditativer Musik unterlegt sind.
90 km
Mi, 20. April
Nach dem Ausschlafen machen wir uns auf den Weg zum Tegernsee. Dort wird Klaus ein Bild vom Königssee malen- sehr originell.
Es geht vorbei am Schliersee. Das Wasser glitzert in der Sonne.
Unterwegs kommen wir auch an unzähligen Häusern vorbei, an denen sich Lüftlmaler mit heftigem Gestaltungswillen ausgetobt haben. „Heiliger Lüftl schau oba“, meint Klaus.
Nach der Malstunde, für die wir ein idyllisches Plätzchen gefunden haben, fahren wir weiter zum Achenpass (941 m hoch).
Hier folgen wir kurz der österreichischen Grenze und reisen sogar für ein ganz kleines Stückchen Weges in unser Heimatland ein. Aber kaum haben wir das registriert, sind wir schon wieder draußen.
Tagsüber wird es immer angenehm warm. Da können wir uns kaum vorstellen, dass die Nächte nach wie vor sehr kalt sind, und morgens der Reif vor der „Hütte“ liegt.
Unsere heutige kleine Wanderung führt durch die Walchenklamm.
Der Fluss Welchen mündet hier in die Isar.
Und schon geht es weiter zum nächsten See. Am langgestreckten Sylvenstein-Stausee nimmt uns ein schöner Wohnmobil-Stellplatz auf. Wir stehen mitten im Wald und finden hier sogar etwas Infrastruktur vor.
Auf einer Tafel können wir lesen, dass hier Ludwig Ganghofers „Jäger von Fall“ spielt. Sie Ortschaft heisst nämlich so.
Klaus meint, dass wir für heute noch nicht genug Bewegung gemacht haben, also quälen wir uns noch den sehr steilen Weg auf das Hennenköpfl hinauf. Mit der tollen Aussicht auf den See und auf unser Wohnmobil - ganz unten - werden wir belohnt.
84 km
Do, 21. April
Heute früh legen wir einen Blitzstart hin. Wir hauen bereits um 7h30 ab - noch im Schlafgewand - nachdem wir noch rasch unser Klo entleert haben.
Unser Nachtparkschein gilt nämlich nur bis 7h, und wir wollen nicht nochmals zahlen.
Nach ein paar Minuten finden wir direkt am See einen schönen Platz für Morgentoilette und ein gemütliches Frühstück.
Jetzt fahren wir an der Isar entlang, die hier völlig naturbelassen in ihrem breiten Schotterbett mäandert.
Für die malerische Straße entlang des Walchensees bis EINSIEDL wird Maut verlangt.
Der See ist so groß, dass er im Film „Wickie und die starken Männer“ von Michael Bully Herbig als Meer herhalten kann. Wir besuchen die Filmkulisse von „FLAKE“. Einige Wikingerhütten, wurden hier nachgebaut, und es gibt Informationstafeln und Fotos.
Für die Mittagspause suchen wir uns einen hübschen Platz am See und schauen den Surfern zu, die in ihren Neopren-Anzügen unterwegs sind.
Hier in Bayern dauern die Osterferien noch an, daher ist überall viel los.
Bei der Weiterfahrt über eine serpentinenreiche Bergstraße erhaschen wir schöne Ausblicke auf den Kochlsee- schon wieder ein See.
In KOCHL AM SEE haben wir vor ein paar Jahren das interessante Franz Marc Museum besucht.
Unser nächstes Ziel ist BENEDIKTBEUERN, ein ehemaliges barockes Benediktinerkloster, das 1803 säkularisiert wurde, und in dem seit 1930 Salesianer Don Boscos leben.
In der Klosterbibliothek wurden die Carmina Burana, eine Sammlung von Vagantenliedern aus dem 13. Jahrhundert, gefunden. Einige davon wurden 1935/36 von Carl Orff vertont.
Die große Anlage und der Innenhof gefallen uns recht gut. Es herrscht eine friedliche Stimmung.
Das Innere der Kirche ist „ziemlich sehr“ überladen barock, gar nicht unser Geschmack.
Damit haben wir unser heutiges Tagwerk vollbracht.
In einer Bank holen wir uns einen Kleingeldvorrat. Wir brauchen immer wieder Münzen fürs Parken.
Unser heutiges Nachtquartier ist der Wieshof in MARNBACH, ein sehr netter Bio-Bauernhof.
Die Nachmittagssonne ist stark genug, dass wir ein wenig im Freien sitzen und lesen können- in einer Vorahnung des kommenden Sommers. Urlaubsfeeling kommt auf.
107 km
Fr, 22. April
Die heutige Nacht war von der Temperatur her durchaus angenehm.
Am Morgen füllen wir unseren Wassertank und kaufen ein paar Dinge im hübschen Hofladen. Im umgebauten, sehr geschmackvoll eingerichteten Heuschober führt die Bäuerin Kochkurse und andere Veranstaltungen durch.
Das ALLGÄU begrüßt uns mit einem echten kulturellen Highlight, mit der romanischen Basilika St. Michael in ALTENSTADT. Die Kirche wurde Ende des 12. Jhd. erbaut und gefällt uns ausgesprochen gut, in ihrer Ebenmäßigkeit, Klarheit und Schlichtheit.
Der dreischiffige Innenraum wird vom riesigen Kruzifix auf dem Lettnerbalken, dem „Großen Gott von Altenstadt“ aus dem 13. Jhd. dominiert. Ebenso alt ist der Taufstein, der zu den schönsten seiner Art in Deutschland zählt. Einige wenige gotische Fresken schmücken die Wände.
Zum Ausgleich zur Kultur steht nun wieder Natur auf dem Programm.
Auf der „Romantischen Straße“ fahren wir nach DENKLINGEN und erkunden den nett gestalteten Walderlebnisweg. Immer wieder gibt es Informationen, Such- und Quiz-Aufgaben.
Wir gehen zum hölzernen Römerturm hinauf, ein nachgebauter römischer Wachtturm, von dem aus man die „Via Salina“kontrollierte, die römische West-Ost-Verbindungsstraße vom Bodensee bis Salzburg . Man kann den Verlauf der Straße in den Feldern erahnen. Solche Türme waren in Sichtweite von einander aufgestellt und dienten auch zur Kommunikation durch Feuer- und Rauchzeichen.
Auch bronzezeitliche Hügelgräber aus 1600-1200 vor Chr. gibt es hier zu sehen.
Die Lebkuchen des Hexenhauses sind leider aus Holz.
Wir haben unseren sehr abwechslungsreichen Spaziergang sehr genossen.
Nach einer gemütlichen Mittagspause machen wir uns auf den Weg zu unserem heutigen Nachtquartier, dem Schlossmühlen-Hof in BIESSENHOFEN. Von der alten Mühle ist noch einiges zu sehen. Drei echte Wohnmobilplätze, sogar mit Stromanschluss stehen hier zur Verfügung. Wieder haben wir einen idealen Schlafplatz gefunden.
Als Abendspaziergang steigen wir zur kleinen Wallfahrtskirche St. Ottilia hinauf und genießen die Aussicht auf unser „Häuschen“.
78 km
Sa, 23. April
Wie schön, wenn wir in der Nacht nicht mehr dicke Pullover und dicke Socken anhaben müssen. Da genügt es, wenn wir einander wärmen.
Heute steht eine Mainstream-Sehenswürdigkeit auf unserem Programm: Die Königsschlösser Hohenschwangau und Neuschwanstein. Zuerst machen wir aber noch eine Sitzbesichtigung der historischen Altstadt von FÜSSEN.
Dann stellen wir unser Wohnmobil auf dem riesigen Touristenparklatz ab, von wo aus man zu Fuß oder mit Pferdefuhrwerken zu den Schlössern hinaufgelangt- ein echter Massen-Auftrieb, obwohl wir noch keine Hochsaison haben. Neuschwanstein gehört ja zu den meistbesuchten Orten in ganz Bayern. An manchen Tagen sollen sich hier bis zu 10.000 Leute tummeln.
Wir machen es wieder einmal anders. Eine kleine Wanderung, auf der wir fast allein sind, führt uns 200 Höhenmeter hinauf zu einem tollen Aussichtspunkt auf das Schloss des Märchenkönigs König Ludwig II. Diesen Blick müssen wir uns allerdings erschwindeln.
Die Marienbrücke, die wir ursprünglich als Foto-Standort im Auge hatten, ist nämlich wegen Bauarbeiten gesperrt.
Ein anderer Wanderer zeigt uns einen sehr steilen Schleichweg. Von hier aus ist das Bild, das sich uns bietet sogar noch toller als von der Brücke. Im Morgennebel erscheint es besonders mystisch.
Neuschwanstein ist übrigens ein Hauptwerk des europäischen Historismus.
Jedenfalls war es eine Inspiration für Walt Disney’s Zeichentrickfilme.
Hohenschwangau liegt in unmittelbarer Nähe. Das war die angestammte Burg der Königsfamilie, die Ludwigs Vater im Tudor-Stil umgestalten ließ.
Hoch befriedigt, dass wir wieder einmal unser eigenen Wege abseits der Massen gegangen sind, setzen wir unsere Reise fort.
Es geht weiter nach Westen Richtung Bodensee.
Am Nachmittag treffen wir bei unserem heutigen Bauern ein, Auf’m Buch in SULZBERG.
Natürlich statten wir auch „Hörmann’s Hoflädle" einen Besuch ab.
Für die heutige Abendgestaltung ist gesorgt. Heute ist der letzte Tag für den Verbrauch meines monatlichen Datenvolumens. Da trifft es sich gut, dass die Internetverbindung hier gut ist. Wir aktualisieren alle unsere Apps, laden Karten und Podcasts runter, und zuletzt lege ich noch eine YouTube-Session ein, bis ich alles leer gesaugt habe.
Ab morgen stehen mir wieder 10 GB für den nächsten Monat zur Verfügung. Und schließlich hat Klaus ja auch noch sein Guthaben. Solange wir in der EU sind, kommen wir also gut mit unserem Download-Volumen zurecht.
78 km
So, 24. April, Weißer Sonntag
Das war ein guter Platz. Dieser Meinung waren wohl auch die Bewohner der drei anderen Wohnmobile, die sich im Laufe des gestrigen Abends eingefunden haben.
Der Bauer hat uns erzählt, dass er jeden Tag viele Anfragen hat. Das „Landvergnügen“ wird also sehr gut angenommen. Wir sind ja auch Mitglied bei diesem Verein, der Gratis-Übernachtungen für Wohnmobile auf Bauernhöfen ermöglicht.
Wir sind hier auch unsere Altstoffe geordnet los geworden, die wir bereits seit Tagen mit uns herumführen.
Unsere Reise geht weiter, „Westwärts weht der Wind“.
Wir erleben das Allgäu als sehr ansprechende, fast liebliche Landschaft mit Blumenwiesen, kleinen Wäldchen und kleinen Seen.
Wir lieben es, so durch die Lande zu gleiten.
Der Dialekt der Einheimischen ist nicht mehr das breite Bayerisch sondern die Sprache hat bereits alemannische Anmutungen.
Uns ist schon recht oft aufgefallen, dass hier Solarpanele offenbar gefördert werden. Sehr viele Hausdächer sind damit bestückt.
Es ist recht kühl, und für den Nachmittag ist Regen angesagt. Wir wollen das Sonnenfenster ausnützen und besuchen ein Freilichtmuseum, das Allgäuer Bergbauern Museum in DIEPOLZ. Der Besuch der einzelnen Höfe ist zugleich mit einer kleinen Wanderung verbunden. Die vielen Informationen sind liebevoll aufbereitet, und es gibt immer wieder Mitmach-Stationen für Kinder.
Eine eigene Abteilung zeigt Kinderspiele in alten Zeiten. Vieles davon erkennen wir wieder. Fetzenpuppen, Tieren aus Tannenzapfen, Blumenkränze, Rindenschiffchen und vieles mehr sind uns sehr vertraut, ebenso wie z.B. Tempelhupfen, Fangen und Verstecken Spielen. Auf Fotos kann man sehen, wie die Kinder früher gekleidet waren, und wie sie sich beschäftigt haben. Wir erkennen uns wieder. Besonders nett finde ich den Heuboden. Kinder können von oben ins weiche Heu hinunterspringen. An unser eigenes Herumtoben auf dem Heuboden erinnern wir uns noch sehr gut, und auch heute macht das den Kindern offenbar immer noch großen Spaß.
In dieser Gegend und in dieser Höhenlage - über 1000 m - waren die Bauern früher sehr arm. Sie führten ein recht kärgliches Leben.
Klaus ist besonders am alten Handwerk interessiert. In Kurzfilmen wird die Arbeit des Wagners, Schindelmachers, Rechenmachers, Küfners, usw. erklärt.
Am höchsten Punkt der Anlage befindet sich die Sennerei, wo u.a. das Käsemachen erklärt wird. Das Allgäu ist ja für seine Milchwirtschaft bekannt.
Die Kirche des Ortes ist an der ganzen Wetterseite verschindelt, auch der Turm. Das sehen wir auf dieser Reise nicht das erste Mal.
Zuletzt erfahren wir noch, dass hier die europäische Wasserscheide zwischen Donau und Rhein verläuft.
Der Ausflug hat uns besonders gut gefallen, obwohl es eher kalt war. Aber immerhin hat es nicht geregnet.
Unsere Reise führt weiter durch eine sehr ländliche Gegend mit vielen hübschen alten Bauernhäuser. Bei einem davon werden wir heute unser Nachtquartier aufschlagen.
In STIEFENHOFEN, im Ortsteil HOPFEN steht der Artemisia-Kräuterhof, der sich als Natur- und Kulturschutzhof versteht. Wir sind begeistert, dass wir hier gelandet sind.
Man kann hier im Kräutergarten und im Gemüsekeller in Selbstbedienung einkaufen, den Hofladen - einen reizenden, spirituellen Wohlfühl-Laden - besuchen und in der angeschlossenen Teestube Kuchen essen- auch veganen. Man findet hier also Nahrung für Körper, Geist und Seele.
Gegen Abend setzt der vorausgesagte Regen ein.
58km
Mo, 25. April
Das war ein guter Platz. Das Chi hat wohl vom etwas esoterisch angehauchten Hof zu uns herübergestrahlt.
Es hat die ganze Nacht geregnet und regnet immer noch heftig. Wir wollen heute gerne ein Pfahlbaumuseum besuchen und hoffen dafür auf halbwegs trockenes Wetter.
Wir sind jedenfalls zum Bodensee unterwegs.
BADEN-WÜRTTEMBERG gegrüßt uns mir riesigen Obstplantagen voller blühender Bäumchen.
In FRIEDRICHSHAFEN erreichen wir den See, über dem ganz stilvoll ein Zeppelin schwebt. Man kann nämlich Rundflüge mit diesem interessanten Fluggerät buchen.
Zwei Namen sind mit Friedrichshafen verbunden: Graf Zeppelin und Maybach, dessen edle Autos besonders in der Zwischenkriegszeit Furore machten.
Für uns ist noch ein ein anderer Name mit der Stadt verbunden: Kieser.
Wir müssen schon wieder trainieren.
Trockenes Wetter und sogar einige Sonnenstrahlen erwarten uns in UNTERUHLDINGEN.
Wir freuen uns sehr, dass wir das Pfahlbaumuseum trockenen Fußes besichtigen können.
Die Anlage feiert heuer ihren hundertsten Geburtstag. 1922 wurden hier die ersten Häuser errichtet. Die ca. 20 Gebäude, die mittlerweile am Ufer und im See zu sehen sind, wurden alle für das Museum gebaut und liebevoll ausgestaltet. Sie sind mit Holzstegen miteinander verbunden.
Original sind nur die Reste der Pfähle, die aus dem Seeboden ragen. Diese sogenannten Stollenwiesen sind Weltkulturerbe. Mit Dendrochronologie wurde das Alter festgestellt.
Im bronzezeitlichen Dorf - 1250 bis 850 v. Chr. - lebten Bauern und spezialisierte Handwerker.
Kupfer hatte man ja schon in der Jungsteinzeit. Das war aber recht weich, daher mischte man 10% Zinn dazu und erhielt dadurch die wesentlich härtere und widerstandsfähigere Bronze.
Man hat Gegenstände gefunden, die im Seegrund konserviert waren, Werkzeuge, Schmuck, Töpferwaren und sogar Kinderspielzeug.
Das jungsteinzeitliche Dorf ist der Zeit ab 4000 v. Chr. nachempfunden. Die Bewohner konnten sehr geschickt mit Feuerstein umgehen. Wir sehen Geräte zum Fällen von Bäumen, die man für die Pfähle brauchte, auf denen die Häuser standen und für die Palisaden, die das Dorf umgaben.
Mit raffinierten Vorrichtungen konnten z.B. Löcher gebohrt werden. Auch den Webstuhl und das Töpfern gab es schon.
Die Menschen wurden ungefähr halb so alt wie heute. Kämpfe, Verletzungen bei der Jagd, Kindbettfieber und Infektionen waren die üblichen Todesursachen.
Die Nahrung bestand zu 70% aus Fladenbrot, Getreidebrei und Hülsenfrüchten. Man baute vor allem Emmer, Hirse, Gerste, Linsen, Erbsen, Bohnen und Lein an.
Es wurden aber auch Beeren, Pilze, Haselnüsse, kleine, saure Äpfel und wilder Honig gesammelt.
Fische wurden in Reusen gefangen, und man ging auch auf die Jagd.
An Haustieren hatte man Schweine, Ziegen und Pferde.
Auch Handel wurde betrieben.
Frischwasser holte man sich aus Quellen und Flüssen, und das Abwasser wurde in den See geleitet.
Alles ist sehr nett aufbereitet. Es gibt z.B. einen Schaugarten und Rezepte für steinzeitliche Gerichte.
Die Pfahlbauzeit war im Wesentlichen trocken und warm. Ein Temperatursturz um ca. 850 v. Chr. bedeutete das Aus für die hiesigen Siedlungen.
Das Klima in Europa wurde kälter und nässer. Wärmeliebende Pflanzen wie z.B. die Gerste gediehen nicht mehr. Die Dörfer wurden verlassen, und das Leben verlagerte sich in das Hinterland des Sees. Dort entstanden neue Gehöfte und Siedlungen, und Viehzucht gewann an Bedeutung.
Der Ausflug hierher hat uns sehr gut gefallen.
Wie haben auch noch gelernt, dass der Bodensee von Schmelzwasser der Alpen gespeist wird, und der Wasserstand daher im Frühling und Sommer um 3 m höher ist als im Winter.
Der Name des Sees geht auf den Ort BODMAN zurück. Das war eine der ältesten Siedlungen am Ufer, deren Geschichte bis ins 9. Jhd. zurückgeht.
Wir schwingen uns wieder ins Auto und fahren weiter nach SALEM.
Für heute haben wir uns einen Campingplatz ausgesucht. Wir müssen unbedingt Wäsche waschen.
113 km
Di, 26. April
Regen, Regen.
Nach dem Ausschlafen und einem opulenten Frühstück bleiben wir bis zum frühen Nachmittag auf dem Campingplatz und widmen uns ausgiebige der Körperpflege, sowie Putz- und kleineren Reparaturarbeiten.
Außerdem malt Klaus ein hübsches Aquarell vom Pfahlbaumuseum.
Plötzlich hört es auf zu regnen und die Sonne kommt heraus. Aber die Freude währt nur kurz. Bald waschelt es wieder los. Na ja, es ist ja immer noch April.
Wir machen uns wieder auf den Weg. Weit wollen wir heute nicht mehr fahren. Schließlich ist das heute ein Ruhetag. Wir wollen aber auch keine weitere Nacht auf dem Campingplatz bezahlen.
Wir landen auf einem Wanderparkplatz in SIPPLINGEN AM BODENSEE, in der Nähe von Ludwigshafen. Direkt neben einer Streuobstwiese wohnen wir heute. Die gefällt uns viel besser als die Obstplantagen, wo die Bäumchen in Reih und Glied im Spalier stehen.
Gegen Abend gewinnt wieder die Sonne die Überhand. Pünktlich um 17h - genau, wie der Wetterbericht vorhergesagt hat - hört es zu regnen auf. Das nützen wir für einen Spaziergang aus.
Für unsere Abendbeschäftigung ist gesorgt. Wir haben von den „Eingeborenen“ im Tausch gegen Bares einen großen Sack Haselnüsse erworben. Die werden nun mit der Wasserpumpenzange aufgeknackt.
26 km
Mi, 27. April
Ein guter Platz, wieder einmal.
Am Morgen erwartet uns trockenes Wetter mit einer Anmutung von Sonne.
Heute stehen unter anderem die Heidenhöhlen bei STOCKACH auf dem Programm.
Es handelt sich um künstlich in das weiche Gestein - vielleicht Tuff? - gehauene Gänge und Räume. Wann genau das gemacht wurde, weiß man nicht. Es wurden jedenfalls Römermünzen dort gefunden. Zum ersten Mal erwähnt wurde die Anlage um 1786.
Auch die Herkunft des Namens kennt man nicht. Es wird vermutet, dass er auf fahrendes Volk zurückgeht, das immer wieder dort gehaust hat.
Die Besichtigung ist - ganz klar für uns - mit einer kleinen Wanderung verbunden.
Einen weiteren Punkt haben wir noch auf unserer Tagesordnung, nämlich die spektakuläre Aachquelle.
Das Wasser, das von unten herauf als stärkste und wasserreichste Quelle Deutschlands in den 18 m tiefen Aachtopf sprudelt, hat sich noch 30 bis 60 Stunden zuvor seinen Weg in der Donau gebahnt, bevor es zwischen Immendingen und Fridingen im verkarsteten Kalkgestein versickert ist, um hier - nach ca. 12 km - wieder ans Licht zu kommen. Es speist die breite und reißende Hegauer Aach, an der schon im Mittelalter einige Mühlen lagen, und die auch heute noch mehrere Turbinen antreibt.
Nicht an allen Tagen versickert das Donauwasser vollständig, aber an durchschnittlich 130 Vollversinkungstagen im Jahr wird die junge Donau, deren versickertes Wasser unterirdisch die Wasserscheide überquert, paradoxerweise zu einem Nebenfluss des Rheins.
Den Nachweis, dass sich das alles wirklich so abspielt, erbrachte man im 19. Jhd. Man schüttete große Mengen Salz in das versickernde Wasser, und das kam tatsächlich hier wieder zum Vorschein.
Wir machen ein Rundwanderung zum „Alten Turm“ hinauf. Das ist der letzte Rest, der von einer sehr alten Burg - um ca. 1100 erbaut - übrig geblieben ist.
Das heutiges Tagesprogramm haben wir abgearbeitet. Wir machen uns auf den Weg zu unserem Schlafplatz, dem Parkplatz der Talmühle kurz nach ENGEN.
54 km
Do, 28. April
Die letzte Nacht war etwas laut, weil eine Straße nah an uns vorbeiführt.
Ich habe aber trotzdem recht gut geschlafen.
Heute haben wir einen Donauschwerpunkt vor uns.
Als erstes besuchen wir die Versickerungsstelle in IMMENDINGEN.
Die Donau ist zwar hier sehr seicht, aber vollständig versickern tut sie nicht. Es ist noch zu früh im Jahr.
An einer Sitzgruppe an der jungen Donau genießen wir das erstes Frühstück im Freien unserer Reise.
Dabei bilden wir uns ein wenig fort und lernen, dass es drei solche Donau-Versickerungsstellen gibt, an denen ständig genug Wasser in den Untergrund rinnt, sodass es dann mit heftigem Druck im Aachtopf wieder heraussprudeln kann. Vollständig leer ist das Flussbett aber nur an den Vollversinkungstagen, deren Anzahl allerdings stetig zunimmt. Irgendwann in der Zukunft wird es an diesem Standort hier überhaupt keine Donau mehr geben.
Wir fahren weiter zum Zusammenfluss der Flüsse Brigach und Breg, die ja bekanntlich die Donau „zuweg“ bringen.
Ein hübscher Spaziergang entlang der renaturierten Brigach bringt uns hin. Natürlich lassen wir an diesem denkwürdigen Ort auch die Drohne fliegen.
In DONAUESCHINGEN im Landkreis BAAR-SCHWARZWALD ist man besonders stolz auf die Donauquelle. Im Park des Schlosses des Fürsten zu Fürstenberg kann man sie bestaunen, eine kunstvoll gefasste Karst-Aufstoß-Quelle.
Ein paar Meter weiter ergießt sich ihr Wasser beim „griechischen“ Donautempel aus 1910 in die Brigach.
FURTWANGEN beansprucht den Ursprung des zweitgrößten Flusses Europas allerdings ebenfalls für sich.
Wir haben jedenfalls in der Volksschule gelernt, dass die Donau im Schwarzwald entspringt und ins Schwarze Meer mündet. Das stimmt auf jeden Fall.
Wir widmen unsere Aufmerksamkeit nun dem hübschen Städtchen Donaueschingen selbst.
Das Schloss kann man nicht besichtigen. Da wohnt immer noch die fürstliche Familie.
Die Stadtkirche fällt besonders auf. Zwiebeltürme sind in dieser Gegend fremd. Einer der Fürsten hatte eine böhmische Frau. Also steht hier unvermutet eine böhmische Barockkirche.
Der Narrenbrunnen sticht uns ins Auge. Er stellt den bunt gekleideten „Donaueschinger Hansel“ dar, die älteste traditionelle Narrenfigur des Fasnachtsbrauchtums der Gegend. Seine Schellen, die er um den Hals trägst, erklingen beim Tanzen und Springen.
Die hiesigen Souvenierläden verkaufen Bollenhüte und Kuckucksuhren.
Unser heutiges Plansoll ist erfüllt, und wir machen uns auf den Weg zu unserem heutigen Nachtquartier, dem 250 Jahre alten Wehrlehof in SIMONSWALD.
Sogar am späten Nachmittag können wir heute noch barfuß und in kurzer Hose im Freien sitzen. Wir freuen uns sehr über den ersten warmen, sonnigen Tag dieser Reise.
106 km
Fr, 29. April
Ganz wunderbar geschlafen, ohne jegliches warmes Zusatzgewand.
Unsere erste Station ist der Untere Fallengrund in FURTWANGEN. Dort steht der „Fallerhof“ aus der Fernsehserie „Die Fallers“, ein großer typischer Schwarzwälder Einzelhof mit tief hinuntergezogenem Walmdach. Er liegt ziemlich einsam und hat, wie viele Höfe dieser Gegend, mehreren kleinere Nebengebäude.
Die nächste Station ist die Erste weltgrößte Kuckucksuhr in SCHONACH. Ein Uhrmachermeister hat drei Jahre lang daran gebaut, und dabei ein normales Uhrwerk 60-fach vergrößert. So hat die Uhr die Größe eines Hauses. Man kann auch das riesige hölzerne Uhrwerk im Inneren besichtigen.
Erfreulicherweise kommen wir gerade um 11h hin. Also können wir dem Kuckuck ausführlich beim Rufen zuschauen und zuhören.
Im Nachbardorf hat man prompt eine noch größere Uhr gebaut. Aber die ist nicht so hübsch. So bleibt also die „erste“, obwohl sie etwas kleiner ist, die sehenswertere.
Der ganze Ort ist übrigens voller Kuckucksuhren. Fast in jedem Haus werden sie hergestellt oder verkauft. Wir sind hier auch in der Urheimat des Bollenhutes gelandet. Er eignet sich ebenfalls hervorragend zum Verkauf an Touristen. Für uns hätte es das nicht gebraucht. Uns gefällt beides nicht.
Nun wird es Zeit, etwas Bewegung zu machen. Wir wandern zu den legendären Schalensteinen hinauf. Vermutlich sind die Vertiefungen in den großen Steinen durch Menschenhand für rituelle Zwecke entstanden.
Wir vermuten, dass es sich um Granit-Findlinge aus der Eiszeit handelt.
Uns gefällt es im Schwarzwald, dem grünen Mittelgebirge.
Der Wald ist aber leider nicht mehr das, was er einmal war. Ursprünglich handelte es sich um einen Mischwald aus Laubbaumarten und Tannen. In den Höhenlagen wuchsen auch Fichtenbestände. Mitte des 19. Jahrhunderts war der Schwarzwald durch die intensive Nutzung fast vollständig entwaldet und wurde danach überwiegend mit Fichtenmonokulturen wieder aufgeforstet.
Wir haben für heute noch einen Programmpunkt vor uns, das Schwarzwälder Freilichtmuseum Vogtbauernhof in GUTACH. Die Keimzelle des Museums bildet besagter - mit Roggenstroh gedeckter - Vogtbauernhof, der seit 1612 mit seinem Back- und Brennhäusel hier steht. Nach und nach wurden andere Höfe samt ihren Nebengebäuden in verschiedenen Regionen des Schwarzwalds abgetragen und hier wieder aufgebaut.
Alles ist sehr nett aufbereitet. Die berührende Lebensgeschichte der letzten Vogtbäuerin wird erzählt, samt Fotos. Auf dem ganzen Gelände wird alte Handwerkskunst gezeigt. Es ist erstaunlich, was alles mit Wasserkraft angetrieben wurde: Getreide- und Ölmühlen, Hammerwerke, Flachsquetschen und Sägen.
Typische Bauerngärten wurden angelegt, und alte Tierrassen werden gehalten.
Unser Übernachtungsplatz ist ganz in der Nähe, ein Stellplatz direkt an der Schwarzwaldbahn, einer kleinen Lokalbahn. Hoffentlich stimmt die Information, dass hier in der Nacht keine Züge fahren.
68 km
Sa, 30. April
In der Nacht hat es geregnet. Der Wetterbericht kündigt kühlere Temperaturen und Regen an. Es hat 11°.
Hoffentlich werden wir unsere geplante Wanderung machen können.
Wir sind jetzt nach Norden unterwegs.
Das GPS leitet uns ganz unvermutet durch das alte Stadttor mitten ins reizende Städtchen WOLFACH. Wir genießen die Sitzbesichtigung.
Einige Kilometer weiter wartet der idyllisch gelegene, kreisrunde Glaswaldsee auf uns, zu dem wir hinaufwanden wollen, um ihn zu umrunden. Wir freuen uns, dass das Wetter trocken geblieben ist. Die Sonne blinzelt sogar hervor.
Für den Parkplatz müssen wir gar nicht wenig bezahlen. Dafür gilt das Ticket für 24 Stunden.
Wir beschließen, hier über Nacht zu bleiben - wenn wir nun mal bereits dafür bezahlt haben - und unseren geplanten Stellplatz in Freudenstadt erst morgen früh aufsuchen, um die dortige Infrastruktur zu nutzen.
Freude ist ja auch hier vorhanden- obwohl wir es auf diesem schiefen Platz nur mit Mühe, Keilen und Zusatzbrettern schaffen, das Wohnmobil in die Waage zu bringen.
Die Wanderung ist sehr nett und bietet uns jede Menge Wildkräuter für unseren Mittagssalat.
Ach für einen geruhsamen Nachmittag ist wegen der Programmänderung gesorgt.
Leider haben wir auf diesem Parkplatz überhaupt keinen Empfang. Also müssen wir notgedrungen - ;-) - gegen Abend nochmals zum See hinaufsteigen, um von dort den Bauern anzurufen, bei dem wir morgen schlafen wollen. Er hat keinen Platz für uns.
Trotz Erfolglosigkeit hatten wir nochmals ein netter Spaziergang.
Weitere Umplanungen werden für morgen notwendig.
27 km
So, 1. Mai
Das war ein guter Platz. Als wir gestern hergekommen sind, hätten wir uns das nicht gedacht. Wir waren ganz allein. Es gab keine Lichtverschmutzung, und daher war der Sternenhimmel besonders schön.
Allerdings war es kalt: 4°. Und auch am Morgen ist es immer noch recht kühl.
Wir fahren nach FREUDENSTADT und genießen dort die Freuden des Klo Ausleerens und des Wasser Nachfüllens auf dem Stellplatz, den wir ja eigentlich für gestern Nacht vorgesehen hatten.
Das Originellste dieser relativ großen Stadt ist der riesige Marktplatz, der größte Deutschlands. Ein württembergischer Herzog ließ im 16. Jhd. die Stadt auf dem Reißbrett in Form eines Mühlespiels entwerfen. In der Mitte sollte sein Schloss stehen. Leider starb er vorher, und der Platz blieb leer. Heute gibt’s da Parklätze und Grünflächen, und eine Durchzugsstraße führt durch. Auch ein Mammutbaum steht hier. Der passt ja gut auf den Mammut-Platz.
Alle Straßen sind wie ausgestorben- am heutigen Sonn- und Feiertag. So gleiten wir durchs SCHWABENLAND.
ROTTENBURG AM NECKAR ist unser nächstes Ziel und zugleich unser Tagesziel.
Wir kommen schon wieder bereits zu Mittag an unserem Schlafplatz an. Der Bauer, bei dem wir ursprünglich heute übernachten wollten, ist ja leider ausgebucht. Der hiesige Parkplatz im Wald ist aber für uns sehr geeignet. Momentan ist er sehr voll. Viele Familien nutzen ihn heute am Sonntag als Ausgangspunkt für Wanderungen.
Wir marschieren auch los und wandern zur Ruine Weilerburg hinauf.
Am Nachmittag kommt sogar die Sonne heraus.
Oben, beim Turm herrscht Highlife. Viele Familien mit Kindern sind zum Grillen versammelt.
Uns hält es da nicht lange, und wir machen uns bald wieder auf den Abstieg.
Gegen Abend wird unser Parkplatz leer, und wir schlafen ungestört.
93 km
Mo, 2. Mai
Und wieder hatten wir einen sehr guten Platz.
Wir freuen uns heute auf TÜBINGEN. Die Burg grüßt uns schon von weitem.
Als erstes machen wir eine Großeinkauf beim REWE. Auf diesem Parkplatz kann man gegen Bezahlung von wenigen Euro den ganzen Tag parken, wie wir erfreut feststellen. Im Reiseführer wird ja vor der Parkplatzmisere in der Stadt gewarnt. Also lassen wir unser Auto zurück und spazieren zu Fuß in die Altstadt- es ist nicht weit.
Unser Weg führt uns zunächst durch ein malerisches Gasserl entlang der Ammer. In früheren Zeiten war es hier nicht so idyllisch. Hier wohnten die Gerber und benutzten das Bächlein als Abwasserkanal.
Nun tauchen wir in die verwinkelten, steilen, Gässchen ein. Wir bewundern die vielen Radfahrer, die bergauf und bergab über das Kopfsteinpflaster hoppeln.
Die große ehemalige Fruchtschranne - hier wurden einst die Früchte der herzoglichen Streuobstwiesen gelagert - ist eines von mehreren alten Fachwerkhäusern aus dem späten 15. Jhd. Man kann noch die Holznägel sehen. Auch das ehemalige Kornhaus ist so ein Exemplar. Der Stiefelhof ist das älteste Anwesen der Stadt. Es liegt in einem der vielen verwinkelten Hinterhöfe.
Ganz besonders nett ist das Grätzel um das große Nonnenhaus mit seinem hübschen Markt.
Uns gefällt ein kleiner Buchladen mit angeschlossenem Café besonders gut. Er lädt zum Schmökern ein.
Das schönste Gebäude der Stadt ist eindeutig der Rathaus von 1435 mit seiner Sgraffito-Bemalung.
Wir schlendern begeistert durch die Gassen, vorbei am Wohnhaus von Alois Alzheimer, der hier an der Universität die nach ihm benannte Krankheit entdeckte. Auch das Geburtshaus von Ludwig Uhland entdecken wir.
Das Schloss Hohentübingen thront mitten in der Stadt auf einem Bergsporn. Es wurde im 11. Jhd. erbaut und im 16. Jhd. erweitert und stellt so eine Mischung aus einer mittelalterlichen Burg und einem neuzeitlichen Schloss dar. Es beherbergt heute Institute der Universität und das „Museum Alte Kulturen“. Uns beeindruckt vor allem das große Renaissance-Portal.
Tübingen ist ja eine Studentenstadt. Da braucht es natürlich auch urige Studentenkneipen. Davon gibt es genug.
Die Alte Burse wurde im 15. Jhd. als Studentenwohnheim erbaut. 1803 wurde sie klassizistisch zum Klinikum erweitert. Der bedauernswerte Hölderlin erhielt hier 1806/07 seine furchtbaren Behandlungen, die seiner psychischen Krankheit eher geschadet als genützt haben. Gleich gegenüber, am Neckar, steht der Hölderlinturm, indem der Dichter dann bis zu seinem Tod gelebt hat.
Dieser Turm bietet von der anderen Flusseite aus einen pittoreskeren Anblick.
Also spazieren wir drüben noch durch die Platanenallee.
Zu erwähnen sind noch die Stocherkähne, Flachboote die durch Staken im Neckar fortbewegt werden. Sie sind fester Bestandteil der Studentenkultur der Stadt. Es finden auch Rennen statt.
Unsere Mittagspause verbringen wir wieder auf dem Rewe-Parkplatz.
Aber jetzt ist Schluss mit Lustig. Wir begeben uns zum Kiesertraining.
Diese Stadt haben wir nun wirklich abgearbeitet und wir machen uns auf den Weg zu unserem heutigen Nachtquartier.
Der kleine Ort DECKENPFRONN liegt auf dem Weg nach Stuttgart. In der Straße namens Pfannenstiel - im Panhandle von Deckenpfronn sozusagen - befindet sich die „Dorfgemeinschaft Tennental“, eine Einrichtung, in der Menschen mit und ohne Behinderung miteinander arbeitet und leben. Ein großer Bio-Bauernhof, Werkstätten ein „Dorfladen“ und ein Bistro gehören dazu.
Wir nehmen hier eine besonders friedliche und schöne Energie wahr.
48 km
Di, 3. Mai
Kein Wunder, dass wir ausgezeichnet geschlafen haben.
Und schon sind wir auf dem Weg nach Stuttgart.
Den Schwarzwald haben wir ja schon gestern verlassen. Vor uns breitet sich nun ein flaches, grünes, nur wenig welliges Land aus.
An den Kirchtürmen erkennt man ja auch oft, wenn man in eine andere Region kommt. Hier sieht man immer wieder Stufengiebel.
SINDELFINGEN samt dem riesigen Mercedes-Werk ignorieren wir weitgehend, obwohl der Stern zu uns herüber blinkt.
Wir finden einen Parkplatz und spazieren gemütlich ca. 3 km in die Innenstadt von STUTTGART.
Die Sonne scheint. Die Blumen und der Flieder blühen und duften in den Vorgärten. Nur der Mörike im kleinen Park schaut ein bisserl zwider drein.
Die Stadt wurde ja im Krieg fast völlig zerstört, und nur ganz wenig alte Bausubstanz ist übrig geblieben. Leider wirkt das Stadtbild durch die vielen modernistischen Nachkriegsbauten nicht sehr attraktiv. Der Marktplatz samt dem Rathaus ist ein Beispiel dafür.
Einzig der Schillerplatz, mit dem Denkmal des Dichters in der Mitte macht noch was her. Er ist umgeben vom Alten Schloss, der Stiftskirche, dem spätgotischen Fruchtkasten, dem Prinzenbau - heute Justizministerium von Baden-Württemberg - und der Alten Kanzlei, wo die landesfürstliche Verwaltung ihren Sitz hatte.
Unser Ziel ist die Staatsgalerie. Wir brauchen ein wenig Kunst zur Abwechslung. Das Gebäude aus dem 19. Jhd. wurde in den 1980er-Jahren um einen Neubau erweitert. Ich war einmal hier, als ich Barbara und Bernd besucht habe. Da war dieser Zubau brandneu.
Die Ausstellung zeigt Kunst vom 14. Jhd. bis in die Moderne.
Wie immer in solchen Galerien: Einiges berührt mich tief, manches spricht mich an und Anderes wieder gar nicht. Auch hier sind die Impressionisten meine Favourites.
Nach eineinhalb Stunden haben wir genug. Nun müssen wir wieder die 3 km nach Hause - zum Wohnmobil - wandern. Jetzt sind wir aber rechtschaffen müde.
Keine Spur vom angekündigten Regen. Bei der Weiterfahrt zieht es sich ein wenig zu, aber alles bleibt trocken.
Beim Hinausfahren aus der Stadt können wir den „staureichsten deutschen Ballungsraum“ - Zitat Wikipedia - so richtig genießen :-(. Stuttgart verliert für uns die letzten Reste seines gut versteckten Charmes.
Unser heutiges Quartier liegt weiter im Osten. Das Bio-Weingut Zimmer in KERNEN-STETTEN bietet uns einen Stellplatz auf der Wiese zwischen Obstbäumen und frei herumlaufenden Hühnern. Klaus freut sich auf einen guten Tropfen zum Abendessen.
72 km
Mi, 4. Mai
Wir werden wieder einmal vom Hahn geweckt. Wie schön, wenn man sich dann noch einmal umdrehen und in die Decke kuscheln kann.
Heute haben wir nicht viel vor. Es geht weiter nach Osten.
Schon seit gestern sind wir auf der Württembergischen Weinstraße unterwegs. Ein Weingut reiht sich an das nächste, im Einzugsbereich von WEINSTADT. Auf einem davon haben wir ja letzte Nacht geschlafen.
Das reizende Städtchen besteht fast ausschließlich aus Fachwerkhäusern. Einige sehen recht alt aus.
Unvermutet taucht unterwegs ein Hundertwasserhaus auf- In PLOCHINGEN. Es ist ein Wohnhaus und nennt sich „Wohnen unterm Regenturm“.
Wir fahren nun auf das Mittelgebirge der SCHWÄBISCHEN ALB hinauf.
In HOHENSTADT suchen wir den sehr netten Campingplatz „Waldpark“ auf. Außer Wäschewaschen haben wir heute nichts mehr vor.
Auf dem Weg von der Waschmaschine zu unserem Auto erwischt uns ein veritabler Hagelschauer. Wir schaffen es gerade noch in unser rettendes „Häuschen“, bevor wir völlig durchnässt sind. Schwarze Wolken und Donnergrollen haben das Unwetter bereits angekündigt.
Das Inferno ist bald vorbei, geht aber in einen Landregen über.
Klaus malt ein Bild.
Das Szenario erinnert frappant an unseren letzten Campingplatz-Aufenthalt.
54 km
Do, 5. Mai
Es ist wieder sonnig, als wäre nichts gewesen.
Wir wollen ganz einfach nach ULM fahren, aber immer wieder landen wir bei Straßensperren.
Eigentlich wollen wir „In Ulm“ sein und nicht „um Ulm“, und schon gar nicht „um Ulm herum.“
Das GPS berechnet unverdrossen immer wieder die Route neu.
Endlich schaffen wir es doch- Uff.
Kieser-Training ist unser erster Programmpunkt für heute. Wir ergattern einen Gratis-Parkplatz mit Parkuhr. Wir stellen die Uhrzeit nach dem Training einfach neu ein, und haben dann 2 Std. Zeit für unseren Stadtrundgang.
Es ist nicht weit in die Innenstadt. Das Münster können wir von hier aus schon sehen- die zweitgrößte gotische Kirche Deutschlands - nach dem Kölner Dom - mit dem höchsten Kirchturm der Welt (161,53m). Leider ist die Kirche völlig eingerüstet. Uns interessiert aber ohnehin vor allem das wunderschöne, kunstvoll geschnitzte spätgotische Chorgestühl mit den aus Eichenholz geschnitzten Figuren. Es wurde zwischen 1469 und 1474 von dem Schreiner und Bildhauer Jörg Syrlin d. Ä. geschaffen. Die Büsten stellen berühmte Männer und weise Frauen des Altertums dar.
Ulm bietet aber auch noch eine zauberhafte Altstadt mit dem malerischen Fischer- und Gerberviertel, geprägt durch Fachwerkhäuser - z.B. „Das schiefe Haus“, in dem ein Hotel untergebracht ist. Man kann nur hoffen, dass die Betten waagrecht sind. Wir müssen ja in unserem Wohnmobil auch jeden Abend mit der Wasserwaage nachmessen.
Das Rathaus mit seiner üppiger Fassadenbemalung und der Astronomischen Uhr erhielt ihr heutiges Aussehen in der Frührenaissance.
Ein Bild an der Fassade stellt eine Ulmer Schachtel dar. Solche Zillen mit schachtelförmigem Aufbau wurden für den Warentransport flussabwärts benutzt. Am Bestimmungsort angekommen wurden sie zerlegt und das Holz als Brennmaterial verkauft.
Ein Spaziergang auf der Stadtmauer darf auch nicht fehlen. Sie wurde damals „mitten im reißenden Wasser der Donau“ erbaut, die jetzt brav reguliert daneben fließt.
Der "Schneider von Ulm“ startete 1811 mit seinem selbst gebauten Flugapparat von der Adlerbastei. Leider ging er in der Donau baden. Immerhin hat er es überlebt.
Und gefällt sie Stadt. Wir mögen ihre Atmosphäre. Z.B. gibt es immer wieder kleine Stadtgärten, die zu Erholung und Rückzug einladen. Laufend werden Restgrundstücke, Hinterhöfe, usw. in sogenannte „Grüne Zimmer“ umgestaltet.
Besonders witzig finden wir den Einstein-Brunnen, mit dem die Ulmer ihres berühmten Sohnes gedacht haben. Auf einer startenden Rakete steckt Einstein seinen Kopf aus einem Schneckenhaus und streckt die Zunge heraus.
Ein weiteres Highlight hat diese Stadt für uns zu bieten. Wir erstehen in einer altmodisch eingerichteten Holzofen-Bäckerei, die mit natürlichen Zutaten und langen Teigführungen wirbt, ein herrlich duftendes dunkles Sauerteig-Vollkornbrot.
Jetzt müssen wir nur noch herausfinden, was es mit dem Ulmer Spatz, der immer wieder in unterschiedlichsten Formen als Hauszeichen auftaucht, auf sich hat.
Unsere Recherchen ergeben, dass es sich um eine Legende handelt, in der ein Spatz mit einem Halm im Schnabel den Bürgern der Stadt gezeigt hat, wie sie einen Balken, der zu lang für die Breite des Stadttors war, einfach der Länge nach durch die schmale Öffnung schaffen konnten.
Unsere Aufnahmefähigkeit und unser Parkschein sind abgelaufen, und wir sich froh, wieder daheim im Auto zu sein.
Zu unserem heutigen Schlafplatz ist es nicht mehr weit, ein ruhiger Parkplatz in einer Sackgasse am Waldrand wird uns heute Nacht beherbergen.
62 km
Fr, 6. Mai
In der Nacht war es sehr angenehm und ruhig.
Es regnet und es ist recht kühl- natürlich, der Wetterbericht muss ja befolgt werden.
Wir sind nun auf dem Weg nach Augsburg.
Was die Kirchtürme betrifft, die Zwiebeln sind zurückgekehrt. Daran merkt man deutlich, dass wir wieder in BAYERN sind.
In AUGSBURG lassen wir in bewährter Weise nach unserem Einkauf das Wohnmobil auf dem REWE-Parkplatz stehen und machen uns zu Fuß auf den Weg-„REWE der deutsche Walmart“ (Zit. Klaus).
Auf dem Stadtplan sieht man deutlich die Form der Basteien der ehemaligen Stadtmauer am Lech. Bei einer befinden wir uns gerade. Da ist jetzt ein kleines Wäldchen und das Jakobstor aus dem 14. Jhd. Durch dieses gelangen wir in die Altstadt.
Mit Regenjacke und Regenhose sind wir bestens ausgerüstet und rutschen über das nasse Kopfsteinpflaster dahin.
Vorbei an der turmlosen Barfüßerkirche mit ihren außen angebauten kleine Kaufläden.
Wir lernen, dass der Name Augsburg vom Kaiser Augustus herrührt, der hier ein römisches Heerlager errichtet hat, aus dem sich später eine Stadt entwickelt hat.
Deswegen steht auch eine große Augustus-Statue auf dem Rathausplatz.
Das Rathaus mit dem großen Doppeladler ist einer der bedeutendsten Renaissance-Profanbauten nördlich der Alpen. Zusammen mit dem Perlachturm stellt es das Wahrzeichen der Stadt dar.
Sehr interessant finden wir die Fuggerei, die älteste bestehende Sozialsiedlung der Welt, eine Stadt in der Stadt mit 67 gleich aussehenden Häusern, und 142 Wohnungen sowie einer eigenen Kirche. Der ganze Komplex ist mit einer Mauer umgeben. Jakob Fugger, der Reiche, stiftete die Fuggerei auch im Namen seiner Brüder im Jahr 1521. Noch heute leben hier rund 150 bedürftige Augsburger Bürger katholischen Glaubens für eine Jahresmiete von € 0,88 und täglich drei Gebeten.
Mit einem futuristischen Holzpavillon auf dem Rathausplatz, der just heute fertiggestellt worden ist, feiert die Fuggerei ihr 500-jähriges Bestehen. Er soll in den kommenden Wochen den Rahmen für zahlreiche Veranstaltungen bilden, bei denen es auch um die Umsetzung ähnlicher Sozialprojekte geht.
Zuletzt finden wir noch den Herkulesbrunnen.
Große Begeisterung hat das Stadtbild von Augsburg nicht bei uns ausgelöst. Das mag vielleicht auch dem Regenwetter geschuldet sein.
Immerhin hat sich unser Horizont über die Augsburger Würstel hinaus erweitert.
Wir steigen ins trockene Auto und fahren weiter Richtung München.
Heute übernachten wir gratis bei einem großen Bauernmarkt in DASING.
106 km
Sa, 7. Mai
Heute werfen wir uns ausnahmsweise einmal auf die Autobahn und „preschen“ nach MÜNCHEN. Einer der Parkplätze bei der Allianz Arena, in der der FC Bayern München seine Heimspiele austrägt, kann an spielfreien Tagen als WoMo-Stellplatz genützt werden.
Er bietet gegen geringes Entgelt sogar Wasser, Strom und Entsorgungsmöglichkeiten.
Die Arena sieht aus, als wäre sie aufgeblasen. Die Fassade besteht nämlich aus fast 3000 Folienkissen, die nachts beleuchtet sind. Das wird uns ja hoffentlich beim Schlafen nicht stören.
Es regnet. Also ziehen wir uns wieder wetterfest an und marschieren ca. 20 Min. zur U-Bahn, die uns ins Stadtzentrum bringt. Klaus freut sich auf die Alte Pinakothek.
Ich hab’s ja nicht so mit den Alten Meistern. Aber es gibt doch Überraschungen, die meine Aufmerksamkeit erregen, einige Werke von Dürer, ein kleines Selbstportrait des jungen Rembrandt, die Bilderreihe von den essenden Knaben von Murillo und die Ansichten von Venedig von Canaletto.
Die Neue Pinakothek ist seit 2019 bis 2029 für eine umfassende Generalsanierung geschlossen. Eine Auswahl an Werken können wir im Ostflügel der Alten Pinakothek im Rahmen zweier Sonderausstellungen sehen:
„Vive le Pastel“- Die Bilder aus dem 17. und 18. Jhd. wurden sehr kunstvoll mit Pastellkreiden gemacht. Eine interessante Technik, die besonders gerne für Portraits angewendet wurde.
„Von Goya bis Manet“ interessiert uns allerdings mehr.
Nach unserer Mittagspause im Museums-Bistro wartet der unangenehmste Teil dieser Reise auf mich.
Ich muss mir Outfits für die beiden Hochzeiten, zu denen wir im Mai bzw. im Juni eingeladen sind, kaufen. Ich bin so gar nicht das Girlie, das gerne Shoppen geht.
Wir durchstreifen also die Sendlinger Straße - besichtigen bei der Gelegenheit das Sendlinger Tor und das reich verzierte Asamhaus - und die Kaufingerstraße.
Ich werde relativ rasch fündig. Uff bin ich erleichtert! Klaus ist mir bei solchen Aktionen stets ein hilfreicher und geduldiger Begleiter. Letztendlich erstehe ich noch einen kleinen Stadt-Rucksack, der von Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr aus upgecycleter Feuerwehrbekleidung hergestellt wurde. Solcherart Shopping macht mir Spaß.
So landen wir zuletzt auf dem Marienplatz und werfen einen Blick auf die Frauenkirche, die Mariensäule und das neugotische Neue Rathaus.
Für heute ist es genug. Morgen wollen wir ohnehin noch einmal in die Stadt fahren.
Die Weltreise zurück mit U-Bahnen und Fußmarsch liegt ohnehin noch vor uns. Immerhin hat es zu regnen aufgehört.
Dann sitzen wir gemütlich in unserem Stübchen und haben uns für den Abend eingerichtet. Da müssen wir erfahren, dass morgen doch ein Fußballspiel stattfindet, und dass die Wohnmobile am Vorabend eines Spiels um 19h hier verschwunden sein müssen. Dabei hatte Klaus alles so toll recherchiert. Aber kurzfristig kann es halt immer mal zu Änderungen kommen.
Wir haben nicht mehr viel Zeit, versorgen alles, was herumliegt, notdürftig und nutzen noch rasch die Camping-Facilities. Schließlich haben wir ein volles Klo und einen leeren Wassertank.
Wohin sollen wir uns jetzt aber wenden. Nach kurzer Recherche findet Klaus einen Stellplatz in 10 km Entfernung, in UNTERFÖHRING, neben einem Elektrizitätswerk. Hier ist die Übernachtung sogar gratis.
Wie und ob wir von hier morgen in die Stadt kommen, werden wir uns noch überlegen.
69 km
So, 8. Mai
Wir fahren mit dem Auto in die Stadt und finden tatsächlich einen Parkplatz ganz in der Nähe vom Kieser-Training.
Nach der sportlichen Anstrengung tut ein ca. halbstündiger Spaziergang zur Museumsinsel in der Isar gut. Schließlich regnet es heute nicht. Auf diese Weise lernen wir auch den Englischen Garten kennen.
Wir besuchen das Deutsche Museum, das größte Wissenschafts- und Technikmuseum der Welt.
Das kantige, klotzige Gebäude gefällt uns gar nicht. Aber die Sammlungen, die es enthält - aufgeteilt in 45 Abteilungen und 6 Stockwerke - sind wirklich toll.
Uns interessiert besonders die Entwicklung der Schifffahrt und des Flugverkehrs, Astronomie und besonders das technischen Spielzeug- Bauklötze, Matador (1901 in Wien erfunden), Fischertechnik, Metallbaukästen.
In der Abteilung über Kraftmaschinen wird in aufwändig gestalteten Modellen u. a. gezeigt, wie ursprünglich Tiere (Ochsen, Pferde, sogar Hunde und Ziegen) als Kraftquellen benutzt wurden. Die Energie von Mühlrädern wurde mit Übersetzungen und Riemenantrieben an zahlreiche Maschinen genutzt. Solche Treibriemen hat noch Klaus’ Großvater als Sattlermeister hergestellt.
Weitere Abteilungen befassen sich mit Kartographie, Meteorologie, Physik, Werkzeugen (von alten Drehbänken bis zu computergesteuerten Fertigungsrobotern), Automobilen, Kunsthandwerk, Maßen und Gewichten und vielem mehr.
Wir steigen bis auf die Dachterrasse hinauf und haben von dort aus einen schönen Blick auf München.
Alles ist sehr gut aufbereitet und interessant gestaltet, aber man kann unmöglich alles erfassen. Irgendwann lässt die Aufmerksamkeit nach. Die Aufnahmebereitschaft des Geistes nimmt langsam ab, aber die des Magens nimmt stetig zu.
Da müssen wir Abhilfe schaffen. Auf der Suche nach einem Lokal werfen wir einen Blick ins Hofbräuhaus. Jetzt wissen wir es ganz genau, dass die Maßkrug- ,Weißwurst- und Schweinsbratenkultur nicht die unsere ist. Da essen wir lieber einen Salat im Hard Rock Cafe.
Frisch gestärkt treten wir den Heimweg an- natürlich wieder zu Fuß.
Wir spazieren über den Viktualienmarkt, werfen eine Blick in die Frauenkirche, die erfreulich unüberladen und Klaus eher zu kahl erscheint und vorbei an einigen erstaunlich hässlichen Bauten, wie z.B. der Bayerische Staatsoper und dem Maximilianum. Klaus meint, die Bayern hätten eine zeitlang ein Monumentalbedürfnis gehabt, nach dem Motto: „Wir sind noch superer als die Preußen, mit ihrem Kaiser“.
Die Straßen sind voller Fußballfans in ihren einschlägigen Leiberln. Heute findet ja das Spiel statt, das uns von unserem Stellplatz in der Allianz-Arena vertrieben hat.
Nach fast 20.000 Schritten in den Beinen sind wir froh, wieder beim Auto zu sein und fahren zurück zu unserem gestrigen, bewährten Schlafplatz, wo uns wie jeden Abend Computerarbeit erwartet.
20 km
Mo, 9. Mai
Ein fauler Vormittag im Wohnmobil.
Klaus widmet sich mit großem Interesse seinem neuen Vogelbuch, das ich ihm in Tübingen in der süßen Buchhandlung beim Nonnenhaus geschenkt habe.
Schließlich verlassen wir MÜNCHEN und stellen fest: Alles in allem mögen wir die Stadt.
Für den Nachmittag und den Abend sind wir in SCHROBENHAUSEN bei Bekannten von Klaus eingeladen, die er schon seit ganz langer Zeit nicht mehr gesehen hat.
Wir können vor ihrem Haus im Wohnmobil übernachten.
71 km
Di, 10. Mai
Nach einem netten Frühstück mit unseren lieben Gastgebern, Hermine und Helmut und der kleinen Leonie, sind wir „on the road again“.
Es geht weiter nach Osten.
Gestern haben wir ja viel zu wenig Bewegung gemacht, daher halten wir in MOOSBURG AN DER ISAR und machen eine spontane kleine Wanderung entlang des Flusses.
Der Bio-Bauernhof in DORFEN, der uns heute beherbergt, gefällt und besonders gut.
Matthias, der junge Bauer, hat das Landschafts-Paten-Projekt ADLSTRASS ins Leben gerufen. Im Rahmen dessen hat sich eine Gruppe innovativer Menschen zum Ziel gesetzt, den ererbten Hof Zug um Zug umzugestalten und so als ein Stück lebens- und liebenswerte Heimat zu bewahren und weiterzuentwickeln.
Nachhaltigkeit erlebbar zu machen und die Lebensgrundlage nachfolgender Generationen zu sichern sieht der Verein als verantwortungsvolle Lebensaufgabe an.
Dieses Projekt gefällt uns ausnehmend gut, und wir kaufen großzügig im Vereinsladen ein.
Die kleine Ramina zeigt uns die blühenden Aroniabeeren-Büsche und die Lavendelfelder.
Dann stehen wir wieder einmal idyllisch mitten in einer blühenden Wiese.
90 km
Mi, 11. Mai
Den Vormittags verbringen wir bei herrlichem Wetter (27°) auf diesem Hof. Wir plaudern mit den Bauersleuten, und Klaus malt ein Bild.
Kurz vor Mittag machen wir uns wieder auf die Reise. Es geht ein ganzes Stück an der Österreichischen Grenze entlang und nähern uns dem Inn. Wir bleiben aber heute noch in Deutschland.
Bei einem REWE-Großeinkauf versorgen wir uns mit jeder Menge veganem Zeug, das es in Italien höchstwahrscheinlich nicht geben wird. Deutschland ist ja das Veganer-Paradies.
Bei der Weiterfahrt passieren wir MARKTL- mit seinem Motto: „Wir sind Papst“.
Unser heutiger Bauer, in AIGEN AM INN, hat seinen Schwerpunkt beim Schnaps-Brennen. "Griaß di“ steht auf dem Willkommensplakat. Wir sind ja schon fast in Oberösterreich.
Wir stehen mit dem WoMo neben der großen Streuobstwiese, deren Früchte sich hochprozentig vergeistigen werden.
Die letzten Tage waren ja ziemlich entspannt, und morgen wird es vermutlich so weitergehen, denn wir sind schon wieder eingeladen.
Damit es nicht allzu gemütlich wird, machen wir noch einen ausgedehnten Abendspaziergang zum Inn. Wir lernen, dass der Untere Inn ein international bedeutsames Feuchtgebiet ist. Dann gehen wir oben auf dem Damm entlang und bekommen anfangs vom Fluss kaum etwas mit, weil er so überwuchert ist. Die Au mit den vielen Seitenarmen ist auch für Fußgänger nicht zugänglich.
Und auf der anderen Seite drüben ist Oberösterreich.
Klaus fotografiert eifrig Vögel mit seinem Teleobjektiv. Das Abendlicht ist wunderschön.
Beim Heimkommen halten wir noch ein Schwätzchen mit dem sympathischen Bauern.
99 km
Do, 12. Mai
Wir sind auf dem Weg nach ÖSTERREICH - ins INNVIERTEL - weil wir uns dem ersten Hochzeitsgeschehen dieser Reise langsam nähern.
Bei der Überquerung des Inns können wir ihn in heute seiner ganzen Pracht bewundern.
Das GPS schickt uns mitten durch SCHÄRDING und beschert uns eine nette Sitzbesichtigung des hübschen Stadtplatzes mit seine bunten Fassaden- leider voller Autos, und wir gehören dazu.
Wir sind ja heute schon wieder eingeladen. Damit wir uns nicht zu wenig bewegen, und weil’s so schön ist, wandern wir wieder ein bisschen, diesmal durch den Sauwald.
Nach der Mittagspause machen wir uns auf den Weg zu Klaus’ Schulfreundin Hilde und ihrem Mann Hermann, wo wir den Nachmittag und den Abend verbringen werden.
Sie wohnen AUBERG in der Nähe von HASLACH.
Wir genießen die sehr schöne und bereichernde Begegnung.
Wieder schlafen wir vor dem Haus im Wohnmobil.
Fr, 13. Mai
Wir haben bei diesem Besuch sehr viel gelernt und ziehen nach dem Frühstück reich beschenkt von dannen.
Kieser-Training ist heute wieder dran. Wir sind mit Klaus’ Schwester Maria im Studio in LINZ verabredet.
Den Rest des Tages verbringen wir bei Maria und Gerhard in HAID bei ANSFELDEN- wie immer mit interessanten und spannenden Gesprächen und Diskussionen- und mit Wäsche waschen.
Wir übernachten natürlich auch hier in unserem „Häuschen“.
Sa, 14. Mai
Einziger und wichtigster Programmpunkt für heute ist die Hochzeit von Klaus’ Neffen Michael und seiner Kerstin in ANSFELDEN- ein wunderschönes Fest, auf dem wir viel nette Verwandtschaft treffen.
Um Mitternacht machen und Klaus und ich einen stimmungsvollen Spaziergang bei Fast-Vollmond. Danach betrachten wir das Sternbild Löwe und sitzen im stimmungsvollen Innenhof am Feuer.
18 km
So, 15. Mai
Den Parkplatz vor dem Lokal haben wir zum WoMo-Stellplatz umfunktioniert und sehr gut geschlafen.
Jetzt haben wir ungefähr einen Monat Zeit, um rechtzeitig bei der nächsten Hochzeit - in Rom - zu erscheinen.
Wir machen uns nach dem Ausschlafen gemütlich auf den Weg und freuen uns, wieder in unseren gewohnten Reisemodus zu kommen.
Die Autobahn bringt uns relativ rasch nach SALZBURG. Und bald darauf sind wir in KÄRNTEN.
Unseren Schlafplatz finden wir bei der Burg Sommeregg bei TREFFLING, sehr lauschig.
281 km
Mo, 16. Mai
Heute früh, um 5h30 gab es eine totale Mondfinsternis. Wir haben uns extra den Wecker auf 5h gestellt, um das Spektakulum nicht zu verpassen.
Gesehnt haben wir überhaupt nichts. Leider war es total bewölkt.
Schlafen zahlt sich jetzt nicht mehr aus, finden wir.
Jedenfalls sind wir bereits kurz nach 7h wieder unterwegs, wie auch viele Kinder, die zum
Schulbus eilen.
Wir waren la voriges Jahr in Kärnten und sehen jetzt vertraute Dinge wieder, z.B. „Marterln am Stil“.
Kurz vor NÖRSACH überschreiten wir die Grenze nach OSTTIROL.
Wir würdigen das Land mit einer Rundwanderung- klein aber doch recht schweißtreibend.
Oben auf dem Berg steht die stimmungsvolle Wallfahrtskirche St. Chrysanthen, einem Märtyrer geweiht, von dem wir bis jetzt noch nie etwas gehört haben.
Wir schauen hinüber zu den scharf gezackten Lienzer Dolomiten. Im Vorjahr sind wir dort hinaufgefahren und oben gewandert.
Wieder beim Auto angelangt, geht unsere Fahrt weiter nach LIENZ. Das Städtchen haben wir auch aus dem Vorjahr in guter Erinnerung.
Wir kommen an einem netten Haus vorbei. Eine sehr sympathisch wirkende Frau steht am Gartenzaun und lächelt uns auf eine ganz besondere, freundliche Art zu.
Wir sind beide ganz verzaubert, und Klaus folgt wieder einmal seiner Intention.
Er dreht um. Wir müssen ihr einfach sagen, welchen Eindruck sie auf uns gemacht hat.
Natürlich freut sie sich. Wir erzählen ihr, dass wir heute auf dem Fohlenhof übernachten werden, weil es uns im Vorjahr so gut bei Sylvia und Bernhard gefallen hat.
Man glaubt es ja kaum, aber wir sind hier tatsächlich im Elternhaus unserer heutigen Gastgeberin gelandet.
Wir werden spontan zum Kaffee auf die Terrasse eingeladen und plaudern eine Weile angeregt und seltsam vertraut mit ihr und ihrem Mann.
Die Innenstadt von Lienz genießen wir im Regen, was unserer gehobenen Stimmung aber keinen Abbruch tut.
Bei der Ankunft auf unserem Übernachtungs-Bauernhof kommt uns Sylvia gleich strahlend entgegen. Sie hat die Geschichte, die wir heute erlebt haben, bereits von ihren Eltern erfahren.
Auch heuer fühlen wir uns hier in NIKOLSDORF - trotz Regen - wieder sehr wohl.
94 km
Di, 17. Mai
Und heute geht’s nach ITALIEN. Es kommt uns so vor, als würde der „Sommerurlaub“ erst so richtig beginnen.
Kurz vor SILLIAN fällt uns die Burg Heinfels auf, eine ausgedehnte Höhenburganlage. „Die Königin, die in die Lüfte steigt“, wird sie genannt. Ihre Lage ist wirklich imposant.
Gegen Mittag überschreiten wir die Grenze und sind wieder einmal von SÜDTIROL begeistert.
Die Bergkulisse ist fantastisch und das wunderbare Wetter verstärkt den Eindruck.
Die schneebedeckten Dolomiten zeigen sich in ihrer ganzen Pracht.
Der Blick auf die Drei Zinnen = Tre Cime di Lavaredo, dem Wahrzeichen dieser Gebirgsgruppe, ist ja besonders bekannt, und Klaus hat für die morgige Malstunde ein wunderbares Motiv.
Er freut sich auch, den Monte Cristallo endlich persönlich kennen zu lernen, der sich fotowirksam im Dürrensee spiegelt.
Wir fahren über einen Pass und sind jetzt im COMPARTIMENTO DI VENEZIA- verheißungsvoll lockt die Lagunenstadt.
Unsere heutige Wanderung führt steil hinauf zum Castello di Botestagno = Burg Peutelstein. Wir entdecken kaum noch Spuren der einst strategisch so wichtigen Festung im Grenzgebiet zwischen Tirol und Venedig über dem Tal der Boite. 1175 wurde sie das erste Mal erwähnt und im 1. Weltkrieg sind ihre spärlichen Reste endgültig zerstört worden.
Unsere nächste Station ist CORTINA D’AMPEZZO, von Klaus „St. Toni Sailer“ genannt, wegen dessen Erfolgen bei den Olympischen Spielen 1956.
Der Stellplatz neben dem Sportplatz in PIEVE DI CADORE ist unser heutiger Schlafplatz.
Wir lassen den Tag mit einem netten Abendspaziergang im nahegelegenen Wäldchen ausklingen.
120 km
Mi, 18. Mai
Den Vormittag verbringen wir in klassischer Rollenteilung: Klaus sitzt im Freien und malt ein Bild, und ich wasche ein paar Wäschestücke mit der Hand- die nächste Waschmaschine ist noch weit.
Die Polizei taucht auf und „beschenkt uns mit Klarheit“ (Zit. Klaus). Wir erfahren, dass hier das Parken erlaubt ist, nicht aber Camping. Tisch und Sesseln darf man nicht rausstellen.
Ein Blick auf das unfertige Gemälde stimmt die strengen Carabinieri milde. Sie erlauben die Fertigstellung- Glück gehabt.
Gestern Abend haben wir noch im Reiseführer gelesen, dass in unserem aktuellen Übernachtungsort, PIEVE DI CADORE, Tizian - Klaus’ Malerkollege - geboren wurde. Sein Denkmal mit Malerpalette steht auf der Piazza.
Das müssen wir uns natürlich anschauen.
Es ist die erste italienische Piazza, die wir auf dieser Reise sehen.
Wir sind jetzt schon mitten in Italien. Das spürt man auf Schritt und Tritt.
Weiter geht es in den sonnigen Süden.
Wir haben bereits das alpine Gebiet verlassen, sie südlichsten Ausläufer der Alpen. „Dolomiti Arrivederci“ haben wir gerade auf einem Schild gelesen.
Wir fahren das Piave-Tal hinunter. Der Fluss hat viel Platz in seinem Bett. Er mäandert nach Lust und Laune und bildet zahllose Seitenarme und kleine Inselchen.
LONGARONE liegt auf unserem Weg. Da gab es 1963 ein furchtbares Staudamm-Unglück. 2000 Menschen starben damals, und die ganze Stadt wurde zerstört.
Die nächste Station in unserem heutigen Kulturprogramm ist BELLUNO.
Vom großen Parkplatz führt eine lange, überdachte Rolltreppe hinauf in die Altstadt. Wir sind allerdings sportlich und nehmen die Treppe- viele, viele Stufen.
Auf der Piazza Duomo steht der Dom mit seiner einfachen Bruch- und Backsteinfassade und dem hohen, schlanken Campanile. Der filigran verzierte Palazzo dei Rettori bildet einen Kontrast zur massiven Torre Civica, dem Rest einer Burg, die einst hier stand.
Nun machen wir uns auf die Suche nach dem Palazzo della Crepadona samt dem rätselhaften römischen Sarkophag- wir fragen wir einen Passanten. Der hängt seinen Erklärungen - der Palazzo wird gerade umgebaut und ist daher nicht zugänglich - gleich eine ganze Stadtführung an, in italienischer Originalfassung versteht sich.
Durch die Porta Doiona - einem Überbleibsel der Stadtmauer - gelangen wir auf die Piazza dei Martiri. Uns gefallen die schmalen Gassen und Laubengänge und die Palazzi aus Gotik und Renaissance.
Es folgt der Abstieg zum Parkplatz, und schon geht es weiter nach BASSANO DEL GRAPPA. Obwohl das Städtchen nicht nach dem Schnaps sondern nach einem Berg benannt ist, wird in fast jedem Geschäft Grappa verkauft. Auch Klaus kann nicht widerstehen. Die eingelegten Steinpilze und die Keramikarbeiten, die auch überall angeboten werden, treffen nicht unseren Geschmack.
Hier gibt es aber schöne alte Plätze, Renaissancepalazzi und wieder Gassen mit Laubengängen. Auf der Piazza Libertà steht die eindrucksvolle Kirche Giovanni Battista und ein Markuslöwe.
Berühmt ist das malerische Städtchen aber wegen seiner überdachten Holzbrücke über die Brenta, die zwei Stadtteile verbindet. Sie stammt ursprünglich aus dem 13. Jhd. und wurde nach Plänen von Andrea Palladio mehrfach erneuert. Im 2. Weltkrieg wurde sie zerstört und von den Alpini wieder aufgebaut.
Die deutsche Besatzung beging in dieser Gegend schwere Kriegsverbrechen. Im Ort selbst ließ sie 1944 31 Jugendliche und junge Männer mit einem Karton mit der Aufschrift „Bandit“ auf der Brust an den Bäumen dreier Straßen aufhängen. Die Bäume stehen noch und sind bezeichnet und mit Blumen geschmückt. Da wird einem kalt ums Herz.
Unser heutiges Tagesziel ist ÀSOLO. Die „Stadt der hundert Horizonte“ wird das Hügelstädtchen in ihrer üppig grünen Umgebung genannt. Hoch oben thront die mächtige Ruine der Rocca, deren Ursprünge bis in die römische Zeit zurückreichen.
Der hiesige Stellplatz bietet zwar alles, was das Herz begehrt, aber wir entdecken keine Möglichkeit, durch den verschlossenen Schranken hinein zu kommen.
So stellen wir uns halt auf den Parkplatz daneben. Mit Hilfe unserer Kabeltrommel können wie uns sogar Strom von nebenan holen.
139 km
Do, 19. Mai
In CASTELFRANCO VENETO wurde Giorgione geboren. Auch sein Denkmal mit Malerpalette geben wir uns natürlich. Wir sind vor allem hier, um sein Gemälde „Pala di Giorgione“ aus 1505 im Dom - mitten in der befestigten Altstadt - zu bewundern.
Es handelt sich um eines der wenigen erhaltenen Werke des Renaissancemalers. Es zeigt die thronende Madonna mit dem Hl. Franziskus und einem Heiligen in Rüstung, vermutlich St. Liberal, dem Schutzpatron der Stadt.
Das Bild war ziemlich schlecht renoviert worden und wurde überdies 1972 gestohlen. Nach seiner Wiederauffindung wurde es 2002–2003 dann ordentlich restauriert und kehrte schließlich an seinen angestammten Platz zurück.
Die Kirche selbst gefällt mir nicht besonders- klassizistisch halt.
Das Stadtzentrum hat eine gut erhaltene quadratische Festungsanlage mit Eck- und Mitteltürmen an den vier Toren und vorgelagertem Graben durch Umleitung des Flusses Sile. Dieser Grundriss wird auf ein römisches castrum zurückgeführt.
Und jetzt ist Venedig unser nächstes Ziel.
In MESTRE testen wir einen Lidl-Markt auf vegane Produkte und werden überraschend fündig. In Italien ist das ja gar nicht so einfach.
Mit dem Auto nach VENEDIG zu kommen ist für den Fahrer ja immer recht stressig und chaotisch. Mit dem Wohnmobil tut man sich umso schwerer. Auf der Piazzale Roma können wir nicht länger als eine Stunde parken. Wir wollen aber mehrere Tage bleiben.
Das Internet verrät uns schließlich den Weg zu einem großen WoMo-Stellplatz jenseits des Dammes in SAN GIULIANO.
Wir sind richtig glücklich und dankbar, hier gelandet zu sein.
Wir stehen im Grünen unter schattigen Bäumen. Es ist herrlich ruhig hier. Strom, Wasser, Toiletten, ja sogar Duschen werden gegen geringes Geld angeboten.
Bis zur Vaporetto-Station, von der aus wir mitten in die Lagunenstadt fahren können, sind es nur wenige Minuten zu Fuß.
Hier verbringen wir einen gemütlich Nachmittag, ehe wir uns in den nächsten Tagen ins Gewühl der Biennale stürzen werden.
Unser Abendspaziergang birgt eine Überraschung. Direkt hinter den Stellplatz fängt ein richtiges Erholungsgebiet an. Jetzt am Abend, weil es kühler ist, sind viele Spaziergänger, Jogger und Radfahrer unterwegs. Junge Leute spielen Basketball oder sitzen im Gras und machen ein Picknick. Auf den Wasserflächen schwimmen Enten- richtig idyllisch.
75 km
Fr, 20. Mai
Nach dem Frühstück nehmen wir das Transferboot nach VENEDIG. Die Fast dauert ungefähr eine halbe Stunde.
Eigentlich erfolgt die angemessene Annäherung an diese Stadt ohnehin über das Wasser. Wir kommen allerdings von einer nicht so attraktiven Seite. Für uns ist das aber durchaus interessant, weil wir auf diese Weise ganz und gar nicht noble Wohngegenden zu sehen bekommen. Nach eine halben Stunde Fahrt legen wir in „Fondamente Nove“ an. Der Wasserstand ist ziemlich niedrig.
Von hier aus gegen wir zu Fuß zum „Arsenale“, einem der Hauptausstellungsorte der Biennale mit dem heurigen Titel: „The Milk of Dreams“ = „Il Latte dei Sogni“. Wie immer genießen wir das sehr gemischte, bunte Bild - die Fülle ist zu groß, als das man auch nur annähernd alles erfassen kann - und gleiten gemächlich durch die Räume, bis etwas unsere besondere Aufmerksamkeit erregt. Das passiert diesmal aber leider gar nicht so oft. Tolle Fotomotive sind aber allemal dabei.
Was ich positiv finde ist, dass weibliche Künstlerinnen heuer in der Überzahl sind. Der weiße, westliche Mann soll nicht das Maß aller Dinge sein.
Nach der Mittagspause im Restaurant machen wir uns auf den Rückweg zum Boot. Dabei besichtigen wir noch einige Länderpavillons, die auf unserem Weg liegen.
Es ist ziemlich heiß, aber die Temperaturen sind gut erträglich.
Ab 16h sitzen wir wieder in unserem schattigen „Häuschen“- mit über 15.000 Schritten in den Βeinen und recherchieren noch ein wenig über die Dinge, die wir heute gesehen haben.
Sa, 21. Mai
Wir fahren wieder mit dem Transferboot in die Stadt.
Nur eine relativ schmale Fahrrinne steht allen Wasserfahrzeugen zu Verfügung.
Heute sind ziemlich viele Ruderer in ihren Vereinsdressen auf dem Wasser. Es wird stehend gerudert- bis zu sechs Leute in einem Boot. Ihre Haltung erinnert an die der Gondolieri. Auch Motorboote, beladen mit Postpaketen, Müll, Lebensmitteln, usw. sind unterwegs. Da wird in echt italienischer Manier durchaus laut geschimpft und gestikuliert, wenn man einander zu nahe kommt.
Danach sind wir natürlich auch heute wieder zu Fuß unterwegs. Wir biegen beim Arsenale ums Eck, um zu den Giardini weiter zu gehen. Da erscheint plötzlich die "Rainbow Warrier“ von Greenpeace vor uns, dort wo üblicherweise die riesigen Yachten von russischen Oligarchen vor Anker liegen. Wer hätte gedacht, dass wir das legendäre Schiff einmal in natura sehen werden.
Heute stehen also die Gardini auf unserem Biennale-Programm.
Auch heuer gefällt uns die hiesige Ausstellung viel besser als die im Arsenale. Auch das Ambiente ist hier viel angenehmer. Man ist immer zwischendurch im Garten und kann sich zum Ausruhen unter schattige Bäume setzen.
Von vielen Kunstwerken sind wir heute sehr angetan. Gestern hat’s uns ja nicht so gepackt.
Nachdem wir das Pflichtprogramm abgearbeitet haben, spazieren wir noch zur Kirche San Zaccaria. Wir waren ja schon recht oft in Venedig, aber das Gemälde „Sacra Conversazione“ aus 1505 von Bellini haben wir uns bis jetzt noch nie abgeschaut. „Wir sind an diesem Schatz bis jetzt immer vorbeigegangen“, meint Klaus. Die thronende Muttergottes mit Kind ist von Heiligen umgeben.
Wir kommen an der Pensione Wildner vorbei, in der wir schon öfters gewohnt haben. Diese Gegend ist uns also ziemlich vertraut. Auch die Pizzeria Roberto kennen wir schon. Auch heute sitzen wir hier im Schatten und lassen uns verwöhnen.
Und dann geht es im Laufschritt zum Transferboot, das uns zurück nach SAN GIULIANO bringen soll. Wir kommen haarscharf zurecht. Da sind wir froh, wir hätten sonst eine Stunde lang auf die nächste Überfahrt warten müssen.
Heute war es noch heißer als gestern. Über 12 km sind wir gelatscht. Da tut es gut, wieder zu Hause zu sein.
So, 22. Mai
Wir nehmen das 9h-Boot. Heute früh waren wir schon recht zeitig wach. Wir hatten nämlich die bis jetzt - heißeste Nacht dieser Reise.
In der Fahrrinne ist sonntags fast nichts los, und wir sind schon in 20 Minuten drüben in „Fondamente Nove“.
Wir wollen in die „Galerie dell’Accademia“. Die bedeutendste Gemäldesammlung Venedigs beherbergt venezianische Malerei von der Gotik bis zum Rokoko. Da werden einige Gemälde gezeigt, die Klaus gerne sehen möchte.
Wir entdecken wieder einige Varianten der thronenden Madonna mit Kind, umgeben von verschiedenen Heiligen, eine Darstellungsform die zu Beginn des 16. Jhd. offenbar sehr beliebt war. Wir haben ja schon das Bild von Giorgione in Castelfranco und die „Sacra Conversazione“ von Bellini gesehen.
Für wenig gelungen halten wir die Version von Cima da Conegliano, deren Kopfflügler-Engerln im blauen Himmel mich frappant an Engerln im Swimmingpool erinnern. Die müssen sich auch abkühlen. Schließlich ist es sehr heiß.
„Das Gastmahl im Hause des Levi“ von Veronese, das eine ganze Wand einnimmt, ist sehr interessant. Dieses Gemälde war zunächst als Abenmahlsbild gedacht. Es wurde aber von der Venezianischen Inquisition beanstandet, die es nicht schicklich fand, „beim letzten Mahle des Herren Narren, Betrunkene, Deutsche, Zwerge und ähnliche Scheusslichkeiten zu malen“. Veronese änderte daraufhin den Namen des Bildes in den heute gebräuchlichen Titel, um keine weiteren Scherereien zu bekommen.
Die anderen Bilder gefallen mir nicht, vor allem die grauslichen Darstellungen von Heiligen, die ihr Martyrium erleiden.
Es wäre noch zu erwähnen, dass ich meinen Sonnenhut in der Garderobe des Museums vergessen habe. Ich eile zurück und finde ihn erfreulicherweise wieder.
Von den Länderpavillons der Biennale, die über die Stadt verstreut sind, halte ich nur den aus der Ukraine für erwähnenswert. Der Titel lautet „We are Defending our Freedom“.
Der Russische Pavillon in den Giardini bleibt ja heuer aus gegebenem Anlass geschlossen.
Zum Mittagessen gönnen wir uns jeder einen Insalatone. Die Salate waren wirklich groß und haben köstlich geschmeckt. Wir sind nett im Schatten gesessen und haben auch jeder ein Gläschen Wein getrunken. Der Preis von € 61,50 hat uns allerdings schon ein wenig erstaunt. Das ist halt Venedig.
Wir nehmen Abschied von der Lagunenstadt und gehen zurück zu unserem Boot. Heute sind wir rechtzeitig dort, und Klaus hat Zeit genug sein Handy auf das Mäuerchen neben sich zu legen. Wir plaudern ein wenig, mit einem deutschen Ehepaar, bevor wir an Bord gehen. Sie sind es, die uns dann das das wichtige Kleinod nachtragen. Da haben wir aber wieder einmal Glück gehabt. Wir sind sehr erleichtert. Der heutige Tag war also der Tag der verlorenen und wieder gefundenen Dinge.
Nun können wir uns unbeschwert auf einen entspannten Nachmittag und Abend freuen.
Mo, 23. Mai
Wir waren jetzt eindeutig lange genug hier.
Also checken wir aus, füllen den Wassertank und entleeren Klo und Abwasser. So sind wir gerüstet für weitere Abenteuer.
Nach einem Großeinkauf samt Sitzbesichtigung des wenig attraktiven MESTRE genießen wir es wieder, gemütlich durchs Land zu gleiten- vorbei an der imposanten barocken Villa Pisani in STRA, am Brentakanal.
In PADUA waren wir bereits vor einigen Jahren und haben die Scrovegni-Kapelle mit den Giottofresken und das Teatro Anatomico - den eingebauten, steil ansteigenden hölzernen Hörsaal für Medizinstudenten in der Universität besichtigt.
Heute widmen wir uns dem Prato della Valle. Schon in römischer Zeit fanden auf diesem Platz - einem der größten innerstädtischen Plätze Europas - Veranstaltungen statt.
Seine heutige elliptische Form erhielt er im 18. und 19. Jhd.
In der Mitte liegt eine Insel, die von vielen Statuen umsäumt ist, und die ein Kanal umfließt.
Am Prato liegt die Basilika Santa Giustina, eine der größten Kirchen der Welt, die wir aber dennoch ziemlich ignorieren.
Die Basilika des Hl. Antonius in romanisch-gotischem Stil mit ihren acht immensen Kuppeln hat einen der prächtigsten Innenräume, die wir je gesehen haben.
Im linken Seitenschiff ruht der Heilige in einem gewaltigen Sarkophag.
Ich denke halt, dass sich der redegewandte Asket über all das sehr gewundert hätte.
Seine „unversehrten“ Zunge wollen wir nicht sehen. Ich hatte ja das Vergnügen bereits bei einer Reise mit Gabi. Sie flüsterte mir damals zu: „Gell, es ist schon peinlich, katholisch zu sein.“
Uns gefällt der Kreuzgang der Magnolie besonders gut, der riesige Baum mit seinen unzähligen Ablegern stammt aus 1810. Leider blüht er gerade nicht.
Vor der Kirche - inmitten von Devotionalienstandeln - steht das berühmte Reiterdenkmal des Söldnerführers Gattamelata. Donatello schuf 1447 mit dieser Bronzeplastik das erste im Monumentalformat gegossene Reiterstandbild seit der Antike.
Wir spazieren weiter zum Palazzo della Ragione = Gerichtspalast, einem der bedeutendsten Profanbauten der Frührenaissance in Europa.
Die ehemalige Markthalle liegt zwischen zwei stimmungsvollen Marktplätzen, der Piazza delle Erbe und der Piazza della Frutta. Da wurden offenbar ursprünglich Kräuter und Früchte verkauft.
Ganz in der Nähe lag das jüdische Ghetto. Sogar von hier aus gab es im 2. Weltkrieg Judendeportationen.
Nun flanieren wir durch die schmalen Gassen zurück zu unserem Auto.
Wir fahren weiter Richtung Vicenza.
Für heute Nacht haben wir online unseren ersten Bauern von „AgriCamper“, dem italienischen „Landvergnügen“ gebucht. Wir sind schon neugierig, ob er unsere Anfrage erhalten hat, und wie wir uns mit ihm verständigen werden.
Wir wir feststellen, handelt es sich um eine altehrwürdige Schnapsbrennerei aus 1840 in MONTEGALDA. Wir werden freundlich aufgenommen und haben einen schattigen Platz neben dem Gemüsegarten mit Blick auf die mittelalterliche Burg gefunden. Der Inhaber zeigt uns stolz sein eigenes Wohnmobil. Er hat also vollstes Verständnis für uns.
Während ich meinen Reiseblog schreibe, nutzt Klaus den restlichen Nachmittag zur Strukturierung und Optimierung der „Lagerbestände“ von Lebensmitteln, usw. in unserer Garage.
72 km
Di, 24. Mai
Heute steht VICENZA auf unserem Programm. Klaus war noch nie da und wird sich mit großer Freude dem Renaissance-Architekten Andrea Palladio widmen.
Das beginnt schon, bevor wir in die Stadt kommen. Die Villa „La Rotonda“ grüßt von Ihrem Hügel aus zu uns herüber.
Vom Parkplatz am Stadtrand aus gehen wir zu Fuß ins Zentrum.
Und dann jagt ein Highlight das nächste:
Das Teatro Olimpico, das letzte Werk Palladios, war das erste überdachte Theater der Welt.
Er gestaltete die Bühne wie eine zweistöckige Palastfassade mit zentralem Triumphbogen. Die sehr ungewöhnliche Bühnenwand gibt durch drei Portale den Blick auf ein idealisiertes Theben frei. Um die Illusion von Tiefe zu verstärken, steigt der Bühnenboden an und die Häuser sind perspektivisch verkleinert. Die Szenerie wirkt also wesentlich tiefer als sie tatsächlich ist.
Eigentlich wurde die Kulissenstadt für die Aufführung von „König Ödipus“ erstellt, blieb aber nach der Aufführung stehen und dient seither - bis heute - für alle Vorstellungen als Bühnenbild.
Der Zuschauerraum hat die Form eines antiken Amphitheaters.
Dieses Theater ist wirklich etwas ganz Besonderes. Kein Wunder, dass es zum Weltkulturerbe gehört.
Wir spazieren weiter zum Tempio di Santa Corona. Benannt ist die gotische Kirche nach der Dornenkrone Christi, von der ein „Original-Dorn“ ursprünglich hier aufbewahrt wurde. Heute könnte man ihn im Museum bewundern.
Das ist eindeutig der richtige Ort, um Genesungswünsche an unsere lieben Nachbarn zu schicken, die gerade an Covid erkrankt sind.
Klaus interessieren vor allem zwei Gemälde: „Die Anbetung der Könige“ von Veronese - gefällt mir auch sehr gut - und die „Taufe Christi“ von Bellini. Leider ist dieses Bild gerade mit Plastik verhängt, und man kann es nur erahnen. Der Altar wird gerade restauriert.
Palladio liegt übrigens in dieser Kirche begraben.
Den Höhepunkt unserer Besichtigungstour bildet die Basilica Palladiana. Sie war einst ein hoheitliches Gebäude mit Markt- und Gerichtsfunktion.
Mit dar Piazza delle Erbe daneben erinnert es uns ein wenig an den Palazzo Ragione in Padua.
Ein damals berühmter Architekt wurde mit dem Umbau des mittelalterlichen Baus, von dem nur noch der etwas schiefe Turm steht, beauftragt. Der orientierte sich tatsächlich am Palazzo Ragione von Padua. Leide stürzten bereits zwei Jahre nach der Vollendung wesentliche Teile ein, und nach langem hin und her entschied man sich für die Pläne des damals völlig unbekannten Palladio.
Hier findet gerade ein Event für Kinder statt, die ihre Gefühle zur Corona-Pandemie zeichnerisch zum Ausdruck bringen. „Virus vai via“, heißt es da = Virus geh weg. Auch das passt gut als Botschaft für die kranke Petra und ihre Familie.
Ich freue mich sehr, dass ich Klaus in diese Stadt gelockt habe. Er hatte VICENZA ursprünglich gar nicht geplant, und jetzt ist er begeistert.
Zu allem Überfluss kommen wir auf dem Rückweg zu unserem Auto an einem Weltladen vorbei. Klaus ist auf der Suche nach dünnen T-Shirts. Hier wird er fündig, sogar Fairtrade und aus Bio-Baumwolle. Und Kaffee können wir auch brauchen.
Bei der Weiterfahrt machen wir noch einmal einen Abstecher zur Villa „La Rotonda“ und lassen die Drohne fliegen. Ein deutsches Ehepaar, geht zufällig vorbei und unterhält sich begeistert über den Bau. Klaus entdeckt deren iPhone und schickt ihnen per AirDrop ein Drohenfoto. Sie sind geflasht- von der Aufmerksamkeit eines Fremden und von den technischen Möglichkeiten. Und mir gefallen solche Aktionen auch ganz besonders an ihm.
Bis zu unserem heutigen Schlafplatz haben wir noch einige Kilometer abzuspulen.
Da tut uns eine kleine Pause gut, in der wir uns die Füße vertreten können.
Völlig unvermutet kommt uns ein Städtchen mit völlig intakter Stadtmauer samt Wassergraben gerade recht. MONTAGNANA bietet uns die ideale Kulisse für einen Spaziergang.
Nun peilen wir den WoMo-Stellplatz in STIENTA an. Bis nach Ferrara ist es dann morgen nicht mehr weit.
Völlig verschwitzt genießen wir ein erfrischendes „Duschbad“ beim hiesigen Wasserhahn, bevor wir uns unserer täglichen Bildschirmarbeit widmen.
Und Kochen steht steht ja heute auch noch auf unserem Programm.
Spätabends bietet sich uns noch ein ganz besonderes Schauspiel, ein mystisches Wetterleuchten um Mitternacht- unwirklich, wunderschön und auch irgendwie bedrohlich. Man sieht deutlich wie sich die Blitze in den Wolken entladen, aber alles geht völlig lautlos vor sich- gespenstisch. Wir haben so etwas noch nie erlebt. Klaus fotografiert eifrig mit Stativ.
Obwohl im Wetterbericht angekündigt kommt das Umwetter nicht zu uns, und alles bleibt ruhig.
103 km
Mi, 25. Mai
Klaus hat am Vormittag wieder Malstunde. Er probiert heute Pastellkreiden aus. Als Motiv hat er den Bauernhof gewählt, auf dem wir vorgestern übernachtet haben. Mir gefällt sein Bild sehr gut.
Kurz nach 10h sind wir wieder auf Achse. Es hat bereits um diese Uhrzeit 29°.
Zunächst fahren wir auf einem Damm neben dem Po entlang. Auch dieser Fluss führt wenig Wasser. Die Dürre macht sich auch hier bemerkbar.
Am Fluss entlang führen auch Rad- und Spazierwege, und es gibt immer wieder Bereiche mit Griller und Picknicktischen. So etwas würden wir nicht zu sehen bekommen, wenn wir auf Autobahnen unterwegs wären.
In FERRARA überschreiten wir die Grenze nur EMILIA-ROMAGNA. Die Stadt haben wir als besonders Fahrrad-freundlich in sehr guter Erinnerung. Wir sind dennoch zu Fuß unterwegs- von unserem Gratis-Parkplatz außerhalb des Zentrums bis zum Dom.
Nicht zu übersehen ist das Castello Estense, eine viertürmige Wasserburg aus dem 14./15. Jhd. Wir kennen sie schon von einer früheren Reise. Auch den Palazzo Schifanoia mit seinen berühmten astrologischen Fresken haben wir wir bereits einmal besucht.
Heute wollen wir das Innere des Doms, der Kathedrale San Giorgio erkunden. Girolamo Savonarola - er wurde hier geboren - steht auch immer noch hier und weist uns heftig gestikulierend den Weg.
Unsere Enttäuschung ist groß, als wir feststellen müssen, dass der Dom völlig eingerüstet und überdies auch noch gesperrt ist. Er bekommt eine Generalsanierung.
Wir hatschen also unverrichteter Dinge und schwitzend wieder zum Auto zurück. So kommen wir wenigstens auf unsere täglichen 10.000 Schritte.
Die Fahrt geht weiter nach Südosten in Richtung Po-Delta.
Unseren heutigen Schlafplatz finden wir in ARGENTA. Auch hier git es einen Wasserhahn für ein Erfrischungsbad. Beim Entsorgen unserer Altstoffe trifft Klaus bei den Mistkübeln einen Einheimischen, der sich sehr für unsere Reise interessiert. Später kommt er vorbei und schenkt uns eine selbst gemachte Kürbismarmelade. Wir freuen uns sehr.
Die Abendgestaltung besteht zum Teil wieder einmal aus Nüsse knacken. Wir haben uns einen Sack voller Walnüsse gekauft.
55 km
Do, 26. Mai
Nach dem Frühstück machen wir eine Morgenwanderung im Parco regionale del Delta del Po, einem Biosphärenreservat der UNESCO.
Klaus hat sein Teleobjektiv dabei und hofft das eine oder andere Vogerl zu erwischen.
Das Podelta gehört zu den interessantesten Landschaften Europas, wo Naturoasen und menschliche Tätigkeiten im Einklang miteinander existieren.
Wir wandern durch eine Aulandschaft mit viel stehendem Wasser. Man hört Frösche quaken und Vögel singen, und wir lernen neue Pflanzen kennen, wie z.B. den sehr hübschen Bastard-Indigo- unser Pflanzen-App macht’s möglich.
Zuletzt schwingen wir uns auf unsere Klappräder und fahren zu einem Vogelbeobachtungsturm, der aber leider wegen Baufälligkeit nicht zugänglich ist. Trotzdem sehen wir Graureiher, schneeweiße Kuhreiher und sogar einige seltene Nachtreiher. Eine große Zahl an Graugänsen zieht hier ihre Jungen auf.
Wir setzten nun unsere Reise Richtung Süden fort.
Zunächst freuen wir uns auf DOZZA. Durch ein Stadttor gelangt man in die enge, malerische Altstadt. Sie ist wegen ihrer Biennale del Muro Dipinto weltberühmt, einer Veranstaltung, bei der bekannte inländische und ausländische KünstlerInnen dauerhafte Kunstwerke an den Mauern der Häuser anbringen. Einige Bilder sind wirklich sehr originell, und insgesamt bietet sich uns ein interessantes und buntes Bild.
Der Umweg hierher hat sich auf jeden Fall gelohnt.
Nach unserem Mittagssalat machen wir eine Verdauungsrunde um die mächtige mittelalterliche Rocca Sforzesca im Stadtzentrum von IMOLA.
Mit dem Namen der Stadt haben wir bisher nur Autorennen verbunden und die tragischen Unfalltod von Ayrton Senna 1994.
Heute schlafen wir wieder auf einem Bauernhof, und zwar auf einem im Familienbetrieb geführten Weingut in FAENZA.
Wir bekommen eine spontane Verkostung direkt aus den glänzenden Edelstahltanks.
Bei mir werden da Perlen vor die Säue geworfen, weil ich Wein ja ohnehin nur in homöopathischen Dosen mit viel Aqua Frizzante trinke, aber Klaus kennt sich recht gut aus. Wir kaufen eine Flasche Rotwein aus der Region.
Nun steht unser WoMo im Weingarten mit seinen winzig kleinen heurigen Beeren und wir löffeln unser Gemüsecurry.
Großer Luxus wird uns hier zuteil. Wir dürfen die Dusche benutzen.
77 km
Fr, 27. Mai
Und jetzt geht es in die TOSKANA.
Wir lieben die schirmförmigen Pinien und die Zypressen. Überall blühen die Rosen in allen Farben, und ganze Hänge strahlen gelb vom Ginster. Die Oliven blühen. Rote Kirschen und gelbe Zitronen hängen an den Bäumen. Eine wahre Pracht.
Nun kriechen wir eine Bergstraße hinauf und überschreiten den Toskanisch-Emilianischen Apennin.
An einem schönen Aussichtspunkt machen wir unsere Frühstückspause und danach eine kleine Rundwanderung. Es ist sehr heiß. Dadurch ist alles gleich viel anstrengender.
In VESPIGNANO steht die Casa Giotto. Hier wurde der Künstler 1267 geboren.
Das kleine - typisch toskanische - Steinhaus liegt malerisch mitten im hügeligen Gebiet des Mugello.
Wie wir erfahren müssen, hat es nur am Wochenende geöffnet. Wir werden morgen wiederkommen.
Dann fahren wir halt jetzt zu unserem heutigen Bauern in SAN CRESCI. Ganz so idyllisch wie zuletzt ist es hier nicht. Er züchtet sardische Schafe und Schweine. Der Hofladen biete also nichts für uns. Wir finden ein schattiges Plätzchen mit Blick auf den Wald und verbringen einen entspannten Nachmittag und Abend.
98 km
Sa, 28. Mai
In der Früh ist es wie immer angenehm kühl.
Nach dem Morgensport brechen wir kurz nach 9h auf und fahren noch einmal zur Casa Giotto.
Nach dem Frühstück marschieren wir frohgemut zum Haus, um feststellen zu müssen, dass er wieder geschlossen ist. Auf der Anzeigetafel ist von gestern auf heute „Sabato“ durchgestrichen worden. Offenbar wollen sie uns hier nicht.
Wir spazieren um das Haus herum und sind vom blühenden Garten mit seinen Bankerln in schattigen Lauben bezaubert. Ebenfalls im Freien stehen große Tafeln mit Reproduktionen der wichtigsten Werke des Künstlers, besonders aus der Scrovegni-Kapelle, die wir ja ohnehin schon im Original gesehen haben. Was wollen wir also mehr? Nachdem wir noch einige Maulbeeren von Baum genascht haben, stellen wir fest, dass sich der Ausflug hierher auf jeden Fall gelohnt hat.
Ein verstecktes Kleinod wartet jetzt noch auf uns. Ganz hier in der Nähe, in BORGO SAN LORENZO, in der alten romanischen Laurentiuskirche, gibt es ein mysteriöses Marienbild, das Giotto zugeschrieben wird. Das Tafelbild heißt „Madonna col Bambino“, der Knabe ist allerdings irgendwann einmal weggebrochen. Man sieht nur mehr Teile seiner kleinen Ärmchen. Ich benenne das Bild kurzerhand in „Madonna senza il Bambino“ um.
Klaus hat mir gestern aus seinem Kunstbuch vorgelesen. Dabei habe ich gelernt - und kann es jetzt auch gut nachvollziehen - dass Giotto als der Begründer der europäischen Malerei gilt.
Der ganze lebendige Ort gefällt uns sehr gut- toskanisch halt.
Der Haushalt ruft. Wir checken auf dem Campingplatz Mugello Verde in S. PIERO AL SIEVE - Sieve ist der Fluss- ein und waschen und trocknen unsere Wäsche.
Dann sitzen wir mit unserem Mittagssalat im Freien unter der Markise, während der Donner bedrohlich grollt. Schließlich fängt es auch noch zu regnen an. Wir sitzen hier gemütlich und bleiben trocken- direkt romantisch.
Und unsere Wäsche ist auch bereits schrankfertig.
Das Wetter erholt sich, also beschließen wir, wieder einmal ein bisschen zu wandern.
Unser Ziel ist ein kleines Kloster, Bosco ai Frati- eine Stunde hin und dann wieder zurück.
Nach dem Gewitter hat es ziemlich abgekühlt, und die Luft ist angenehm lau.
Die Klosteranlage ist ja sehr nett. Leider ist alles geschlossen. Wir studieren den Aushang sehr sorgfältig und beschließen, morgen - auf unserem Weg nach Fiesole - mit dem Auto nochmals herzukommen. Wir wollen nämlich gerne das Kruzifix von Donatello sehen.
Auf dem Rückweg fängt es wieder heftig zu regnen an. Wir haben zwar Regengewand dabei, aber wir genießen lieber die warme Dusche und finden das sehr lustig.
Bis auf die Haut durchnässt kommen wir zu Hause an. Wir legen uns trocken, und dann kochen wir uns was Gutes.
26 km
So, 29. Mai, „Mit 66 Jahren … da hat man Spaß daran (am Leben) …“
Heute bin ich ein Sonntagskind, meint Klaus.
Unsere erster Weg führt uns heute zurück zum Kloster Bosco ai Frati. Es wurde vor über 1000 Jahren gegründet und ist eines der ältesten Klöster der Toskana. Im 13. Jhd. übernahmen es die Franziskaner, verließen es aber während der Pestwelle. Nun stand es ziemlich lange leer bis es die Medici im 17. Jhd. erwarben. Ihr Wappen erkennt man über dem Eingang. Jetzt leben wieder Franziskaner hier.
Der kleine Umweg hierher hat sich wirklich ausgezahlt.
Das hölzerne Kruzifix von Donatello berührt uns sehr. Völlig nackt, ohne Lendentuch, hängt der geschundene Körper da. Man sieht auch die Striemen der Geißelung. Vom Gesichtsausdruck kann man das große Leid ablesen.
Die Darstellung des Gekreuzigten stammt aus dem 15. Jhd, also der Frührenaissance. Nichts mehr ist hier überhöht, so wie in der Gotik. Man sieht dem Menschen an, dass er gelitten hat.
Lange Zeit war das Werk verschwunden. Es tauchte erst 1953 wieder auf.
Nach der Frühstückspause auf dem hiesigen Parkplatz setzen wir unsere Reise fort.
In PRATOLINO besuchen wir den großzügigen Park, den Francesco I Medici im 16. Jhd. erwarb und in einen gigantischen Lustpark mit Wasserspielen, Grotten und Schlösschen ausbaute. Hier in der Abgeschiedenheit erfreute er sich an seiner Mätresse und späteren Ehefrau Bianca Capello.
Übrigens flaniert das Renaissancpaar noch heute durch den Park- oder waren die doch nur verkleidet?
Nach den Tod des Herzogs verfiel die ganze Pracht völlig. Fast alle Statuen sind verschwunden, geraubt oder verloren. Auch das Schlösschen existiert nicht mehr.
Am Ende des 19. Jhd. kaufte der russische Prinz Demidoff die Reste und erbaute im Park ein neues Landhaus.
Heute kann man noch zwei Grotten mit künstlichen Tropfsteinen sehen und die gigantische Statue des Apennin des flämischen Künstlers Giambologna. Der sogenannte „Gigante“ ist so riesig, dass man ihn innen besteigen und durch seine Augen hinausblicken konnte. Er ist aber schon seit einiger Zeit nicht mehr zugänglich.
Eindrucksvoll kauert der Riese am Ufer eines Seerosenteichs.
Wir - und viele andere Sonntagsausflügler - machen einen ausgedehnten Spaziergang.
Dann wartet heute nur mehr der Campingplatz von FIESOLE auf uns. Die Stadt grenzt an FLORENZ. Von hier aus kann man mit dem öffentlichen Bus in die Stadt der Medici fahren. Das wollen wir morgen machen.
Für heute bleibt uns als Verheißung ein wunderbarer Blick. Man kann die Kathedrale mit der Kuppel von Brunelleschi und den Campanile von Giotto deutlich erkennen.
Am Abend wird es recht kühl, und wir kramen unsere Socken und Jacken hervor.
Übrigens selbst der abendlicher Gang zu den Toilettenanlagen bietet Romantik. Das Lichtermeer der Stadt Florenz liegt uns zu Füßen.
38 km
Mo, 30. Mai
In der Nacht war das warme Schlafgewand gefragt, und in der Früh wird uns nicht recht warm.
Nach dem Frühstück marschieren wir frohgemut zum Bus nach FLORENZ, um feststellen zu müssen, dass die Busfahrer streiken.
Mit unseren kleinen Klapprädern wäre die Fahrt zu weit und zu anstrengend. Eine Strecke ist zwar nur 7 km lang, aber es sind jeweils 340 Höhenmeter zu überwinden.
Wir denken wieder einmal über Klapp-E-Bikes nach und fahren mit dem WoMo.
Auf einem Parkplatz außerhalb des Stadtzentrums stellen wir es ab und und klappen unsere Bromptons auf.
Das Radeln empfinde ich als recht anstrengend. Es ist wieder sehr heiß geworden, Die gepflasterten Straßen weisen große Löcher und Spalten auf, und ein nicht enden wollender Tourismusstrom wälzt sich träge durchs Zentrum. Es ist gar nicht so einfach, sich da durchzuschlängeln.
Als erstes schauen wir uns im Bio-Supermarkt NaturaSì um. Solche Märkte gibt es also erfreulicherweise auch in Italien.
Als wir über die Piazza del Duomo radeln, sind wir von Herzen dankbar, dass wir schon mehrmals drinnen waren und uns nicht in die endlose Warteschlange einreihen müssen.
Der Eindruck des Doms und des Campanile sind zweifellos gewaltig- Klaus spricht von einem „Berg aus Marmor“. Er wird allerdings durch Hitze und Menschenmassen etwas geschmälert.
Da wir die Stadt nicht das erste Mal besuchen, haben wir vor, uns heuer auf die Dinge zu konzentrieren, die wir noch nicht kennen, z.B. den Palazzo Medici Riccardi. Ursprünglich wurde er im 15. Jhd. für Cosimo de’ Medici erbaut und im 17. Jhd. an den Marchese Riccardi verkauft.
Wir sind wegen der Kapelle hergekommen, dem prächtigsten Raum des ganzen Palasts, der nicht nur zur Andacht verwendet wurde, sondern auch zum Empfang hochrangiger Gäste.
Die farbenfrohen Fresken mit der Darstellung des Zuges der Heiligen drei Könige (ital. Magi) wurden 1459 von Benozzo Gozzoli und seiner Werkstatt ausgeführt. In diesem fröhlichen, figurenreichen „Wimmelbild“, in dem man immer wieder neue Details entdeckt, wurden Mitglieder der Medici-Familie und zahlreiche ihrer Parteigänger sowie der Künstler selbst porträtiert. Sie alle sind nach der Mode der Entstehungszeit des Gemäldes gekleidet. Der Zug führt zum Altarbild hin, der Anbetung Christi von Fra Filippo Lippi. Die Darstellung nimmt auf die Prozessionen Bezug, die von der Laienbruderschaft „Compagna dei Magi“ regelmäßig durchgeführt wurden. Diese prächtigen Umzüge wurden von den Medici finanziert.
Wir finden das Bild richtig süß. Man hat den Eindruck, als hätte sich der Künstler voll ausgetobt.
Dann wandern wir noch durch die anderen Räume mit Möbeln, Wandteppichen und Portraits. Das finden wir viel weniger interessant.
Weil wir schon mal hier sind schauen wir uns noch die Sonderausstellung über den Maler Oscar Ghiglia (1876-1945) an- „Gli Anni di Novecento“. Einige der Bilder gefallen uns recht gut.
Jetzt widmen wir uns unserem leiblichen Wohl. Diesmal sind wir gut vorbereitet und finden das Stammlokal unserer ersten gemeinsamen Florenz-Reise 2010 auf Anhieb wieder. 2015 waren wir ja auf einen kurzen Abstecher in der Stadt und suchten es erfolglos. Mittlerweile wissen wir, dass es nicht - wie in unserer Erinnerung - „Hase und Igel“ heißt, sondern „Del Gatto e la Volpe“ = Vom Kater und dem Fuchs. Die beiden „bösen Tiere“ kommen in der Pinocchio-Geschichte vor.
Wir speisen hervorragend und sind nun frisch gestärkt, um noch kurz dem David von Michelangelo auf der - von Skulpturen nur so wimmelnden - Piazza della Signoria einen Besuch abzustatten. Orsanmichele liegt auch auf unserem Weg. Ursprünglich war hier der Gemüsegarten (Orto) des Klosters San Michele, ehe das Kirchengebäude aus den Epochen der Romanik und Gotik entstand. Heute ist darin ein Museum untergebracht.
Wir wollen nur einige der Figuren an den Außenseiten wiedersehen, z.B.: den Hl. Georg von Donatello, die Vier Gekrönten Heiligen von Nanno di Banco und Johannes den Täufer von Lorenzo Ghiberti.
Von ihm stammt übrigens auch die bronzene Paradiespforte des Baptisteriums San Giovanni, dem wir auf dem Rückweg zu unserem Auto noch einen kurzen Blick schenken.
Auch an der hübschen Kirche Santa Croce kommen wir vorbei und grüßen den etwas säuerlich blickenden Dante, der davor steht. Die Giotto-Fresken im Inneren kennen wir ja schon.
Zu Hause auf unserem beschaulichen Campingplatz besorgt mir Klaus noch eine improvisierte Geburtstagstorte. Er bringt vom Campingshop- als Überraschung - ein Stück Zitronenkuchen, hübsch auf einem Teller angerichtet mit einer Kugel Eis.
Und jetzt öffnen wir den Prosecco, den wir in der Prosecco-Region Venetien für diesen Anlass gekauft haben.
Die kulinarischen Feierlichkeiten finden nämlich erst heute statt, weil ich gestern einen Fasttag hatte.
Da passt’s ja gut, dass sich Thomas auch erst heute gemeldet hat- aber dafür ganz besonders süß.
14 km
Di, 31. Mai
Die Busfahrer haben ihren Streik beendet, und wir können heute für unsere Fahrt nach Florenz den Bus nehmen. Bei der Basilika Santa Maria Novella steigen wir aus.
Da wir uns als einzigen Programmpunkt für heute den Palazzo Pitti vorgenommen haben, sind wir erst um 11h losgefahren.
Unsere reservierten Tickets sind für 13h ausgestellt. Wir haben also genug Zeit, um gemütlich durch die Stadt zu spazieren, vorbei am Palazzo Strozzi mit seiner Rustica-Fassade. Er steht in der Via de’ Tornabuone, wo sich ein Haute-Couture-Laden an den nächsten reiht- eine hochpreisige Gegend offenbar.
An die Fresken von Lorenzo Ghiberti in der romanisch-frühgotischen Chiesa di Santa Trinita können wir uns noch erinnern. Sie zeigen sehr lebendig Szenen aus dem Leben des Hl. Franziskus. Besonders plastisch ist das Wunder der Totenerweckung eines Knaben dargestellt, der im selben Bild sowohl aus dem Fenster stürzt, als auch - wieder lebendig - auf der Totenbahre sitzt.
Die „Anbetung der Hirten“ von Domenico Ghirlandaio zeigt nicht nur die Hirten, sondern aus der Ferne nähern sich auch bereits die Hl. drei Könige mit ihrem Gefolge. Sehr originell finden wir, dass Ochs uns Esel einen halb zerbrochenen römischen Sarkophag als Futtertrog verwenden. Das soll wohl den Siegs des Christentums über das Heidentum symbolisieren.
Den Arno überqueren wir über den Ponte Vecchio.
Ursprünglich waren auf der Brücke hauptsächlich Schlachter und Gerber ansässig. Die Schlachter warfen ihre stinkenden Abfälle in den Arno, die Gerber wuschen ihre Stoffe, die zuvor mit Pferdeurin gegerbt wurden. 1565 wurden diese jedoch per Dekret von Cosimo I. de’ Medici durch Goldschmiede ersetzt, da diese keinen Abfall produzieren. Noch heute befinden sich zahlreiche Juweliere in den kleinen Läden auf der Brücke.
Ich finde, dass es deutlich angenehmer ist, sich zu Fuß durch die Stadt zu bewegen, als mit dem Fahrrad. Man schwimmt einfach mit dem Touristenstrom mit.
Der Palazzo Pitti wurde von Filippo Brunelleschi ursprünglich für den Bankier Luca Pitti erbaut. Der wurde aber der Teilnahme an der gescheiterten Pazzi-Verschwörung zur Ermordung der Oberhäupter der herrschen Medici-Familie überführt.
So wurde der Palazzo schließlich nach einigen Umbauten der Hauptwohnsitz der Medici als Großherzöge der Toskana.
Die Galleria Palatina, die Gemäldesammlung der Medici mit ihren Renaissance-Gemälden biete einige Werke, die mir recht gut gefallen, aber wirklich vom Hocker reißt mich nichts.
Die Bilder sind sehr eng nebeneinander und übereinander aufgehängt. Das ist ja fast wie eine Tapete. Diese Fülle trägt nicht zur Aufrechterhaltung der Aufmerksamkeit bei.
Berührt hat mich die Malerin Artemisia Gentileschi, schon allein wegen ihrer Lebensgeschichte. Außerdem ist sie einzige weibliche Künstlerin, die in ihrer Zeit Beachtung fand. Ihre „Judith“ mit dem Holofernes-Kopf im Körberl könnte ein Teil der Verarbeitung des Traumas ihrer Vergewaltigung gewesen sein.
In der Sammlung Moderner Kunst sticht wieder eine Frau hervor: Élisabeth Chaplin (1890-1982).
Den Boboli-Garten kennen wir schon von einem früheren Besuch. Wir begnügen uns diesmal mit einem Blick aus den Fenstern des Palasts.
Nun machen wir uns langsam wieder auf den Weg zum Autobus.
Wir haben es nicht eilig und schlendern gemütlich durch die Straßen, in denen übrigens auch - wie in Wien - Pferdekutschen unterwegs sind.
Immer wieder fallen uns Verkehrszeichen auf, die mit speziellen Aufklebern sehr originell verziert sind. Aus dem Schild „Vorgeschriebene Fahrtrichtung“, also weißer Pfeil auf blauem Grund, wird ein Engel mit Heiligenschein, aus einem Fußgänger-Zeichen ein Torero. Ein Männchen trägt den weißen Balken des „Einfahrt-Verboten“-Schilds weg. Ein anders sägt ihn durch. Wir finden die Idee, aus Alltäglichem etwas Besonderes zu machen sehr witzig. Abraham Clet heißt dieser Street-Art-Künstler. Was er macht ist illegal aber mittlerweile Kult.
Der Bus nach FIESOLE kommt bald, aber auf das Shuttle zu unserem Campingplatz müssten wir eine halbe Stunde lang warten.
Da gehen wir lieber zu Fuß, so steil bergauf der Weg auch führt. Training und Bewegung sind uns ja ohnehin wichtig.
Mi, 1. Juni
Wir checken am Campingplatz aus.
Heute geht’s ein letztes Mal nach FLORENZ.
Erfreulicherweise finden wir einen Parkplatz ganz in der Nähe von Santa Maria Novella. Gestern sind wir nur hinten vorbeigeschlichen, also schauen wir uns die gotische Kirche heute von vorne an. Die aufgehängte Fassade in grün-weiß - Serpentin und Marmor - von Leon Battista Alberti gefällt uns besonders gut.
Wir geben vor, nur zum Beten hineingehen zu wollen, um uns das Eintrittsgeld zu sparen. Wir werden zwar als Touristen enttarnt, können aber - bevor man uns hinauskomplimentiert - einige Blicke ins Innere machen. Das Kruzifix von Giotto fällt uns auf und das Fresko „Die Heilige Dreifaltigkeit“ von Tommaso Masaccio. Dieses Bild löste bei seiner Enthüllung eine wahre Sensation aus. Die Betrachter glaubten eine Raumöffnung mit Tonnengewölbe zu sehen und wähnten ein Loch in der Wand. Dabei hatte der Künstler nur die Zentralperspektive benutzt. Damals im 15. Jhd. war so eine Tiefenwirkung in einem flachen Gemälde überhaupt noch nicht bekannt.
Bis zu unserem Termin bei den Medici-Gräbern haben wir noch Zeit.
Wir nutzen sie, um die Bronzetüren von Andrea Pisano und Lorenzo Ghiberti am achteckigen Baptisterium einer näheren Betrachtung zu unterziehen. Die kennen wir zwar schon, aber wir entdecken viele nette Einzelheiten.
Dann schauen wir noch zu den Figuren auf Giottos Campanile empor, die wir ja schon einmal ausführlich im Museum besichtigt haben.
Die Mittagspause verbringen wir in einem kleinen, unscheinbaren Restaurant in einer Nebengasse, wohin sich üblicherweise kein Tourist verirrt. Alles schmeckt köstlich.
Nun machen wir uns auf den Weg zur Basilica di San Lorenzo, der ersten echten Renaissance-Kirche.
Der Dom war ja ursprünglich gotisch und wurde später mit viel Marmor behübscht - „Zuckerguss“, nennt es Klaus - und von der Kuppel gekrönt.
San Lorenzo hingegen hat eine unverblendete Fassade. Es existiert zwar ein Holzmodell von Michelangelo, aber die Ausführung hat bis jetzt noch niemand finanziert.
Das Innere der Kirche ist kalt und luftig. Brunelleschi bevorzugte hier strenge, klare geometrische Formen, um die Linearperspektive zu betonen.
Die Capelle Medicee, die Grabkapellen der Medici, wurden an die Kirche angebaut.
Die sogenannten Neuen Sakristei wird durch das Raumkonzept und durch die Figuren Michelangelos zu einem der wichtigsten Räume der italienischen Hochrenaissance.
Lorenzo di Piero de’ Medici, ein Enkel von Lorenzo il Magnifico, und Giuliano di Lorenzo de’ Medici, einer der Söhne des Prächtigen, liegen hier begraben. Auch in der Alten Sakristei und in der prächtigen Fürstenkapelle sind Familienmitglieder begraben.
Bald darauf sitzen wir wieder im Auto und verabschieden uns von FLORENZ.
Wir fahren den Arno entlang, der in einem naturbelassenen Zustand ist- mit vielen Inselchen und Schotterbänken.
Ein Stückchen weiter im Osten finden wir in PONTASSIEVE unseren heutigen Stellplatz.
Hier kann man gratis Wasser zapfen, aber nicht nur stilles. Aus dem anderen Hahn kommt Acqua Frizzante. Wir bedienen uns freudig. Ein Einheimischer, der seine Deutschkenntnisse an uns ausprobiert, hat uns darauf aufmerksam gemacht.
Ein netter Abendspaziergang entlang des Arno führt uns zu einer Ziegelsteinbrücke aus 1555- dort wo die Sieve in den Arno mündet. Die Stadt ist wohl nach dieser Brücke benannt. Die Romantik wird etwas durch den Umstand gestört, dass uns die Gelsen auffressen.
Gleich neben unserem Stellplatz findet eine Art Stadtfest statt. Viele verschieden Fressstandeln gruppieren sich um Jausentische, an denen fröhliche Menschen sitzen. Ein Spielplatz für Kinder ist auch dabei.
Ein Dixi-Klo wurde dafür aufgestellt, das natürlich auch wir benützen können.
34 km
Do, 2. Juni
Wir hoffen heute auf einen gemütlichen Tag ohne Programm und Action.
Nach dem täglichen Morgensport machen wir uns auf den Weg.
Ein Großeinkauf steht wieder an. Bei zwei Supermärkten stehen wir ratlos vor verschlossenen Türen. ich befrage das Internet und stelle fest, dass am 2. Juni die Festa della Repubblica gefeiert wird.
Wir werden bis morgen nicht verhungern, zumal wir an einem Obstandl neben der Straße vorbei kommen. Das ist ja ohnehin viel besser als ein Supermarkt.
Unsere heutige Route führt uns über eine schmale aber gut befahrbare Straße bergauf in eine ländliche Mittelgebirgswelt. Der Ginster färbt die Hänge gelb.
Vom 1050m hohen Passo della Consuma hat man einen weiten Blick ins Casentino, dem Tal des Arno-Oberlaufs, wo das Wasser noch glasklar ist. Der Fluss macht südlich eine große Schleife um den Pratomagno (wörtlich: große Wiese), sodass er hier vor und hinter uns vorbeifließt.
Heute, am Feiertag, ist hier oben viel los. Auch zahlreiche Radfahrer haben sich herauf gequält.
In STIA peilen wir den offiziellen WoMo-Stellplatz an, der alles bietet, was wir brauchen.
Hier erleben wir eine böse Überraschung: Im doppelten Boden unserer „Garage“ steht das Wasser. Wir stellen allerlei Vermutungen an, was der Grund dafür sein könnte. Die sichere Ursache finden wir leider nicht. Also verbringen wir unseren „gemütlichen“ Ruhetag mit Trockenlegen. Immerhin entdecken wir die Stelle, wo das Wasser raussickert. Wo es herkommt, können wir nicht feststellen. Wir müssen das weiter beobachten.
Ablenkung ist gefragt. Also machen wir einen Spaziergang hinunter zum Arno, der uns und vielen Einheimischen ein erfrischendes Bad beschert.
41 km
Fr, 3. Juni
Heute stehen wir schon um 6h45 auf. Wir sind einfach schon ausgeschlafen.
Herrlich kühl ist es am frühen Morgen. Da fällt auch da Sporteln leichter.
Dieser Platz hier ist wirklich toll. Was der gratis alles geboten hat, sogar Bademöglichkeit.
Bei der Weiterfahrt versuchen wir es wieder mit Einkaufen, diesmal klappt’s.
Jetzt freuen wir uns auf eine alte Kirche außerhalb von PRATOVECCHIO, die Pieve di San Pietro a Romena, ein wahres Kleinod aus der Mitte des 12. Jhd. „Romena“ geht auf einen etruskischen Vornamen zurück. An dieser Stelle gab es nämlich bereits im 4. Jhd. ein etruskisches Heiligtum. Davon muss ich Gabi erzählen.
Der schlichte Bau mit seiner eigentümlichen Arkadenapsis beeindruckt uns sehr. Der Turm scheint etwas zu kurz geraten zu sein. Wir erfahren, dass das einem Erdbebens im 17. Jhd. geschuldet ist. Der Innenraum wirkt ganz stimmig. Der offene hölzerne Dachstuhl ist bemalt. Die naiv verzierten Kapitelle zeigen neben Tier- und Pflanzenmotiven auch die Petrusgeschichte. Die Schwalben fliegen ein und aus.
In der Krypta kann man noch die langobardischen Fundamente des Vorgängerbaus aus dem 8. Jhd. sehen.
Das ist eine Kirche nach meinem Geschmack, uralt und ganz einfach.
Die modernen Elemente im Altarraum passen sehr gut zum Gesamtbild. Sie stammen von einem offenbar sehr kreativen Künstler, der historische Materialien wie geschmiedete Nägel, Beschläge, alte Türen, usw. verwendet hat.
Der Garten und die Wiese mit dem duftenden Lavendelfeld sind liebevoll gepflegt und laden zu Besinnung und Meditation ein.
Der Blick schweift über die eine typisch toskanische Landschaft, wie aus dem Bilderbuch.
Ein wunderbarer Platz mit einer ganz besonderen Aura. Ein „heiliger Ort“ im besten Sinn des Wortes. Wir sind begeistert.
1991 wurde hier die Bruderschaft von Romena gegründet. Sie betreut die Anlage und hat das Kultur- und Begegnungszentrum mit einem hübschen Café und einem kleinen Laden geschaffen.
Wir wandern nun zum Castello di Romena aus dem 11. Jhd. hinauf. Der Weg ist wunderschön, aber die Burg selbst ist uninteressant. Glaubt man der Chronik, hielt sich Dante Alighieri nach seiner Verbannung aus Florenz (1302) einige Zeit hier auf und schrieb an der „Göttlichen Komödie“.
Wir fahren weiter nach POPPI
Die Burg der Grafen Guidi, die einst das gesamte Casentino beherrschten, ist weithin sichtbar. Das Dorf selbst - hoch oben auf dem Berg - hat einen etwas morbiden Charme. „Dekorativ heruntergekommen“, würde Gabi es nennen. Wir spazieren durch die kühlen Säulenarkaden und nehmen dann den Abstieg über eine mittelalterliche Straße, deren Pflaster offenbar wirklich noch aus dieser Zeit stammt- ein wahrer Haxenbrecher. Wir passen höllisch auf. Ein Maulbeerbaum schenkt uns zur Stärkung einige reife, süße Früchte.
In CAMALDOLI, im Schatten an einem Bächlein, halten wir gemütlich Mittagsrast und schauem und dann die alte Apotheke aus dem 15./16. Jhd. mit ihren kunstvoll geschnitzten Regalen und der „Hexenküche“ an, in der einst Salben gerührt und Pillen gedreht wurden.
Die Kamaldulenser-Möche verkaufen hier selbstgemachte Köstlichkeiten: Likör, Marmelade, Kräutermischungen, usw.
Knapp 6 km oberhalb liegt ganz einsam, inmitten eines jahrhundertealten Buchenwaldes die Erema di Camaldoli, die Einsiedelei. Hinter einer Mauer liegen 20 identische Häuschen, jedes mit eigenem kleinen Garten.
Und nun freuen wir uns auf unseren heutigen Schlafplatz, einen Bauernhof mit Privatbrauerei in BIBBIENA.
Zu unserer Überraschung ist das hier ein hübscher kleiner Campingplatz. Auf dem auch zahlende Gäste wohnen. Wir zahlen ein paar Euro und leisten uns Dusche und Strom.
Es gibt auch ein einfaches Restaurant. Klaus freut sich auf die Bierverkostung.
Unser Garagenproblem ist zwar nicht wirklich gelöst, aber wir haben es so weit im Griff, dass wir immer wieder ein bisschen trocken wischen müssen. Nach der Reise soll sich dann unser WoMo-Mechaniker darum kümmern.
55 km
Sa, 4. Juni
In einer Höhle in CHIUSI DELLA VERNA erhielt der Hl. Franziskus (1181/82 bis 1226) der Legende nach seine Wundmale. Ein Kloster wurde über dieser Höhle errichtet- in den Felsen hineingebaut.
Die Historizität dieser Stigmatisierung ist - nicht verwunderlich - umstritten. Wir steigen mit anderen Pilgern in die Höhle hinab und besuchen die Klosterkapelle, dessen Altarbild ein Terrakottarelief von Andrea della Robbia - die Geburt Christi - schmückt. Hier führt eine ältere Klosterschwester ein strenges Regiment, das zwischen frommen Pilgern und „heidnischen“ Touristen klar unterscheidet.
Wir gehören eindeutig zur zweiten Sorte, denn wir finden, dass sich die besondere Ausstrahlung, die dieser Ort sicherlich einmal gehabt hat - so wie übrigens auch damals in Assisi - durch die kommerzielle Nutzung und den Touristenstrom völlig verflüchtigt hat. Wir tun das jetzt auch, nicht ohne zuvor einen Blick in die Schlucht geworfen zu haben, in die der Teufel den Heiligen stoßen wollte, wenn er ihn nicht anbetet. Aber Franziskus hat der leidenschaftlichen Versuchung widerstanden. Die Aussicht ist jedenfalls atemberaubend.
Dem Wandelgang mit dem Freskenzyklus über Franz’ Leben sind wir schon vorher entkommen. „Kein Wunder“, meint Klaus, dass der Künstler anonym bleiben wollte.“
Kaum hat man sich ein wenig vom Trubel entfernt, kann man in der Natur wieder durchatmen und ein wenig vom verlorenen Genius loci wiederfinden.
Wir fahren weiter durch die traumhafte Mittelgebirgslandschaft der Toskana nach CAPRESE MCHELANGELO, wo das Geburtshaus des großen Meisters (1475-1564) steht.
Michelangelos Vater amtierte damals hier für einige Zeit als Stadtvogt, und die Familie bewohnte einen Gutshof, in den man durch ein steinernes Tor mit großer Glocke gelangt. Heute ist das Ganze ein Museum, in dem man vor allem Abgüsse der berühmtesten Skulpturen des Künstlers bewundern kann.
In einem Teil des stimmungsvollen Arials werden gerade Vorbereitungen für eine Hochzeit im Freien getroffen- durchaus ein romantischer Ort.
Wir haben das Arnotal verlassen und folgen jetzt dem Tiber nach SANSEPOLCRO, dem Geburts- und langjährigen Wohnort von Piero della Francesca (um 1416 bis 1492), einem Maler der Frührenaissance. Im Museo Civile in der Altstadt sind drei Fresken und ein Altarbild des Meisters ausgestellt. Am beeindruckendsten ist die „Auferstehung“ mit ihren frischen Farben und der realistischen Landschaftsdarstellung im Hintergrund. Er hat es als einer der Esten geschafft, sich vom starren Goldhintergrund der Gotik zu lösen. Piero selbst hat sich als Selbstportrait selbst unter die am Grab schlafenden Soldaten gemischt.
Wir erinnern uns daran, dass wir 2005 mit großer Begeisterung sein Hauptwerk, den Freskenzyklus in der Kirche San Francesco in Arezzo gesehen haben.
Im Dom, der mich gar nicht aus den Socken reißt, sind reizende Mädels unterwegs - Schülerinnen des nahen Lyzeums - die den Touristen auf italienisch und englisch die einzelnen Gemälde erklären. Es handelt sich offenbar um ein Schulprojekt. Wir machen zwei von ihnen die Freude und hören ihren eifrigen Erklärungen mit Geduld zu.
Auf dem riesigen Stellplatz haben wir einen Platz im Schatten gefunden und widmen uns unserer allabendlichen Bildschirmarbeit.
Die Hitze setzt uns zu. Um 21h hat es immer noch 30°. Weil man hier Wasser nachfüllen kann, benutzen wir nach langer Zeit wieder einmal unsere Dusche im WoMo- nur ganz kurz und natürlich kalt. Es ist herrlich erfrischend, und wir haben gar nicht so viel Wasser verbraucht, wie befürchtet.
70 km
So, 5. Juni, Pfingstsonntag
Wir verlassen die Toskana. Keine Angst, nicht für lange. CITTÀ DI CASTELLO liegt nämlich in UMBRIEN.
Nach unserem gemütlichen Frühstück neben einem Park machen wir einen Spaziergang durch die Altstadt, die teilweise durch eine mittelalterliche Stadtmauer umgeben ist.
Die Stadt macht einen netten Eindruck und wir flanieren ein wenig durch die Laubengänge. Sie ist kein Touristen-Highlight, daher ist sie sonntäglich ausgestorben.
Auf einem Gebäude sind zwei Uhren angebracht. Die eine zeigt die Stunde an, die andere die Minuten. Wenn man wissen will, wie spät es ist, muss man hin und her schauen.
In der großen einfachen Steinkirche San Francesco hängt das Bild „Die Vermählung Mariä“ von Raffael, das er „nel primo fiore del suo giovinezza“ = „in der ersten Blüte seiner Jugend“ gemalt hat. Wir müssen allerdings feststellen, dass das Werk zwar für diese Kirche geschaffen worden war, aber mittlerweile durch eine Kopie ersetzt wurde. Das Original wollen wir uns in Mailand anschauen. Das wichtigste an diesem Bild war dem Künstler offenbar das Spiel mit der Zentralperspektive.
Der Dom spricht uns nicht sehr an, aber sein runder Campanile ist interessant und sehr ungewöhnlich.
Wir können der Hitze einfach nicht entfliehen, und was machen wir? Wir fahren weiter in den Süden. Wir wollen halt nach Rom zur Hochzeit von Christian und Giulia.
Nach ca. einer halben Stunde kommen wir wieder in die TOSKANA zurück.
Die Opuntien = Ohrwaschelkaktus blühen. Auch daran erkennt man unsere südliche Ausrichtung.
CORTONA, die Stadt auf dem Berg taucht vor uns auch.
Unser schlaues App „Park4Night“ empfiehlt uns auch hier einen Gratis-Stellplatz „mit alles“.
Wir sind müde und erschöpft. Nachdem wir im Reiseführer geblättert haben, beschließen wir, dass es nicht der Mühe wert ist, hinauf zu wandern. Zumal wir ohnehin schon einmal da waren. Da strecken wir lieber unsere müden Glieder aus und kochen uns was Nettes.
78 km
Mo, 6. Juni
Heute wollen wir nur nach STIGLIONE DEL LAGO zu unserem nächsten Campingplatz am Nordufer des Trasimenischen Sees fahren und dort für zwei Tage bleiben.
Ein bisschen „Urlaub machen“.
Unser erster Blick auf den See bedeutet zugleich den Abschied von der TOSKANA.
Diesmal wird es länger dauern, ehe wir zurückkehren. Das wird erst bei der Rückreise von Rom sein.
In UMBRIEN ist es aber auch schön. Die Rhododendren blühen farbenprächtig in den Vorgärten, und links und rechts der Straße liegen Olivenhaine.
Bei Camping La Spiaggia checken wir ein. Unser Schmutzwäschesack ist nämlich schon wieder voll.
In der Rezeption erfahren wir, dass das Wäsche waschen heute nicht geht, weil sie keine Jetons für die Maschinen haben. Die Dame versteht deutsch, und als wir untereinander beraten, es auf einem anderen Platz versuchen zu wollen, kramt sie plötzlich doch ein paar Münzen hervor- ziemlich seltsam.
Jedenfalls sind die Maschinen in Ordnung und bescheren uns schrankfertige Wäsche.
Der Platz ist sauber, gut ausgestattet und bietet Zugang zum See. Auch das WLAN funktioniert gut.
Die Technik macht mir aber leider einen Strich durch meine Ausspann-Ambitionen. Unsere Homepage spinnt. Teile meines Reiseblogs sind ganz verschwunden, andere haben sich übereinander verschoben.
Es dauert Stunden, bis alles wieder so ist, wie es sein soll, und ohne Klaus’ Hilfe hätte ich es wohl überhaupt nicht geschafft.
Der laue Abend beschert uns das Feeling eines "Sommerurlaubs am Meer“. Wir machen eine Spaziergang am Strand entlang, und die Lichter des nahen Städtchens auf der Halbinsel glitzern und spiegeln sich im Wasser.
Wie schön, dass wir morgen auch noch hier bleiben.
Di, 7. Juni
Heute haben wir wirklich frei, und verbringen einen wunderbar „faulen Tag“ auf dem Campingplatz. Natürlich finden sich bald einige Dinge zum Putzen, umräumen oder Reparieren. Und natürlich zieht Klaus mit seinem Fotoapparat los und kommt mit einigen wunderschönen Aufnahmen zurück.
Am Abend machen wir einen Spaziergang ins Dorf, in die Pizzeria. Der Weg führt am See entlang. Wir genießen das Essen und den Abend sehr- mit einem köstlichen Zitronensorbet als (veganes) Sahnehäubchen oben drauf.
Mi, 8. Juni
Klaus hat am Vormittag wieder Malstunde. Sein Vorbild ist heute Piero della Francesca.
Und ich schwinge die Hanteln, wie jeden Morgen.
Kurz nach Mittag checken wir aus. Wir gehen nochmals zum See hinunter, um uns zu verabschieden. Hier - im schattigen Olivenhain - hat’s uns wirklich gut gefallen.
Bis zu unserem heutigen Bauern in COLLE UMBERTO - kurz vor Perugia - ist es nicht sehr weit. Ein schmuckes Bio-Weingut nimmt uns auf. Wir bekommen eine stilvolle Verkostung und die eine oder andere Flasche wandert in unsere Garage.
Hier gib es auch eine „glückliche“ Schweinefamilie, mit genug Platz und Auslauf. Die süßen rabenschwarzen Nutschis mit weißer Halskrausen-Zeichnung sind erst ein paar Tage alt.
Am Abend verlassen nach und nach alle Angestellten das Weingut und fahren nach Hause. Hier wohnt offenbar niemand. Wir bleiben also mit den Schweinchen ganz alleine zurück.
26 km
Do, 9. Juli
In der Nacht hat es geregnet und etwas abgekühlt. Jetzt sind die Temperaturen sehr angenehm.
Die Morgenstunden verbringen wir noch hier. Klaus Arbeit weiter an seinem Bild à la Piero della Francesca. Er hat sich ja in Florenz Pastellkreiden gekauft.
Unser GPS entscheidet sich bei der Weiterfahrt für eine Wegstrecke, die durch PERUGIA, die Hauptstadt Umbriens, führt. Es hat sich für diese Sitzbesichtigung eindeutig nicht die schönsten Teile der Stadt ausgesucht. Es schickt uns nämlich auf verschlungenen Pfaden kreuz und quer durch die hässlichen Suburbs.
2005 waren wir hier und haben damals lange nach dem Dom und dem Brunnen von Nicola und Giovanni Pisano gesucht. Diesmal steigen wir gar nicht aus.
Wir halten momentan ausschließlich nach einem ansprechenden Frühstücksplatz Ausschau. Endlich haben wir ihn gefunden: „Wo wir uns finden, wohl unter (blühenden) Linden zur Frühstückszeit“. Einigen Blüten nehmen wir mit, für Tee.
Bei der Weiterfahrt genießen wir wieder einmal die Landschaft- durchaus toskanisch, hier in Umbrien.
In der Ferne erahnen wir ASSISI. Diese zweifellos schöne Stadt hat uns 2005 „von den letzten Resten unserer klerikalen Romantik befreit“ (Zit. Klaus). Wir weichen diesmal möglichst großräumig aus.
BETTONA gefällt uns besonders gut. Für die mittelalterliche Stadtmauer wurden Teile der etruskischen Vorgänger-Befestigung verwendet. Besonders erwähnenswert ist der Fußgängeraufgang - die Porta San Crispolto - die durch uralte Gewölbe in die reizende Altstadt führt.
Auf der Piazza Cavour stehen gleich mehrere Rathäuser aus dem 14. Jhd., der Palazzo del Podestà, der heute als Museum dient und der Palazzo Communale, der immer noch als Amtshaus in Betrieb ist. Auch mehrere Kirchen stehen hier. Als besonders makaber empfinden wir die Chiesa della Buona Morte, die offenbar als Aufbahrungshalle dient. Ein offener Sarg steht hier, mit Polster. Da werden - so wie es scheint - wirklich die Toten hineingelegt. Dahinter steht eine Madonna Adollorata aus dem 17. Jhd., gewandet in ein schwarzes, besticktes Brokatkleid. In diesem Halbdunkel komme ich mir vor wie im Wachsfigurenkabinett.
Am interessantesten ist das Oratorio San Andrea mit einem „giottoartigen“ Fresko - es stammt aus seiner Schule - von 1394, das die Passion Christi darstellt.
Bettona werden wir auch als Stadt der Häkelblümchen in Erinnerung behalten. Wir wissen nicht, was es damit für eine Bewandtnis hat. An jedem Haus, an jedem Geländer und an jedem Stiegenaufgang sind gehäkelte Verzierungen angebracht. Vielleicht ist der hiesige Handarbeits-Club einfach sehr aktiv.
Unsere weitere Fahrt führt wieder einmal durch Olivenhainen. Das passt gut, denn unser heutiges Nachtquartier haben wir bei einem Olivenbauern in CAPITAN LORETO gebucht.
Olimpia, die Altbäuerin empfängt uns sehr freundlich und in wortreichem Italienisch. Eine andere Sprache spricht sie nicht. Aber ich verstehe sie erstaunlich gut.
Durch den aufkommenden Regen lassen wir uns die Laune nicht verderben. Im Gegenteil, wir sind dankbar für die Abkühlung.
Wir ziehen Socken und eine lange Hose an und und kochen Nudeln all’arabiata. Das passt gut zur Gegend. Dazu gibt es den gestern erworbenen Roséwein. Gut geht’s uns.
58 km
Fr, 10. Juni
Wir freuen uns heute besonders auf SPELLO.
Die Temperaturen sind angenehm kühl, und es weht ein Lüftchen.
Auch dieses Städtchen liegt weit oben auf dem Berg. Erstaunlicherweise kann man mit dem Auto bis unmittelbar vor das Stadttor rauffahren.
Die Altstadt ist ganz besonders hübsch. Jedes der alten Häuser ist üppig mit Blumen geschmückt, und es gibt viele malerische Gässchen und Winkel. Alles ist so schmuck und sauber.
Fast kommen wir uns in einer Filmkulisse vor. Die vielen kleinen Autos - meist Puch 500 - die überall herumstehen, passen auch genau ins Bild. Mit diesen „Spuckerln“ düsen die Bewohner durch die schmalen, engen Gasseln auf und ab.
In „Belvedere“ genießen wir die Aussicht ins Land und stellen fest, dass Umbrien der Toskana in nichts nachsteht.
Nun machen wir uns auf die Suche nach Santa Maria Maggiore. Besondere Bedeutung in dieser Kirche hat der linke Seitenaltar, die Cappella Baglioni.
Wir waren 2005 bereits einmal hier und freuen uns sehr, die Fresken des umbrischen Malers Pinturicchio wiederzusehen.
Der Künstler hat hier 1501 in leuchtenden Farben Biblische Geschichten gemalt. Es sind köstliche Bilder, die die Freude dieses Renaissance-Malers an der Darstellung der diesseitigen Welt ausdrücken.
Vor dem Stall von Betlehem knien in einer Blumenwiese die Hirten mit ihren Bauerngesichtern. Einer davon zeigt grinsend seine Zahnlücke.
Die Heiligen drei Könige warten bereits, bis sie mit der Anbetung drankommen. Einem ihrer Diener dauert das eindeutig bereits zu lange, wie man an seinem genervten Gesichtsausdruck sehen kann.
Glückliche Engel singen auf einer rötlichen Abendwolke, und Ochs und Esel schauen sichtlich interessiert zu. In diesen Fresken sieht man viel vom Renaissance-Leben, z.B. von der Mode. Besonders die Engel sind sehr elegant gekleidet. Der Maler hat sich auch selbst verewigt, in einem Bildchen, das bei der Verkündigung in Marias Zimmer an der Wand hängt.
Bei unserem letzten Besuch war das Fotografieren verboten. Die Kapelle war durch ein Gitter abgesperrt, und man musste sich den Hals verrenken, um überhaupt etwas zu sehen. Jetzt zahlt man Eintritt, aber dafür ist alles offen und Klaus darf sich mit seiner Kamera nach Herzenslust austoben.
Wir haben damals das Fresko an der rechten Seitenwand - „Der zwölfjährige Jesus lehrt im Tempel“ überhaupt nicht gesehen.
Wir freuen uns sehr über diese positive Überraschung.
Nun spazieren wir noch zur Porta Venere, der antiken Doppeltoranlage.
Mit Gabi war ich vor vielen Jahren einmal zu Fronleichnam hier, und wir haben die berühmten Blütenteppiche in den Straßen bewundert.
In bester Stimmung fahren wir nun weiter nach BEVAGNA. Auch hier ist die von mittelalterlichen Mauern umgebene Altstadt sehr hübsch. Auf dem Hauptplatz steht die schöne alte Kirche San Michele Archangelo. Drinnen bestaunen wir heftig überladene Heiligengestalten, die gar nicht in diesen schlichten romanischen Raum zu passen scheinen. Wir entdecken, dass sie offenbar auf Gestellen sitzen, die bei Umzügen mitgetragen werden.
Auch MONTEFALCO ist sehr nett und ebenfalls mit einer mittelalterlichen Stadtmauer umgeben. Der Palazzo Comunale aus dem 13. Jhd. hat eine hübsche Loggia. Wir merken halt, dass für heute genug nette Städtchen gesehen haben und die Begeisterung langsam erlahmt.
Wir machen uns auf den Weg zu unserem Schlafplatz in GIANO DELL’UMBRIA, zum Weingut Cantina Bartoloni.
Auch hier werden wir sehr freundlich in lupenreinem Italienisch begrüßt, und später bringt uns die Bäuerin Wein und Olivenöl mit Brot zum Kosten und Zitronenkuchen von ihrer Mama. Wieder einmal fühlen wir uns vom Universum reich beschenkt. Wir kochen Kaffee und schwelgen in den Genüssen.
Wir stehen mitten in einem Olivenhain. Es hat eine Weile gedauert, bis wir das WoMo in die Waage gebracht haben. Aber jetzt sitzen wir mehr als zufrieden auf der Terrasse an unseren Laptops.
35 km
Sa, 11. Juni
Klaus ist schon um 7h aufgestanden um im Olivenhain Yoga zu machen, während ich noch sanft geschlummert habe.
Nun sind wir beide munter, und die Winzerin macht mit uns eine Führung durch ihren - recht großen - Weinkeller. Wir lernen auch die Mama kennen, von der der gestrige Kuchen stammte. Mit Stolz und viel innerer Freude zeigt sie uns dann ihr Land mit den Olivenbäumen und den Weinbergen. Sie liebt ihren Beruf, weil sie sich ihre Zeit selbst einteilen kann, und das alles hier gibt ihr Energie, meint sie.
Seit Generationen wird das biologische Weingut jeweils von der Mutter an die Tochter weitergegeben- Frauenpower.
Ich freue mich, dass ich ihren italienischen Ausführungen so gut folgen kann.
Klaus kostet und kauft. Er kennt sich ja recht gut aus. Und ich werde die homöopathische Menge Wein in meinem Prickelwasser auch sehr genießen.
„Una buona vita“, wünscht uns Maria Rosa zum Abschied.
Wir fahren weiter nach SPOLETO. Und wieder passt das Zitat: „Eine Stadt, die auf einem Berge liegt, kann nicht verborgen bleiben.“
Wir müssen uns aber diesmal nicht bergauf kämpfen. Wir nehmen die lange Rolltreppe, die über mehrere Abschnitte bis ganz hinauf führt. Ca. 10 Minuten dauert die Fahrt - hinauf bis zur Rocca - und ist kostenlos.
Als erstes besuchen wir die Ponte delle Torri, einen mittelalterlicher Aquädukt, der früher zugleich als Brücke über eine tiefe Schlucht diente. Die Bauweise erinnert an antike Vorbilder, aber keines davon erreichte diese Höhe von 80m.
Auch Goethe war von dem Bauwerk und dem Ausblick bezaubert, als er 1786 auf seiner Italienreise hier war.
Nun spazieren wir zum Dom. Die Fassade besitzt insgesamt acht Fensterrosen, die für die Beleuchtung des erweiterten Innenraumes gebraucht wurden. Die mittlere zentrale Rosette - mit dem Mosaik darüber - stammt aus dem ausgehenden 12. Jhd. und wird in der Literatur als eine der prachtvollsten Umbriens bezeichnet.
Die Kirche ist der Santa Maria Assunta geweiht. Dazu passt das bunte Fresko in der Apsis des Doms „Die Krönung der Jungfrau“ das letzte Werk von Fra Filippo Lippi. Der Maler ist ja nicht nur wegen seiner Gemälde bekannt, sondern auch wegen seiner romantischen Liebesgeschichte. Als junger Mönch hat er nämlich seine spätere Frau aus dem Nonnenkloster entführt. Ich hoffe sehr, dass sie glücklich geworden sind.
Der Pinturicchio, den wir zufällig in einer Seitenkapelle entdecken, interessiert uns noch mehr- eine thronende Madonna mit Heiligen. Das Bild scheint nicht fertig geworden zu sein. Wir entdecken Vorzeichnungen, und die Gewänder sind offensichtlich nicht bis ins letzte Detail ausgeführt.
Die ganze Anlage rund um den Dom herum hat zusammen mit den anderen Gebäuden große theaterhafte Wirkung und wird auch tatsächlich zu diesem Zweck genutzt.
Bergab zu unserem Auto gehen wir zu Fuß, über viele Treppen und steile Gassen.
Etwas außerhalb der Stadt liegt die Kirche S. Pietro fuori le mura (San Pietro extra moenia) aus dem ausgehenden 12. Jahrhundert. Die sehr ungewöhnliche Fassade beeindruckt uns sehr. Sie ist in rechteckige Felder unterteilt. Diese Reliefzonen gehören zu den wichtigsten Beispielen romanischer Plastik. Die einzelnen Szenen haben natürlich symbolische Bedeutung, die uns heute nicht mehr unbedingt geläufig ist. Beispielsweise greift ein Löwe einen Soldaten an. In der toskanischen und umbrischen Tiersymbolik wird der Löwe mit Gott verglichen. Hier ist der Löwe unbarmherzig gegen jedermann, der wie dieser Soldat an weltlichen Dingen hängt. Wir erkennen auch eine Fußwaschungsszene und eine Darstellung von Jesus, der auf dem Wasser geht.
Wir sind auf jeden Fall entzückt und begeistert. So eine Fassade haben wir noch nie gesehen. Das Innere der Kirche ist uninteressant.
Wir freuen uns sehr, dass wir dieses Kleinod entdeckt haben und fahren weiter nach Süden.
Wir kommen wieder in die Berge. Die weite „toskanische“ Landschaft ist dichten Wäldern gewichen.
Wir kommen an einem imposanten Wasserfall vorbei, der Cascata delle Marmore.
Wie wir später der Wikipedia entnehmen, wurde er künstlich geschaffen.
In NARNI gibt es auf dem großen Parkplatz eine Abteilung für Wohnmobile, wo man auch übernachten kann. Auch den Inhalt unseres Klos können wir hier loswerden und den Wassertank füllen.
Es ist wieder recht heiß geworden, und wir sind ziemlich müde.
Daher halten wir zunächst einmal Siesta und machen uns erst um 17h auf den Weg in die Stadt.
Wir bieten unsere letzten Kräfte auf und verschmähen den Schrägaufzug ins Centro Storico. Viele Stufen führen uns hinauf, durch den Arco Romano hindurch. In den engen Gassen stehen trutzig wirkende Häuser mit schmiedeeisernen Halterungen für Fackeln.
Die Stadt ist pittoresk, besonders die Piazza Principale. Im Dom mit dem vorgelagerten Portikus ist es angenehm kühl. Die Apsis der romanischen Kirche wurde nach einem Erdrutsch gotisch erneuert.
Unser Interesse ist allerdings ziemlich erlahmt. Wir steigen in den Aufzug und fahren hinunter zu unserem Auto.
Nach Sonnenuntergang werden die Temperaturen wieder angenehm, und wir können den Abend genießen.
Übrigens, hier ganz in der Nähe, liegt der geographische Mittelpunkt Italiens- wer’s wissen will.
78 km
So, 12. Juni
„Komm“, sagt Klaus heute früh nach dem Aufwachen, „spielen wir das Sesselspiel!“ Hm?
„Na, mit Asterix und Obelix.“ Hm? „Die Reise nach Rom (statt Jerusalem).“ Ja, heute geht es tatsächlich schon nach ROM.
Wir haben in den letzten Tagen bereits Nachrichten von verschiedenen Verwandten bekommen, die auch bereits zur Hochzeit von Christian und Giulia unterwegs sind, und sternförmig auf unterschiedlichste Weise anreisen: Mit dem Zug, mit dem Auto, mit dem Flugzeug und im Wohnmobil. In 5 Tagen steigt ja schon das große Fest.
Der Weg führt uns von den Bergen hinunter in die weiten Ebenen von LATIEN.
Wir sind jetzt auf der Via Flaminia unterwegs. 2014 habe ich mit Gabi - als letzte Reise im alten Wohnmobil - eine Reise entlang dieser alten Römerstraße von 220 v. Chr. gemacht. Sie führt von Rimini bis Rom.
Links und rechts von uns erheben sich Tuffwände, in die die Straße einfach hineingegraben wurde.
Im Dorf CASTEL SANT'ELIA kann man genau sehen, dass die Ziegel der alten Häuser aus dem weichen Tuff herausgeschnitten wurden.
Hier gibt es ein ganz besonderes Highlight, das wir schon von früheren Reisen kennen, die Basilica Sant’Elia.
Kurz nach 500 entstand hier eines der ersten Klöster des Abendlandes.
Auch vorher gab es an dieser eindrucksvollen Stelle schon Heiligtümer. Der heutige Bau stammt aus dem 11. Jhd. Das hier ist eine der ältesten Kirchen in Italien überhaupt. Sie hat romanische und langobardische Teile.
Die vertrauten Widderköpfe auf der Fassade begrüßen uns.
Das Kirchlein wird gerade für eine Hochzeit geschmückt. Alles ist voller Blumen. Das malerische Bild wird noch von fünf schneeweiß gekleideten Klosterschwestern komplettiert, die eifrig mit ihren Handys fotografieren.
Das Ziborium über dem Altar fällt gleich auf. Ebenso die antiken Säulen, die Marmorreliefs aus langobardischer Zeit und der Kosmatenfußboden mit seinen wunderschönen Marmor-Einlegearbeiten, den sogenannten Inkrustationen.
Die Fresken an den Wänden und im Altarraum erinnern im Stil an byzantinische Mosaike.
Unter anderem stellen sie sie Apokalypse dar. Die „weißen Pferde“, die wir schon bei einem früheren Versuch zu erkennen glaubten, entpuppen sich nach einem Blick auf die Informations-Tafel zu unserer Überraschung als Schafe.
Dieses schlaue Schild informiert uns auch darüber, dass die kleine Kirche ursprünglich auch einen Glockenturm hatte, der aber 1262 eingestürzt ist.
Eine Krypta gibt es auch. Die ist aber eigentlich nur ein Keller, muffig mit einem alten verschimmelten Sarkophag.
Nun spazieren wir seitlich einen steilen Weg hinauf und erhaschen so - neben der Aussicht auf den Friedhof - einen Blick auf die Rückseite der Kirche. Man erkennt auch hier die Ziegeln aus Tuff.
Die Hochzeitsgäste trudeln langsam ein, und die Dekorateure packen zusammen.
Hier haben wir nun nichts mehr verloren.
Im Nachbarort NEPI werden wir von einem zweistöckigen Aquädukt und einer gewaltigen Burg überrascht.
Jetzt sind es nur mehr 50 km bis ROM.
Wir übernachten heute bei einem Bauern am Stadtrand. Es handelt sich um ein riesiges Areal mit groß angelegtem Gemüseanbau. Wir kaufen Zitronen- und Apfelstrudel-Marmelade und lassen uns am Abend von der Bäuerin bekochen. Kein weiteres Wohnmobil ist zu sehen. Es gefällt uns so gut, dass wir beschließen, hier für zwei Nächte zu bleiben.
91 km
Mo, 13. Juni
Ca. um 9h brechen wir in die ewige Stadt auf. Auf unserem Fußweg zur Schnellbahn stellen wir fest, dass wir uns hier, auf der Hazienda Agricola Roma Aeterna, in einer Oase zwischen Autobahn und Plattenbauten befinden. Eigentlich ist es in dieser Jahreszeit ja eher eine Steppe. Das Land ist ziemlich ausgedörrt. Außer den Gemüseanbauflächen, die werden natürlich bewässert.
Ottavia liegt am nordwestlichsten Stadtrad von ROM, befindet sich aber bereits innerhalb der römischen Ringautobahn.
Wir haben Glück und erwischen zufällig einen Zug nach S. Pietro, aber nur weil er um einige Minuten Verspätung hat. Nach ca. 20 Minuten sind wir in der Innenstadt.
Weiter geht es per pedes. Wir waren ja schon mehrmals hier und haben daher die touristischen Highlights bereits eifrig abgearbeitet.
Trotzdem machen wir ein paar Umwege auf dem Weg zu der Galerie, die Klaus gern besuchen möchte.
Wir überqueren also den Petersplatz und entdecken direkt neben den Kolonnaden von Bernini ein neues Bronzedenkmal, das erst seit 2019 hier steht. Papst Franziskus hat es eingeweiht.
Das Kunstwerk ist sockellos und nennt sich „Angels Unawares“, zu deutsch, „Unerkannte Engel“, und stammt vom kanadischen Künstler Timothy Schmalz.
Der Bildhauer spielt auf Hebräer 13:2 an: „Vergesst nicht die Gastfreundschaft; denn dadurch haben etliche ohne ihr Wissen Engel beherbergt.“
In lebensgroßen Figuren ist eine Gruppe von Migranten aus verschiedenen Kulturen und unterschiedlichen historischen Epochen dargestellt, die dichtgedrängt auf einem kleinen Boot stehen. Die Anspielung auf die umstrittene, illegale Einwanderung über die Mittelmeerroute ist offensichtlich. Über den Figuren ist der Flügel eines Engels zu sehen.
Wir sind jedenfalls positiv beeindruckt.
Wir marschieren weiter durch die Via della Conciliazione (= Versöhnung) bis zur Engelsburg. Durch enge, schattige Gasseln hanteln wir uns weiter vor. Da fahren tatsächlich Autos durch. Klaus gibt sich nicht überrascht. „Das ist eben Italien“.
Auf der Piazza Navona stehen der Vierströmebrunnen von Bernini mit dem ägyptischen Obelisken und zwei weitere kleinere Brunnen. Die Ovale Form des Platzes rührt davon her, dass in der Antike hier ein Stadion stand.
Bald taucht das gewaltige Pantheon vor uns auf.
Ganz in der Nähe steht die Basilica di Santa Maria sopra Minerva, die auf den Ruinen eines Minerva-Tempels errichtet wurde- daher der Name. Lächelnd begrüßen wir den Elefanten- auch von Bernini - mit dem Obelisken, den sie in irgendeinem Klostergarten gefunden haben, auf dem Rücken.
Im Inneren der Kirche interessiert uns eigentlich nur „Der auferstandene Christus“, eines der Hauptwerke Michelangelos. Dieses bedeutende Kunstwerk der italienischen Renaissance ist uns bisher tatsächlich entgangen. Wir haben einem Abguss davon im Geburtshaus des Künstlers gesehen und beschlossen, uns das Original anzuschauen, wenn wir nach Rom kommen. Der Lendenschurz aus Bronze, der eigentlich gar nicht dazu passt, wurde erst nach dem Konzil von Trient angebracht, als sittlich strengere Normen eingeführt wurden.
Das Grab der Hl. Katharina von Siena ist gleich daneben. Staunend beobachte ich einige Gläubige - vor allem Frauen - die auf den Knien davor herumrutschen.
Wir eilen von dannen- zur Galleria Doria Pamphilj. Klaus freut sich auf das Porträt von Papst Innozenz X von Velázquez.
Mir gefällt am besten „Ruhe auf der Flucht nach Ägypten“ von Caravaggio. Maria und das Kind sind eingeschlafen. Das Schlaflied fiedelt ein Engel, dem Josef demütig das Notenbuch hält.
Auch hier sind alle Wände voll gehängt, und man muss genau schauen, dass man sein Lieblingsbild nicht übersieht.
Der Hunger treibt uns in ein kleines Restaurant mit den unvermeidbaren wackeligen Tischen im Freien. Wir sitzen im Schatten, und die Pizza ist sehr köstlich.
Nun steht uns noch der Heimweg bevor. Den Blick auf das Monumento Nazionale a Vittorio Emanuele II, im Volksmund „Schreibmaschine“ oder „Gebiss“ genannt, können wir nicht vermeiden. Egal wo man hingeht, man sieht dieses riesige, wuchtige, neoklassizistische Bauwerk.
Unvermutet bietet sich uns ein Wiedersehen mit Il Gesù, dem Prototyp einer Jesuitenkirche. Ihre Gebäudestruktur war Vorbild für zahlreiche barocke Kirchenbauten.
Klaus rühmt dieses Meisterwerk von Giacomo Vignola aus dem 16. Jhd.
Jetzt freuen wir uns schon, nach Hause aufs Land zu kommen. Wir springen rasch in einen Zug, der gerade abfährt. Es ist der richtige, aber wir hatten keine Zeit mehr, unsere Tickets zu entwerten. Die freundlichen Dame, die neben uns sitzt erklärt uns einen hilfreichen Trick. Man schreibt einfach die Uhrzeit auf den Fahrschein. Er ist ja 100 Minuten lang gültig, egal, wo man hinfährt. Wir werden nicht kontrolliert.
Wir sind richtig erschöpft. Es ist soooo heiß.
Wieder daheim spendet uns die Markise unseres Wohnmobils Schatten, und wir erholen uns langsam- nach 14 km Fußmarsch.
Di, 14. Juni
Heute wechseln wir zum Campingplatz „Village Flaminio“ über, wo auch Klaus’ Schwester Irmgard und ihr Mann Alexander bereits abgestiegen sind. Ich kenne diese tolle Anlage bereits. Ich war schon einmal mit Gabi hier.
Der erste Weg auf einem Campingplatz führt uns wie immer zur Waschmaschine.
Den Abend verbringen wir mit Irmgard und Alexander. Zufällig wurde uns ein Stellplatz ganz in ihrer Nähe zugewiesen.
17 km
Mi, 15.Juni
Wir fühlen uns ganz frei. Erfreulicherweise waren wir schon mehrmals in Rom und haben alles, was man als Tourist so sehen will, bereits abgearbeitet.
Wir rumpeln also mit der völlig „abgeranzten“ (Zit. Gabi) U-Bahn einfach mal in die Stadt und schauen wo es uns hintreiben wird.
Klaus möchte sich heute vor allem mit Street-Fotorafie beschäftigen.
Auf der Piazza della Repubblica besuchen wir den Najaden-Brunnen, dessen Foto, das Klaus 2006 gemacht hat, viele Jahre lang das Hintergrundbild von meinem alten Windows-Computer war.
Gleich nebenan, im Planetarium, das in einem Teil der antiken Diokletiansthermen untergebracht ist, findet ein Event für Carabinieri statt. Hochrangige Beamten mit heftig Lametta auf ihren schmucken Uniformen stehen herum. Auch hoch dekorierte Frauen sind dabei. Wir werden ganz schnell wegkomplimentiert, aber die Zeit reicht doch für ein paar Schnappschüsse.
Wir marschieren weiter in Richtung Kolosseum.
Santa Maria Maggiore stellt sich uns in den Weg. Klaus war da noch nie drin, und ich nur als Kind mit meinen Eltern. Also nichts wie rein.
Eine riesige Halle eröffnet sich uns, die umso größer erscheint, weil es keine Bestuhlung gibt. Die goldene Kassettendecke und der mit Inkrustationen verzierte Marmorfußboden sind eindrucksvoll. Sie ist eine der vier Papstbasiliken in Rom.
Bereits im 5. Jhd. wurde sie auf dem Esquilin errichtet. Sie wurde gebaut, um der ewigen Stadt, die durch heidnische Bauwerke geprägt war, ein christliches Antlitz zu verleihen.
Nach vielen Aus- und Umbauten wirkte sie heute wie eine einheitlich barocke Kirche.
Uns gefallen die frühchristlichen Mosaike am Triumphbogen und im Altarraum, aber sonst: Alles viel zu groß.
Die Nonnendichte in Rom hat ja bereits Mark Twain so treffend beschrieben. Auch hier tummelnd sich natürlich mehrere Exemplare. Besonders süß finde ich eine, die oben auf ihrem Schleier einen blitzblauen Sonnenhut mit Herzerln trägt.
Wir sind jetzt in der Nähe des Bahnhofs Termini. 2006 hatten wir hier irgendwo unser Hotel. Klaus findet es, gleich neben dem Aquarium, das in einem hübschen Park steht.
Wir schleppen uns weiter durch die Hitze über ziemlich dreckige Straßen. Wir merken wieder einmal, wir schön Wien ist.
Schließlich taucht das gewaltige Kolosseum vor uns auf. Die Ordnung dieses Baus: Rundbögen, mehrere Stockwerke und Säulen- ganz unten dorisch, in der Mitte ionisch und ganz oben korinthisch, wurde in der Renaissance wiederentdeckt. Sie diente dann für mehrere hundert Jahre als „die Regel“ für Architektur. Gleich daneben steht der Konstantinsbogen, den Klaus besonders gerne mag.
Alles wird momentan von einer hässlichen Baustelle dominiert.
Nun machen wir noch einen Abstecher zur Piazza del Populo. In der Mitte des neoklassizistischen Platzes steht ein großer Obelisk aus rotem Assuan-Granit. Als wir damals hier waren, war er eingerüstet. Um so mehr freuen wir uns, dass wir dieses „Mitbringsel“ aus Assuan diesmal sehen können.
So, jetzt haben wir genug. Wir werfen uns in die U-Bahn und fahren nach Hause.
Wie schön ist es doch, im Schatten zu entspannen.
Nachdem Irmgard und Alexander auch eingetrudelt sind, gehen wir gemeinsam ins Campingplatz-Restaurant. Man sitzt hier sehr nett im Grünen, und das Essen schmeckt gut.
Do, 16. Juni
Für den heutigen Tag haben wir uns „keine hastigen Bewegungen“ vorgenommen.
Das verspricht ein gemütlicher „Urlaubstag“ mit hochgelagerten Beinen zu werden.
Damit wir nicht völlig versulzen, schwingen wir uns schließlich doch auf unsere Klappräder und fahren in den nahen Supermarkt einkaufen.
Am Abend sitzen wieder bei einem Gläschen Wein mit den beiden „Nachbarn“ zusammen.
Was es noch zu erwähnen gibt, unser Feuchtigkeitsproblem in der Garage hat sich auf geheimnisvolle Weise von selbst gelöst.
Fr, 17. Juni
Wir verabschieden uns von Klaus’ Schwester und ihrem Mann, aber nicht für lange. Spätestens um 17h werden wir uns bei der Hochzeit von Klaus’ Neffen Christian mit seiner Römerin Giulia wiedersehen.
Als erstes lassen wir unsere Gasflasche anfüllen. Die Adresse haben wir in der Campingplatz-Rezeption bekommen.
Ein sehr enges Gassel ist das. Gut, dass Klaus das WoMo so gut beherrscht.
Jetzt peilen wir den Bio-Supermarkt „NaturaSì“ an- ein Schlaraffenland, aber sehr teuer.
Und dann machen wir uns auf den Weg nach FRASCATI - 21 km südöstlich von Rom - zur Villa Tusculana, wo die Hochzeit stattfinden wir.
Die barocke Villa ist eine von mehreren großen Villen, die hoch oben über der Stadt thronen. Im 16. Jhd. wurde sie für einem Bischof erbaut und war auch zeitweilig im Besitz des Papstes. Später kaufte sie Lucien Bonaparte und verbrachte dort nach dem Zerwürfnis mit seinem Bruder Napoleon sein selbstgewähltes Exil in Rom.
Er begann mit Ausgrabungen der antiken Stadt Tusculum, die sich auf diesem Hügel befand und nach der das Gebäude heute benannt ist.
Nach mehreren Besitzerwechseln gelangte die Villa in den Besitz der Salesianer Don Boscos, die nach dem 2. Weltkrieg ein Luxushotel daraus machten.
Es handelt sich also um eine sehr gediegene Location mit feudal eingerichteten Räumen, einem schönen Park und einer atemberaubenden Aussicht auf die Stadt.
Wir finden einen schönen, schattigen Platz für unser Wohnmobil. Wieder einmal stehen wir neben Irmgard und Alexander.
Die Frage, was wir mit dem angebrochenen Nachmittag machen, erübrigt sich. Ein einziger heftiger Windstoß schlägt unsere Türe zu und zerstört dabei das Fliegengitter.
Klaus und Alexander basteln und tüfteln. Es ist eine Freude, den beiden Schanierln zuzuschauen. Leider bleiben sie letztlich doch erfolglos. Wir werden bei der Weiterreise schon irgendwie zurechtkommen.
Nun bleibt uns nur noch, uns in Schale zu werfen und die Feier zu genießen.
Christian und Giulia sind ein bezauberndes, sehr verliebtes Paar. Die Zweisprachigkeit der Hochzeit macht die Zeremonie und die Kommunikation mit den Gästen zu einer Herausforderung, die aber mit Bravour gemeistert wird.
Die österreichische Abordnung, die den weiten Weg auf sich genommen hat ist beeindruckend.
Mir gefällt ganz besonders das ausgelassene Tanzen unter dem Sternenhimmel, an dem sich sogar mein geliebter Tanzmuffel Klaus beteiligt.
Mit dem Wetter haben wir richtig Glück. Nach einem kurzen, heftigen Gewitter am Nachmittag ist die Luft am Abend wunderbar klar und und angenehm lau.
58 km
Sa, 18. Juni
Wir haben nun die beiden Eckpunkte unserer „Hochzeitsreise“ erledigt und zugleich den südlichsten Punkt unsere heurigen Reise erreicht.
Nach vielen Umarmungen zur Verabschiedung beginnt nun wieder unser Reise-Alltag.
Wir genießen es richtig, „on the road again" zu sein.
Es geht nach Norden. Wir wollen, so gut es geht, der Hitze entfliehen.
Wir sind heute vor allem auf Schnellstraßen unterwegs und kommen daher gut voran.
Der wunderschön und üppig in allen Farben blühende Oleander begleitet uns, eine wahre Pracht.
In NEPI kreuzen sich unser Hin- und Rückweg. Und schon sind wir wieder in der TOSKANA. Wir begrüßen bald wieder den ersten Ginster, und der herrlich duftende Lavendel blüht bereits.
Unser Nachtquartier nehmen wir in der Nähe von ACQUAPENDENTE wieder einmal auf einem Bauernhof. Wir stehen auf einer Anhöhe im Schatten von Zypressen und genießen die Aussicht auf toskanische Bilderbuch-Landschaft. Kein Mensch ist zu sehen, also richten wir uns einfach selbständig häuslich ein.
202 km
So, 19. Juni
Wie fast jeden Morgen stellen wir auch heute wieder fest: „Das war ein guter Platz“.
Kein Mensch ist aufgetaucht. Also konnten wir machen, was wir wollten.
Wir fahren den Monte Rufino wieder runter, zu unserem ersten Ziel, „Il Giardino“, dem Skulpturengarten von Daniel Spoerri, einem Schweizer Bildhauer und Tänzer. 1930 wurde er in Rumänien geboren und lebt mittlerweile in Wien.
Diesen weitläufigen Park gründete er in den 1990er-Jahren. Er beinhaltet über 100 Installationen von mehr als 50 Künstlern. Die Dame im Ticket-Office empfiehlt uns die Highlights. Dafür sind wir dankbar, denn alle wollen wir ohnehin nicht abklappern.
Am allerbesten gefällt mir der Spaziergang in der großen, schattigen Anlage. Die Wege sind gemäht, aber das restliche Gras steht hüfthoch. Unzählige Insekten schwirren herum. Wir entdecken Schmetterlinge, die es in unseren Breiten gar nicht gibt.
Üppig blühen die Edelkastanien mit bis zu 25cm langen gelben, kätzchenähnlichen Blütenständen. Wir entdecken auch bereits winzige Früchte.
Manchmal geht’s auch ins Unterholz oder in den Wald zu versteckten Kunstwerken.
Einige Objekte gefallen mir gut:
„Der Acqua-Golem“ von Daniel Spoerri, zusammengesetzt aus Wasserleitungen und hydraulischen Sperrschiebern
„Das Zimmer Nr. 17“ von Daniel Spoerri. Er hat eine exakte Nachbildung seines Studentenzimmers in Paris aus Bronze gemacht, samt halb leer gegessenen Tellern auf dem Tisch, ungemachtem Bett, herumliegenden Flaschen, Büchern und Kleidungsstücken.
Wir sind nicht die einzigen, die sich für ein Foto aufs Bett legen.
„Begehbare Skulptur“ von Jesus Rafael Soto, die aus 400 unterschiedlich dicken Klangstäben aus Aluminium besteht, die auf einem Eisenrahmen aufgehängt sind. Beim Durchgehen schlagen die Stäbe gegeneinander, und man erzeugt sein eigenes spezielles Klangerlebnis.
„Dies Irae (Tag des Zorns)“ von Olivier Estoppey, das Trommler und 160 Gänse aus Stahlbeton darstellt.
Der „Labyrinthische Mauerweg“ von Daniel Spoerri ist einem präkolumbianischen Petroglyph nachempfunden.
Wir machen uns wieder auf den Weg und fahren weiter zur Abbazia di Sant’Antimo.
Wenn wir schon hier sind, können wir daran einfach nicht vorbeifahren.
Die wunderschöne, aus Travertin gebaute romanische Kirche mit ihrer ganz besonderen Ausstrahlung stammt aus dem 12. Jhd. Auch diesmal bewundern wir wieder den offenen Dachstuhl und die Säulen mit ihren unterschiedlichen Kapitellen. Die Darstellung von Daniel in der Löwengrube mit den sorgfältig gelockten Mähnen ist besonders süß.
Natürlich besuchen wir auch die Krypta.
Vor dem Eingangstor stehen eindrucksvolle alte, knorrige Olivenbäume.
Die Abtei, die einst großen Einfluss in dieser Gegend hatte, ist längst aufgelassen und dient jetzt als Pfadfindertreffpunkt.
Der dazugehörige Ort CASTELNUOVO DELL'ABATE bietet uns einen WoMo-Stellplatz.
66 km
20. Juni
Erster und wichtigster Punkt für heute: Wir brauchen ein Postamt. Klaus hat nämlich eine Geburtstagskarte für seine Tochter Teresa gemalt, und die wollen wir nun rechtzeitig aufgeben.
MONTALCINO ist berühmt für seinen Wein. Überall wird in großen Lettern der edle Brunello angepriesen. Nicht einmal Klaus, der ja Weinliebhaber und -kenner ist, kauft sich einen. Der ist einfach zu teuer.
Die Weiterfahrt geht auch stilgerecht durch ausgedehnte Weingärten.
SIENA ist unser heutiges Kultur-Highlight. Wir freuen uns darauf, einiges wiederzusehen.
Wir fahren wieder einmal mit einer Rolltreppe ins Stadtzentrum hinauf.
Wir freuen uns, dass der Dom diesmal nicht eingerüstet ist, und wir die Fassade in all ihrer kaskadierenden Pracht bewundern können. Eine wilde Mischkulanz der Stile bietet sich uns. Zuckerbäcker ist auch dabei. Und doch ist sie beindruckend.
Der übrige Dom, innen und außen, samt Turm- gestreift: schwarzer und weißer Marmor.
Ursprünglich war das eine romanischer Kirche. Heute präsentiert sich und der Bau als
eines der bedeutendsten Beispiele der gotischen Architektur in Italien. Der Sieneser Dom gehört zu den am prächtigsten ausgestatteten Kirchen.
Es wurde halt immer mehr verziert- fast 300 Jahre lang“, meint Klaus, „bis es dann zu viel war.“
Im Inneren interessiert uns besonders die achteckige, figurenreiche Kanzel von Nicola Pisano. Sie zeigt Szenen aus dem Leben Jesu und ruht auf Säulen, die von Löwen gestützt werden.
Ganz besonders toll ist der Fußboden aus kunstvoll gearbeiteten Marmor-Einlegearbeiten. Seine Fertigstellung dauerte sechs Jahrhunderte, vom 14. bis zum 19. Jahrhundert. Er besteht aus mehr als sechzig Szenen. Leider sind die meisten davon in der Regel durch Teppiche abgedeckt. Durch das ständige Darübergehen wurden sie im Laufe der Zeit stark abgenutzt. Ich war ja schon zweimal hier und habe sie auch schon unbedeckt gesehen.
Über unseren Köpfen zieht sich die Galerie der Päpste einmal rund um die Kirche. Es handelt sich um die Büsten von 172 Päpsten aus dem 15. und 16. Jhd. Der erste ist der heilige Petrus, der letzte Lucius III., der 1185 starb.
Das Chorgestühl ignorieren wir diesmal weitgehend.
Dafür schauen wir uns die Biccolomini-Bibliothek an. Sie wurde von Kardinal Francesco Piccolomini, den späteren Papst Pius III, gegründet. Sie ist mit farbenprächtigen, fröhlichen Fresken von Pinturicchio ausgemalt, die Szenen aus dem Leben dieses Papstes darstellen.
Wir haben diesmal auch die „Porta del Cielo“(= Himmelstür)- Tour gebucht.
Wir werden durch die Dachkonstruktion des Doms geführt und bekommen grandiose Ausblicke von oben in die Kirche und auf den Domplatz. Dafür haben sich die vielen Stufen über die Wendeltreppe gelohnt.
Die Hitze, der Hunger und das Treppensteigen schlauchen uns ziemlich. Daher genießen wir die Mittagspause im schattigen Gastgarten eines netten Restaurants ganz besonders. Wir gönnen uns einen Griechischen Salat- und das in Italien.
Frisch gestärkt machen wir uns an den nächsten Aufstieg- zum Panorama dal Facciatone.
Man hatte doch tatsächlich überlegt, diese jetzt schon gigantische Kathedrale als Querschiff für eine noch größere zu verwenden. Und man hatte dafür auch schon Teile gebaut, die jetzt halbfertig in der Gegend herumstehen. Das Geld ging ihnen aus. Sie brauchten es für Kriege. Dann brach die Pest aus, und sie hatten andere Sorgen.
Ein einziger Teil mit einem hohen Bogen ist fertig. Man kann auf diesen Facciatone hinaufgehen und hat von dort eine schöne Aussicht auf die Kirche hinüber und auf den Campo.
Das Baptisterium bietet uns eine Enttäuschung. Das Taufbecken von Donatello und Lorenzo Ghiberti ist total eingerüstet.
Jetzt fehlt uns nur noch die Krypta.
Sie kam ganz unerwartet 1999 zum Vorschein, als eine andere Kirche saniert wurde.
Es handelt sich um einen Raum, dessen Wandfläche von 180㎡ mit Malereien aus der zweiten Hälfte des 13. Jhd. gefüllt ist. Nachdem er im 14. Jhd. verschlossen und mit Geröll gefüllt worden war, blieb er sieben Jahrhunderte lang verborgen.
Und jetzt geht es durch enge Gasseln zur Piazza del Campo, dem angeblich schönsten Platz der Toskana. Er ist wie eine Muschel geformt und fällt schräg nach unten zum Rathaus hin ab.
Auf diesem fächerförmigen Platz findet seit dem frühen 17. Jhd. der berühmte "Palio" statt, das spektakuläre Pferderennen, in dem die Contrade gegeneinander antreten.
Die 17 Contrade = Stadtbezirke hatten früher weitgehende Verwaltungsvollmachten. Heute haben sie eher gesellschaftliche Bedeutung. Zwischen den Contrade gibt es eine große Rivalität.
Wir haben ihre bunten Fahnen schon in der Kirche hängen gesehen.
Das Rathaus, der Palazzo Pubblico stammt aus dem 13. Jhd.
Er hat den elegantesten Rathausturm der italienischen Renaissance, der noch dazu ungewöhnlich hoch ist (102m).
"Il Campo" = das Feld ist der Platz der Plätze überhaupt. Man kann von einem der drei Stadtteile von Siena zu einem anderen nur gelangen, indem man über den Campo geht. Denn die Sienesen hatten für ihre Stadt nur drei Hügel, steil abfallend und y-förmig zueinander stehend, zur Verfügung. Das ergab natürlich Stadtdrittel, die „Terzi“.
Im Kreuzpunkt, in einer Vertiefung liegt die Piazza del Campo.
Wir haben alles geschafft und sind auch geschafft. Jetzt müssen wir nur noch den Weg zur Rolltreppe und dann zu unserem Auto zurückfinden.
Wie freuen wir uns, aus der Stadt hinaus zu kommen und zu unserem heutigen Bauern in SOVICILLE fahren zu können. Ficareto heißt der Biobetrieb mit Fremdenzimmern und Restaurant. Er bietet zu unserer Freude auch einen Swimmingpool.
Klingt perfekt, aber die Zufahrt hierher ist etwas abenteuerlich über einen recht engen, unbefestigten Weg. Gleichsam als Entschädigung bringt uns der Bauer als kleines Geschenk ein Stück Aprikosenkuchen. Wir machen uns einen Eiskaffee dazu.
Zwei weitere Camper werden heute auch hier übernachten.
Leider können wir die Ruhe des Abends noch nicht genießen. Plötzlich funktioniert der Schließmechanismus der Kühlschranktür nicht mehr. Wir kriegen den Eisschrank nur mit roher Gewalt auf. Wieder einmal erweist sich Klaus als echtes Schanierl und findet eine gute Übergangslösung, mit der wir die nächsten Monate leben können. Sie beinhaltet Gummiwürste.
Aber jetzt gibt’s endlich unsere Nudeln mit Gemüse-Bolognese mit einem kühlen Glas Wein- aus dem funktionierenden Kühlschrank.
106 km
Di, 21. Juni
Wir fahren weiter nach Norden, auf dem Weg nach SAN GIMIGNANO. Diese Stadt lohnt auf jeden Fall ein Wiedersehen.
Ihre unverkennbare Silhouette mit den Geschlechtertürmen begrüßt uns schon von Weitem.
Der Parkplatz für Wohnmobile liegt ziemlich weit außerhalb des Zentrums, also nehmen wir für die Stadtbesichtigung die Klappräder. Es geht immer wieder steil bergab und bergauf. Zwischendurch müssen wir schieben.
San Gimignano entstand in günstige Lage auf der Frankenstraße an der Kreuzung zur Straße nach Pisa. Im Mittelalter war es eine florierende Stadt. Den Aufschwung im 13. Jhd. verdankte sie dem Anbau vom damals in ganz Europa sehr begehrten Safran, sowie internationalem Handel und Finanzspekulationen. Die reichen Kaufleute steckten Teile ihrer Gewinne in die Errichtung von Wohntürmen, Palazzi, öffentlichen Gebäuden und Kirchen. Die goldenen Jahre dauerten allerdings nicht lange. Von der Pest und ständigen Hungersnöten dezimiert, sowie innerlich von heftigen Familienfehden zerrüttet, ergab sich die verarmte Stadt im Tausch gegen Schutz und Hilfe im 14. Jhd. den Florentinern. Nun begann ein stetiger Bedeutungsverlust, der es jedoch ermöglichte, das über sieben Jahrhunderte unverändert gebliebene Stadtbild zu bewahren. Das historische Zentrum wurde von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt.
Wir kommen keuchend auf der dreieckigen Piazza della Cisterna an. Die steinerne Zisterne in der Mitte ist von mittelalterlichen Häusern und Türmen umgeben. Die Farbe der Steine ist ganz unterschiedlich, sie variiert von Grau- bis zu Orangetönen.
Unzählige Touristen sitzen hier im Schatten auf Stufen und genießen in diesem malerischen Ambiente das „beste Eis der Welt“. Signore Dondoli hat tatsächlich einen Weltmeistertitel.
Gleich daneben befindet sich der Domplatz mit der Collegiata Santa Maria Assunta, dem ehemaligen Dom aus dem 12. Jhd.
Die schlichte Kirche ohne aufgeklebte Fassade gefällt uns gut. Das Innere birgt eine Überraschung. Beide Seiten des Langhauses sind vollständig mit Fresken aus dem 14. und 15. Jhd. bedeckt. Die linke Seite stellt biblische Geschichten aus dem Alten Testament dar, die rechte zeigt Szenen aus dem Leben Jesu. Die Maler tragen keine großen Namen, aber ihre Werke sind farbenfroh und eindrucksvoll.
Ich war schon zweimal hier, aber in dieser Kirche war ich bis heute noch nie.
Wir radeln bzw. schieben unsere Drahtesel die 3 km wieder zurück zum Auto.
Vor uns liegen heute noch ca. 60 km bis VINCI, dem Geburtsort Leonardos.
Auf dem wenig attraktiven Stellplatz lassen wir uns nieder.
Klaus widmet sich einer weiteren Bastelaktion. Wir haben bei einem echten Obi ein Fliegengitter gekauft, das er nun als Ersatz für die zerstörte Fliegenschutz-Schiebetür anbringt.
Neben dem Kühlschrank haben wir jetzt noch ein halbwegs funktionierendes Provisorium.
107 km
Mi, 22. Juni
Wenn wir nun schon mal hier sind, wollen wir natürlich auch die Casa Leonardo aufsuchen.
Das für die Gegend typische Steinhaus steht recht stimmungsvoll allein auf einem Hügel, inmitten von silbrig glänzenden Olivenbäumen.
Am 15. April 1452 brachte - zufällig hier - die Magd Caterina ihren unehelichen Sohn zur Welt. Der Vater stammte aus den feinsten Florentiner Kreisen, ein Notar, bei dem das Mädchen vorübergehend gearbeitet hatte. Er hat den kleinen Leonardo später als seinen leiblichen Sohn anerkannt und bei sich aufgenommen.
Wir machen uns wieder auf den Weg, weiter nach Norden.
Klaus hat übrigens ein weiteres Provisorium in Gebrauch. Ein Bügel von seiner Brille ist abgebrochen. Klebeband wird ihn hoffentlich für eine Weile festhalten.
An die "Ponte della Maddalena" erinnern wir uns erst, als sie vor uns auftaucht. Ein unglaublich imposanter Bogen spannt sich über den "Fiume Sérchio". Sie wird auch "Ponte Diabolo“ genannt. Wahrscheinlich wurde sie im 12. Jhd. gebaut. Jedenfalls wurde sie bereits im 14. Jhd. in einem Roman erwähnt. Den Namen Maddalena bekam sie erst im 15. Jhd.
Lucca werden wir diesmal auslassen. Da waren wir schon mehrmals, aber auf den lombardischen Dom San Cristoforo in BARGA freuen wir uns.
Wir kennen ihn zwar auch schon, aber er ist halt etwas ganz besonderes. „Eine Kirche, wie sie g’hört“, meint Klaus.
Der Bau wurde im 9. Jhd. begonnen. Die Kirche wurde zwar später umgebaut, aber es sind noch einige lombardische Teile vorhanden, z.B. die Bogenfriese mit den Darstellungen von Tieren und Menschen und der Querbalken über dem Eingangstor, der Architraph, mit dem Weinernte-Relief.
Das wertvollste Stück im Dom ist die wunderschöne Kanzel aus dem 13. Jhd.
Die Anbetung der Könige ist dargestellt, unterbrochen von Evangelisten-Symbolen. Der Adler trägt das Lesepult. Auf der Schmalseite erkennt man Verkündigung und Geburt und den Propheten Jesaja. Die Kanzel ruht auf Säulen, die von Löwen getragen werden. Unter dem einen Löwen mit tiefer Stirnfalte liegt ein Jüngling, der ihm die Hand ins Maul legt.
In der Apsis steht eine riesige bemalte Holzfigur des Hl. Christophorus, ungewöhnlich statisch mit bodenlangem Gewand und einer Krone auf dem Kopf.
Die Aussicht von hier oben ist ebenfalls großartig.
Man muss allerdings gut zu Fuß sein, um hier zum höchsten Punkt der Altstadt heraufzusteigen. Die Einheimischen benutzen kleine Allradautos und rumpeln über die flachen Stufen.
Bei der Weiterfahrt türmen sich jetzt ziemlich hohe, felsige Berge vor uns auf.
Wir sind in der GARFAGNA. Als eines der regenreichsten Gebiete Italiens ist sie stark bewaldet mit Edelkastanien, Eichen und Pinien. Das kriegen wir auch zu spüren. Es regnet und kühlt ein wenig ab. Lange dauert der Spaß allerdings nicht.
Für heute Nacht haben wir wieder einen Bauern gebucht. Es ist immer spannend, was uns jeweils erwartet.
Das GPS führt uns auf Nebenstraßen immer höher hinauf und immer weiter weg von der Siedlungen. CORFINO ist der letzte Ortsname, den wir lesen. Wir befinden uns hier in einem richtigen Wander- und Erholungsgebiet. Immer wieder treffen wir auf kleine Blockhäuser. Wahrscheinlich kann man die mieten.
"La Greppia" ist eigentlich kein Bauernhof sondern eher ein nettes Ausflugsgasthaus, das nur am Wochenende geöffnet hat. Uns ist das egal. Wir haben einen hübschen, ebenen Gratisplatz für die Nacht. Und zu essen haben wir auch genug.
Außerdem genießen wir die Kühle. Hier auf 1200m Höhe hat es gerade einmal 25° und der Himmel ist bewölkt- herrlich.
Leider haben wir überhaupt kein Netz. Daher können wir nichts im Internet recherchieren, und meine Namenstagswünsche für Thomas bleiben auch ungesendet.
Es ist jetzt 18h30, und wir haben es uns bereits gemütlich gemacht. Ich lese Klaus aus einem alten Reisetagebuch vor. 2005 waren wir nämlich auch in dieser Gegend unterwegs. Damals sind wir an einem Abend nochmals losgefahren, und ich habe geschrieben: “So eine Nachtfahrt hat auch etwas.“
Spontan meint Klaus: „Das machen wir jetzt auch.“ Wir haben uns von der Hitze des Tages gut erholt und sind wieder voller Tatendrang. Die Temperaturen sind jetzt sehr angenehm. Schauen wir mal, wie weit wir kommen.
Es geht also weiter nach Norden bis AULLA. Und ausnahmsweise fahren wir von hier aus ein Stück auf der Autobahn bis LA SPEZIA.
Wir haben schweren Herzens die TOSKANA verlassen und sind jetzt in LIGURIEN.
Zwei Stunden waren wir jetzt noch unterwegs und sind um 20h30 bei vollem Tageslicht auf einem Stellplatz in RICCÒ DEL GOLFO DI SPEZIA angekommen- Nachfahrt war das also keine. Hier werden wir von Polizei und Rotem Kreuz beschützt.
Wir haben hier auch wieder Netz. Ohne Internet ist man ja richtig verloren.
Die Kehrseite dieser Medaille, gerade haben wir die Hiobsbotschaft bekommen, dass Klaus’ Schwester Maria an Covid erkrankt ist. Sie hat heftige Symptome, aber es ist nicht sehr schlimm. Wir waren auf der Hochzeit in engem Kontakt mit ihr. Das wird jetzt für uns spannend.
212 km
Do, 23. Juni
Bis zu unserem auserkorenen Campingplatz „La Sfinge“ (=Sphinx) bei DEIVA MARINA ist es nicht mehr weit.
Weil wir am Vormittag angekommen sind, und weil unser WoMo so klein ist, bekommen wir noch einen Platz für mehrere Tage.
An unserem „Ruhetag“ widmen wir uns wie immer ausgiebigen Wasch-, Putz- und Reparaturarbeiten. Und die Waschmaschine schnurrt.
Es regnet ein bisschen. Das macht uns gar nichts.
Morgen wollen wir Cinque Terre erkunden. Da haben wir dann hoffentlich gutes Fotowetter
Fr, 24. Juni
Heute steht CINQUE TERRE auf unserem Programm. Darauf freuen wir uns schon sehr, denn wir waren beide noch nie hier.
Die fünf bunten und malerischen Dörfer reihen sich - an steil abfallende Felsen geschmiegt - an einem ca. 12 km langen klimabegünstigten Küstenstreifen der aneinander. Sie öffnen sich zum Meer hin.
Man besucht sie üblicherweise mit der Eisenbahn. Man kann in jedem Dorf aus- oder einsteigen und zwischen den einzelnen Ortschaften wandern. Es gibt auch Schiffsverbindungen.
Die Region gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe. Sie hat ca. 7000 Einwohner und ist durch einen Nationalpark geschützt.
Ein Shuttlebus führt uns von unserem Campingplatz zur Bahnhof.
Wir haben geplant, unseren Besuch auf zwei Tage aufzuteilen. Heute fahren wir von DEIVA MARINA nach CORNIGLIA mit dem Zug. Während der Fahrt gibt es keine Ausblicke, denn die Trasse wird fast ausschließlich in Tunnels geführt.
Der Ort liegt auf einem Felsvorsprung hoch über dem Meer. Mit einem Shuttlebus gelangen wir ins „centro storico“ mit engen Gassen und vielen Stufen, bunten - übereinander getürmten - Häusern und der alten Kirche San Pietro.
Hier startet unsere ca. zweistündiger Wanderung zurück nach VERNAZZA.
Wir sind so ziemlich die einzigen Wanderer, die Bergschuhe anhaben. Im Reiseführer steht nämlich, dass es sich um richtige Wanderungen handelt, keine Spaziergänge. Die Wege sind zwar sehr schön angelegt und in gutem Zustand, aber mehrmals sind wir recht froh über unser gutes Schuhwerk. Die Wege scheinen eine alte, historische Verbindung zwischen den Dörfern zu sein.
Die Ausblicke auf Weinberge, aufs dunkelblaue Meer - zum ersten Mal auf dieser Reise - und auf hübsche Häusergruppen und kleine Häfen sind ganz wunderbar. Der Oleander, der Ginster, die Opuntien und die kräftig violetten Bougainvilleen blühen prachtvoll.
Auf dem höchsten Punkt des „Blue Path“ gönnen wir uns eine Mittagsrast in einer sehr hübschen Bar. Man scheint direkt auf den Felsen zu sitzen. Und vor uns breitet sich das Ligurische Meer aus.
Ziemlich verschwitzt kommen wir in VERNAZZA an. Der Blick von oben auf die mit schmalen und hohen, bunten Häuschen dicht verbaute felsige Halbinsel mit den terrassenförmig angelegten Gärten am Gegenhang ist besonders pittoresk und belohnt uns für die Mühe. Hübscher geht es kaum. Steile und enge Gassen, die sogenannten „Carrugi“, führen uns hinunter zum Hafen.
Auf dem Wanderweg war nicht so viel los, aber hier im Ortszentrum wuzeln sich die Touristen. Zahlreiche Restaurants und Souvenierläden bieten ihre Dienste an.
Einen kleinen Strand gibt es auch.
Da der Wetterbericht für morgen nicht ganz so gut ist, beschließen wir unsere geplante Schifffahrt schon heute zu machen.
Wir schippern wieder zurück, von wo wir losgewandert sind und darüber hinaus bis nach RIOMAGGIORE. „The sea is a little bit rough“, wie wir erfahren. Ich werfe zwei verschiedenfarbige Tabletten gegen Seekrankheit ein. Der Weg über die heftig nach oben und unten schwankende Gangway ist abenteuerlich. Nachdem alle Passagiere mehr oder weniger blass aus- und eingestiegen sind, applaudieren die Leute im Hafen.
Die Fahrt selber ist nicht so heftig, und mein Magen übersteht sie gut. Die wunderbarsten Ausblicke auf die Ortschaften hat man halt vom Wasser aus, und wir sind sehr froh, dass wir die Fahrt gewagt haben.
Wir haben ja gar nicht geglaubt, dass es noch malerischer geht, aber das hier ist kaum zu übertreffen.
Richtigen Strand gibt es hier keinen, aber die Badegäste liegen auf Felsblöcken herum.
Leider haben wir kein Badegewand dabei, aber der spontane Klaus geht einfach in seiner Unterhose schwimmen und freut sich total über seine eigene Chuzpe. Seine heftige Umarmung danach bringt auch mir Abkühlung.
Eisenbahn und Shuttlebus bringen uns jetzt ganz unspektakulär zurück nach Hause- zum chillen.
Sa, 25. Juni
Heute wird CINQUE TERRE fertig abgearbeitet.
Wandern werden wir nicht, denn der östliche Teil der Wege ist wegen Erdrutschgefahr gesperrt. Mit der Eisenbahn kann man aber schon dorthin gelangen und die Dörfer besichtigen.
Wir fahren also mit dem Zug nach MANAROLA, das älteste der fünf Dörfer . Da waren wir bis jetzt noch nicht.
Ein besonders felsiger und doch pittoresker Ort. Die hübschen turmhohen Häuser drängen sich hier besonders anmutig die Steilhänge hinauf. Immer wieder bieten sich fotogene Ausblicke.
Auf der Hauptstraße stapeln sich die Fischerboote. Es sieht fast so aus, als wären hier statt Autos Boote vor den Wohnhäusern geparkt.
Am Samstag ist offenbar noch mehr los. Die TouristInnen ziehen in Prozessionen durch die Gassen, und wir mit.
Nun wollen wir das Schiff nach PORTOVENERE nehmen. Das gehört zwar nicht mehr zu den Cinque Terre, soll aber sehr malerisch sein. Die Eisenbahn fährt dort nicht hin.
Leider ist die See heute noch rauer als gestern, und der Bootservice fällt daher aus.
Wir müssen also mit dem Zug nach LA SPEZIA fahren und von dort einen Bus in den 13km entfernten Hafen mit dem verheißungsvollen Namen nehmen.
Das Ganze entpuppt sich als eine kleine abenteuerliche Weltreise, die ziemlich viel Zeit in Anspruch nimmt.
Mehrere hilfsbereite Einheimische weisen uns hintereinander den Weg zur richtigen Busstation. Wir kommen gerade zur Abfahrt zurecht und steigen ein. Leider müssen wir erfahren, dass der Fahrer keine Tickets verkauft. Wir beschließen zu hasardieren. Prompt kommen die Kontrolleure. Wir - und noch einige andere TouristInnen - müssen aussteigen. Wir bekommen freundlich und geduldig das System erklärt: App runterladen, Fahrtstrecke auswählen, alle möglichen Daten angeben, schließlich die Kreditkartennummer angeben. Funktioniert eigentlich gut, wenn man weiß, wie’s geht.
Leider müssen wir halt auf den nächsten Bus warten.
Es hat sich eindeutig gelohnt, hierher zu fahren. Der „Hafen der Venus“ ist einer der schönsten Küstenorte Liguriens an der äußersten Spitze einer Landzunge. Die grüne Isola Palmaria ist vorgelagert.
Schon der erste Eindruck ist großartig. Hohe, bunte Hausfassaden flankieren den breiten Hafenkai. Darüber thronen die Mauern eines mächtigen alten Genuesen-Kastells.
Wir gehen durch das Stadttor und spazieren auf dem langen, schmalen Carrugio durch den mittelalterlichen Ortskern.
Am Ende der Gasse steht auf einer Felsspitze über dem Meer die alte Kirche San Pietro.
Sie ist nach Genueser Art schwarz-weiß gestreift. Innen ist sie schlicht und wunderschön.
Wieder einmal geraten wir in die Vorbereitungen für eine Hochzeit. Die Brautleute haben sich hier zweifellos eine ganz besonders schöne Location ausgesucht.
Wir gehen den Uferweg entlang zur Apaia-Grotte hinunter. Sie soll ein Lieblingsplatz
des legendären Lord Byron gewesen sein.
Während unserer Mittagspause in einem kleinen Lokal im Hafen bekommen wir eine Vorstellung von einem ziemlich begabten Akrobatenpaar geboten.
Wir entdecken, dass die größeren Schiffe offenbar doch verkehren und dass es eine Fähre nach La Spezia gibt- als Alternative zur langen, eher öden Busfahrt. Leider fährt sie uns vor der Nase davon.
Da bleibt uns nichts anderes übrig, als auf den Autobus zu warten. Jetzt wissen wir schon, wie man zu einem Ticket kommt, und zu unserer Überraschung gibt es ein Wiedersehen mit unseren Kontrolleuren.
LA SPEZIA selbst ist kaum eine Erwähnung wert. Eine recht hässliche Stadt mit ca. 100.000 Einwohnern. Mag sein, dass sie auch nette Ecken zu bieten hat. Wir kriegen davon jedenfalls keine zu sehen.
Auf die Eisenbahn müssen wir auch wieder warten. Wir steigen in MONTEROSSO aus, damit wir wirklich alle fünf Dörfer abgeklappert haben. Der größte Ort gefällt uns am wenigsten. Zuerst sehen wir nur Hotels und einen typischen Sardinen-Strand mit lauter gleichen Liegestühlen und Sonnenschirmen. Ein Szenario, das wir normalerweise nicht freiwillig aufsuchen würden. Schließlich entdecken wir doch noch einen Aufgang zum Ortskern.
Dann warten wieder einmal, bis der Zug kommt, der uns zurück nach DEIVA MARINA bringt. Und nochmal brauchen wir Geduld, denn der kleine Shuttlebus zum Campingplatz kann nicht alle Wartenden mitnehmen und muss dreimal fahren.
Wir sind richtig geschlaucht und seeehr verschwitzt, als wir endlich wieder zu Hause ankommen. Wir lassen uns auf unserem schattigen Plätzchen in unsere Sessel fallen.
Allerdings nicht ohne vorher unsere Laptops auszupacken.
Meine Freundin Emmi meldet sich. Sie und ihr Mann sind auch gerade mit einem Wohnmobil in Oberitalien unterwegs. Wir machen uns aus, dass wir die beiden morgen auf dem Campingplatz in CREMONA treffen werden. Wir freuen uns schon sehr.
So, 26. Juni
Um unser Rendezvous mit Emmi und Sepp nicht zu verpassen und um trotzdem in PARMA die Dinge anschauen zu können, die uns interessieren, nehmen wir heute wieder die Autobahn. So kommen wir doch wesentlich schneller voran.
Wir verlassen LIGURIEN und sind jetzt in der EMILIA ROMAGNA.
Die Landschaft ist grün, Wälder herrschen vor. Sie erscheint uns nicht so ausgedörrt wie die TOSKANA. Obwohl wir ja gelesen haben, dass in der Po-Ebene große Wasserknappheit herrscht.
PARMA ist eine Großstadt. Sie gehört zu den bedeutendsten Wirtschaftszentren Oberitaliens. Außerdem beherbergt die Stadt eine der ältesten Universitäten des Landes.
Unser „Park4Night“ zeigt auch Tages-Parkplätze an, und so können wir jetzt erfolgreich einem Tipp folgen.
Ins Stadtzentrum ist es nicht mehr weit. Uns fällt auf, dass vieles nach dem berühmten Dirigenten Toscanini benannt ist. Die Recherche ergibt, dass Parma seine Geburtsstadt ist.
Wir wollen vor allem den romanischen Dom Santa Maria Assunta und das Baptisterium sehen.
Die Piazza del Duomo zeigt sich in einer harmonischen mittelalterlichen Gesamtkomposition und gefällt uns gut.
Das Innere der Kirche ist heftig bemalt und barockisiert. Ich würde eigentlich am liebsten flüchten. Aber der Reiseführer hat uns ja ein berühmtes Fresko von Correggio in der Kuppel versprochen. Das versöhnt mich mit dem Rest der Innenraums. Es stellt die Himmelfahrt Mariens dar und hat der Kirche ihren Namen gegeben. Maria im geschürzten durchsichtigen Nachthemd fliegt in den Himmel empor. Man sieht ihr unter den Rock, und sie strampelt mit den Beinen. Wo bleibt den da die Würde ;-)? Uns gefällt das sehr gut, richtig herzig. So nett kann Manierismus auch sein.
Zuletzt entdecken wir noch im rechten Seitenschiff das sensationelle Relief „Kreuzabnahme“ aus 1178 von Benedetto Antelami.
Das Baptisterium mit seinen vier übereinanderliegenden Außengalerien ist innen ebenfalls über und über bemalt. Die Skulpturen, die Menschen bei Arbeiten in der Landwirtschaft und Monatsallegorien darstellen, stammen auch von Antelami, der ja auch den Bau des Baptisteriums betreute.
Nun eilen wir noch zur Nationalgalerie, die im Palazzo Farnese untergebracht ist.
Wir suchen und finden das Portrait des Erasmus von Rotterdam von Hans Holbein und den Mädchenkopf von Leonardo da Vinci „La Scapigliata“= „Die Zerzauste“, die wir unbedingt sehen wollten. Vom absoluten Highlight des Palazzos werden wir überrascht- dem barocken, hölzernen Hoftheater. Man sieht ihm an, dass sein Vorbild das Teatro Olimpico in Vicenza war. Wir sind begeistert.
Im Zweiten Weltkrieg wurde es zerstört. Was wir heute sehen, ist eine naturgetreue Nachbildung aus den 1950-er Jahren.
Jetzt wird es aber Zeit, nach CREMONA auf den Campingplatz zu fahren, damit wir dort noch einen Platz für uns und unsere Freunde bekommen.
Hier scheint alles vollautomatisch vor sich zu gehen. Wie kommt man denn nur durch das Einfahrtstor? Es gibt sogar eine Erklärung auf deutsch, aber der Google-Übersetzer hat offenbar zugeschlagen, und wir verstehen beim besten Willen nicht, was gemeint ist.
Ein anderer Camper, der offenbar irgendwie hineingekommen ist, erbarmt sich unser und verrät uns auch, dass am Abend der Campingplatzbetreiber kommen wird. Die Erklärungen am Bezahlautomaten sind nämlich auch völlig unverständlich.
Es gibt genug Platz, und wir richten uns gemütlich ein.
Ca. um 17h kommt der rote VW-Bus, mit dem Emmi und Sepp unterwegs sind. Sie machen eine Überstellungsfahrt für Emmis Bruder nach Portugal. Ihre Tagesprogramme sind straffer als unsere, weil sie viel weniger Zeit haben, als wir. Umso mehr freuen wir uns, dass wir es geschafft haben, uns zu treffen.
Wir machen gemeinsam einen kleinen Spaziergang in die Stadt und landen in einem netten Restaurant. Zu Hause auf dem Campingplatz sitzen wir noch eine Weile zusammen, plaudern, erzählen und spielen das „Gurkenspiel“, das die beiden mitgebracht haben.
218 km
Mo, 27. Juni
Den Vormittag verbringen wir auch noch gemeinsam und besuchen das Stadtzentrum von CREMONA. Die Stadt liegt in der LOMBARDEI. Der Po, direkt neben dem Campingplatz ist die Grenze.
Hier hängt der Himmel buchstäblich voller Geigen. Seit den 16. Jhd. ist diese Stadt das Zentrum des Violinenbaus in Italien. Stradivari ist ihr berühmtester Sohn.
Auch Monteverdi wurde übrigens hier geboren.
Das historische Zentrum ist klein und kompakt. Der romanische Dom hingegen ist monumental. Daneben steht - wie in Parma - das Baptisterium.
Das Innere des Doms ist ziemlich düster und gefällt uns leider gar nicht. Schon wieder wurde heftig barockisiert. Die goldgerahmten Fresken machen es nicht besser.
Uns interessiert ja ohnehin der mächtige Backstein-Campanile am meisten. Der „Torrazzo“ ist der höchste Kirchturm Italiens. Wir möchten gerne hinaufsteigen, aber leider ist er montags geschlossen.
Also setzen wir uns zum Trost und zum Abschied von Emmi und Sepp in das nette Café auf der stimmungsvollen Piazza del Duomo, direkt vor dem gotischen Palazzo del Comune.
Und dann trennen sich unsere Wege wieder. Im Herbst sind wir schon fix zu einem Risotto bei ihnen eingeladen.
Bei der Weiterfahrt fällt uns auf, dass einige Aufschriften und sogar Ortstafeln zweisprachig sind. Lombardisch ist eine eigene Sprache. Nur mehr wenige Menschen sprechen sie. Daher gibt es Bemühungen, sie wieder zu beleben.
Wir sind nun wieder in der EMILIA ROMAGNA. PIACENZA - auch am Po gelegen - ist unser nächstes Ziel.
Als erstes entdecken wir dort „Il Gotico“. Der gotische Palazzo Pubblico, das große, imposante Rathaus, gilt als Vorbild für zahlreiche italienische Stadtpaläste. Der Platz davor, die Piazza dei Cavalli, ist nach den beiden mächtigen, barocken Reiterstandbildern benannt.
Durch die nette Altstadt-Fußgängerzone spazieren wir nun zum romanischen Dom.
Er ist schon wieder innen aufs heftigste bemalt. Das reicht uns jetzt für heute.
Der ungewöhnlich aussehende gotische Altar gefällt mir allerdings recht gut. Er ist aus Holz und wurde vergoldet.
Die alte Kanzel erinnert uns ein wenig an die von Barga.
Sehr nett finde ich einen Säulenträger am Eingangstor, der auf einem sehr süßen Löwen/Schaf sitzt, der/das ziemlich erstaunt hervorschaut und sich wundert, was ihm da aufgebürdet wird.
Ca. 30km westlich von hier, in BOSNASCO, ist das Weingut, auf dem wir heute übernachten werden. Der Weg dorthin führt durch ausgedehnte Weingärten.
Wie haben hier ein richtiges Badezimmer mit Klo und Dusche zur Verfügung- was für eine Luxus. Es ist ohnehin sooo heiß. Wir stehen hier bei 33° im Schatten, aber immerhin im Schatten = all’ombra.
Bei unseren abendlichen Recherchen stellen wir fest, dass wir nun wieder in der LOMBARDEI gelandet sind.
Natürlich lässt es sich Klaus auch diesmal nicht nehmen, an einer ausgiebigen Weinprobe teilzunehmen.
Heute war Tag 10 nach der Hochzeit und unserem Kontakt zu Maria, die ja an Covid erkrankt ist. Es geht ihr schon viel besser. Wir sind bis jetzt gesund geblieben.
Di, 28. Juni
Die Certosa di Pavia ist ein großer Klosterkomplex des Kartäuserordens.
Schon von weiten sieht man ihre Türmchen über die Bäume ragen. Man hat den Eindruck, auf ein Märchenschloss zuzufahren.
Die figurenreiche Marmorfassade der Kirche stammt aus der Frührenaissance. Sie ist eine der ersten, neben Orvieto, die auf diese Weise gestaltet wurde und zum Vorbild für viele andere, z.B. in Florenz diente.
Verspielt fügen sich zahlreiche Reliefs und Halbreliefs ineinander.
Der hohe gotische Innenraum der Kirche wirkt harmonisch, ist aber etwas dunkel.
Von den zahlreichen Fresken und Gemälden in den Seitenkapellen finden wir den farbenprächtigen „Segnenden Gott Vater“ von Perugino besonders nett. Er scheint mit Engelsköpfen zu jonglieren.
Der Herzog von Mailand ließ die Certosa = Kartause Ende des 14. Jhd. bauen. Er brauchte eine repräsentative Grablege für sich und seine Familie, und die Mönche sollten für sein Seelenheil beten. Das hatte er offenbar bitter nötig.
Danach übernahmen die Sforza die weitere Ausgestaltung, und über 300 Jahre wurde immer weiter ausgebaut und vergrößert.
Kurz nach dem 2. Weltkrieg verließen die Kartäuser die Certosa, und Zisterzienser zogen ein. Seither veranstalten die Mönche Führungen, bewirtschaften die umliegenden Ländereien und finanzieren mit dem Erlös ihre Missionen.
Wir schließen uns einer Führung in italienischer Originalfassung an, denn unbeaufsichtigt darf man den Klosterkomplex nicht besichtigen.
Der Guide macht uns auf einige Grabmäler und auf die feinen Einlegearbeiten des Chorgestühls aufmerksam. Dann führt er uns in die Alte Sakristei mit dem geschnitzten Wandschränken und dem Triptychon aus Elfenbein.
Der Kleine Kreuzgang mit seinen zahlreichen kleinen Terrakotta-Köpfen und dem Brunnen in der Mitte ist recht malerisch. Besonders interessant ist der Große Kreuzgang, der von den einzelnen Häuschen der Mönche - ca. 25 - umgeben ist. Jede dieser Zellen hat einen eigenen Zugang zum Kreuzgang, zwei einfach eingerichtete Zimmer mit einem Ofen und einen eigenen kleinen Garten. Das Essen wurde durch eine Klappe gereicht. Es herrschte ja das Gebot der Einsamkeit und des Schweigens, neben dem des Betens und des Studieren. Für das Arbeiten waren andere Brüder zuständig.
Den Kräuterlikör, den man im Klosterladen kaufen kann, lassen wir aus.
Wir haben uns auf dem benachbarten Parkplatz, der auch als WoMo-Stellplatz dient, niedergelassen und sind mit den Klappräder zur Certosa hinübergefahren. Mit Freude begrüßen wir den Regen, der aber leider nicht lange dauert und nur wenig abkühlt.
In unserer Garage steht übrigens wieder Wasser. Wir haben bereits den Spitznamen „Schwimmbad“ für sie in Verwendung, weil wir sie häufig trocken legen müssen.
46 km
Mi, 29. Juni
Klaus hat Malstunde, daher verbringen wir den Vormittag auf dem Stellplatz und ich kann noch für eine Weile das WLAN genießen.
Leider muss ich feststellen, dass einige Funktionen meiner Apple Watch nicht mehr richtig funktionieren. Da auch ein Neustart nichts hilft, nehme ich sie näher unter die Lupe und entdecke, dass das Glas gebrochen ist. Nach einigen Recherchen im Internet muss ich ich mich schweren Herzens für eine neue entscheiden.
Da trifft es sich gut, dass wir heute nach MAILAND fahren wollen. Wir planen also den Apple Store - gleich beim Dom - als Programmpunkt ein.
Auf der Fahrt dorthin entdecken wir mehrere geflutete Reisfelder- erstaunlich, bei der Trockenheit.
In der Stadt angekommen macht Klaus zum Parken eine Garage ausfindig, deren Einfahrt hoch genug für uns ist. Für unser weiteres Fortkommen bieten sich Klappräder an.
Ganz unbeabsichtigt besichtigen wir die „Colonne di San Lorenzo“. Die 16 antiken korinthischen Säulen aus der Zeit des 2. Jahrhunderts waren wahrscheinlich Teil eines Tempels oder Badehauses. Sie wurden wieder aufgerichtet und schließen jetzt den Vorhof der Kirche San Lorenzo ab. Die Statue des Kaisers Konstantin passt dazu.
Dann fahren wir am unscheinbaren Teatro della Scala vorbei, in dem wir vor acht Jahren eine Vorstellung besucht haben- so lange ist das schon wieder her.
Der weiße Dom steht wunderschön da und beeindruckt uns auch diesmal wieder.
Apple hat seinen Store natürlich auch in dieser Stadt in bester Lage.
Der Umstieg auf die neue Uhr samt Koppelung mit dem Handy funktioniert „painless“ und erfordert doch etwas Geduld, weil das WLAN so langsam ist.
Mit der neuen Zierde am Handgelenk geht es weiter zur Pinacoteca di Brera- benannt nach einem Stadtteil Mailands. Zu unserer freudigen Überraschung kostet der Eintritt mittwochs nur € 1,00.
Den Schwerpunkt der Sammlung bildet die oberitalienischen Malerei der Renaissance und der Barockzeit.
Wir wollen unter anderem das Original der „Vermählung Mariä“ von Raffael sehen. Eine Kopie haben wir ja in Città del Castello in Umbrien gesehen, in der Kirche, für die das Gemälde ursprünglich vorgesehen war.
Mich interessiert hier kaum etwas, aber - wie es über der Tür steht - gehe ich „a occhi aperti“ = mit offenen Augen durch die Ausstellung.
Und ich entdecke doch glatt einen Stierkopf von Picasso.
„Der Kuss“, das berühmteste Bild von Francesco Hayez, einem Künstler der Romantik, gefällt mir auch gut.
Klaus ist begeistert wegen der guten Ausleuchtung und der guten Beschreibung.
Nun müssen wir aber flott zu unserem Auto zurückeilen, um die Parkzeit nicht zu überschreiten.
Dabei radeln wir durch das mächtige, von Zinnen gekrönte Castello Sforzesco aus dem 15. Jhd.- noch eine unbeabsichtigte Besichtigung.
Sogar an der hübschen Skulptur „Nadel, Faden und Knoten“ aus dem Jahr 2000 kommen wir vorbei. Wir kennen sie gut von früheren Besuchen in der Stadt. Sie zeigt eine gigantische Nadel mit einem mehrfarbigen Faden und einen Knoten. Einerseits steht sie für den Knotenpunkt des innerstädtischen Verkehrs, mit den drei Farben der Mailänder U-Bahn. Und außerdem sollen Nadel und Faden eine Hommage an Mailands Arbeit im Modebereich sein.
Wir holen unser Auto ab und sind froh, dass wir wieder aus dem Verkehrsgewühl der Stadt hinauskommen.
Unsere müden Häupter beten wir heute auf dem Stellplatz von BREGNANA, ca. 20km westlich von Mailand.
56 km
Do, 30. Juni
Der Platz war eigentlich sehr angenehm- bis um 6h30 die Müllabfuhr gekommen ist und ziemlich gelärmt hat. Wir drehen uns halt noch einmal um.
Unsere Weiterfahrt führt uns heute nach Westen. Für die Übernachtung haben wir wieder ein Weingut geplant. Ansonsten haben wir uns für diesen Tag kein Programm vorgenommen.
Einige Kilometer wollen wir allerdings bewältigen, also werfen wir uns wieder auf die Autobahn. Neben riesigen Reisfeldern gleiten wir dahin. Da verdunstet jede Menge Wasser.
Kurz darauf verlassen wir die LOMBARDEI und sind jetzt im PIEMONT.
Auch die Po-Ebene haben wir verlassen.
BIELLA scheint ein nettes Städtchen zu sein. Wir machen einen kleinen Spaziergang.
Der Dom - sehr stark barockisiert - ist völlig uninteressant. Das kleine, mittelalterliche Baptisterium ist leider geschlossen.
Bei der Weiterfahrt konzentriert man sich lieber auf die Fahrbahn anstatt zur Seite zu sehen. Da stehen nämlich mit leeren Fenstern still gelegte Fabrikanlagen und Spinnereien. Die Zukunftsaussichten dieser Gegen sind leider ziemlich trüb.
Wir fahren weiter nach COSSATO zu unserem heutigen Bauern, der bezeichnenderweise schon wieder ein Weinbauer ist.
Pietro, der Winzer, ist sehr freundlich und weist uns einen netten Stellplatz im Schatten zu. Er entpuppt sich als Österreich-Fan.
Die Weinprobe ist sogar für mich interessant. Und wir bekommen noch jede Menge Tipps, was wir uns „unbedingt noch anschauen müssen“. Vielleicht werden wir das eine oder andere in unseren Reiseplan einbauen.
Und unser „Weinkeller“ erreicht langsam seine volle Auslastung. Man kann ja auch nicht unhöflich sein und gar nichts kaufen
;-).
127 km
Fr, 1. Juli
In der Nacht hat es heftig gewittert und stark geregnet. In der Früh ist alles wieder trocken, aber es hat erfreulicherweise etwas abgekühlt.
Wir machen heute einen Abstecher, der nicht geplant war, uns aber als sehr interessant erscheint.
Für diesen recht weiten Umweg bietet sich wieder die Autobahn an.
Es geht ins Susa-Tal zur ehemaligen Benediktinerabtei Sacra di San Michele, eines der bedeutendsten Michael-Heiligtümer der Welt. In den 1990er-Jahren wurde es zum „offiziellen Symbol" des PIEMONT erkoren.
600m hoch oben auf einem Berg thront die imposante Abtei, die Umberto Ecco zu seinem Roman „Der Name der Rose“ inspiriert hat. Teile des Films wurden auch hier gedreht.
Wir können mit dem Auto ziemlich hoch hinauffahren, aber das letzte Stück Weges muss man zu Fuß gehen. Und dann steigen wir noch viele hohe Stufen - teilweise aus dem massiven Gestein herausgearbeitet - weiter hinauf.
Das gewaltige Bauwerk ist nämlich direkt in den Fels gebaut. Das rohe Gestein ist sogar im Fußboden der Kirche sichtbar, in der sich Merkmale der Romanik und der Gotik vereinen. Die hochromanischen Steinmetzarbeiten - besonders die der Kapitelle - sind besonders bemerkenswert. Es gibt aber auch einige interessante Fresken.
Der Aufstieg hier herauf hat sich schon allein wegen des atemberaubenden Blicks von der Terrasse gelohnt.
Bereits im Jahre 983 gründeten hier Benediktiner eine Abtei, die mit den Jahren immer weiter vergrößert und zu einer kleinen Gipfelstadt ausgebaut wurde.
In der Mönchschronik aus dem 11. Jhd. steht zu lesen:
„Der Ort ist weit entfernt von Verwirrung und weltlichem Tumult.
Hier stört nicht menschlicher Lärm noch tierisches Gebrüll.
Auf der Ebene mit seiner lieblichen Landschaft und den Flüssen ruht der Blick.
Der Winter ist mild, der Sommer gleich dem Frühling.
Und auch der Herbst birgt keine krankhafte Gefahr.
In solcher Ruhe rufen die Diener Gottes feierlich aus:
Groß ist unser Gott!“
Nach einer Phase der Misswirtschaft musste das Kloster allerdings im 17. Jhd. aufgelöst werden und diente fortan als Festung bis sie im 18. Jhd. von den Franzosen teilweise zerstört - man sieht noch einige Ruinen - und geplündert wurde.
Anfang des 20. Jhd. wurde es für den Tourismus aufbereitet. Man hat sogar - dezent - einen Aufzug eingebaut, um den Besuch auch für Rollstuhlfahrer und Gehbehinderte möglich zu machen.
Sehr stolz ist man hier auf die Tatsache, dass 1991 Papst Johannes Paus II „mit jugendlichem Elan“ die steilen Stufen erklommen hat.
Das tollste an dieser Anlage ist die sehr beeindruckende Außenfassade. Klaus lässt die Drohne steigen. Für genau solche Aufnahmen haben wir sie gekauft.
Wir fahren nun ein Stück des Weges, den wir gekommen sind, wieder zurück. In TURIN wenden wir uns dann nach Norden.
Die Landschaft des Piemont hat durchaus auch ihren Reiz. Alles ist Grün, und man hat die Berge vor sich. Der Name dieser Region bedeutet ja „am Fuß des Gebirges.
Als Übernachtungsplatz steuern wir heute eine kleine Bierbrauerei in CASTELLAMONTE an, um etwas Abwechslung in unsere Verkostungs-Abende zu bringen.
Wir erfreuen uns an den angebotenen Bierproben, bis der wohlbeleibte Chef des Birrificio beginnt blöde, frauenfeindliche Sprüche zu klopfen.
Ich bin sehr froh, dass Klaus es ist, der ihm nichts abkaufen und „von hier wegkommen“ will. Zum Glück entdecken wir in unserem Übernachtungs-App ganz in der Nähe, in VIALFRÈ einen Stellplatz, auf dem wir es uns dann gemütlich machen.
234 km
Sa, 2. Juli
In der Früh erscheinen merkwürdige Typen auf unserem Platz. Wir haben kein gutes Gefühl. Daher legen wir wieder einmal eine Blitzstart hin und hauen ab.
Wir freuen uns über den wolkigen Himmel, der ein nicht zu heißes Wetter verspricht.
Es geht zunächst ca. 40 km nach Osten zum Ricetto di Candelo, eine der bedeutendsten mittelalterlichen Fluchtburgen Europas. Es handelt sich um eine Ansammlung von kleinen, eng beieinander stehenden fast fensterlosen Häusern, umgeben von einer wehrhaften Mauer. In unsicheren Zeiten diente die Anlage als Obdach und um Lebensmittelvorräte vor feindlichen Übergriffen zu schützen. Die Bevölkerung konnte sich bei Gefahr mitsamt ihrem Vieh hierher zurückziehen. Die Gebäude haben massive Tore, die mit großen Riegeln gesichert sind.
Diese ummauerte Stadt in der Stadt aus dem 14. Jhd. ist vollständig erhalten geblieben. Zum Teil wird sie immer noch genutzt. Lokale und Läden sind hier eingezogen. Einige wenige Häuschen scheinen sogar bewohnt zu sein. Man sieht moderne Fenster und Blumenschmuck.
Die Mauer selbst ist auch sehenswert. Sie besteht aus fischgrätenartig angeordneten, mit Zement verbundenen großen Flusskieselsteinen.
Diese Anlage ruft laut und deutlich nach der Drohne, und Klaus lässt sich das nicht zweimal sagen.
Etwas in dieser Art haben wir noch nie gesehen. Es gibt also auch für uns immer noch etwas Neues zu entdecken. Man kann uns immer noch überraschen.
Zu allem Überfluss geraten wir noch in ein Veteranentreffen von Alpini, die wir an ihren kecken Hütchen erkennen.
Und jetzt fahren wir hinauf in die Berge, auf die Panoramica Zegna. Diese 26 km lange Hochstraße mit wunderbarer Aussicht ist nach Ermenegildo Zegna benannt.
Der 1892 geborene, jüngste von zehn Kindern trat als Jugendlicher in die kleine Weberei seines Vaters ein. Er baute das Unternehmen aus. Mit seinen edlen Stoffen beherrschte er bald den Weltmarkt. Seinem kleinen Heimatort TRIVERO spendierte er neben Wohnungen für die Beschäftigten seiner Firma auch Theater, Kino, Bibliothek, Turnhalle und Schwimmbad. Und das, obwohl die wirtschaftliche Lage nach dem Ersten Weltkrieg sehr schlecht war.
Um die Produktivität und die Loyalität seiner Arbeiter zu steigern, kümmerte er sich auch um deren Freizeitgestaltung und Wochenend-Erholung. Die Berghänge der Umgebung waren allerdings zur Brennstoffgewinnung völlig abgeholzt und gar nicht attraktiv.
Der reiche Unternehmer ließ 500.000 Nadelbäume, Rhododendren und Hortensien anpflanzen und begann 1938 mit dem Bau der Panoramastraße.
In den 1960-Jahren kamen Wanderwege, Hotels und Schilifte dazu. So wurde die Oasi Zegna geschaffen, in der auch wir uns heute wohl fühlen.
Der Familien-Betrieb für Herrenmode ist übrigens immer noch äußerst erfolgreich.
Auf unserem Schlafplatz stehen zusammen mit vielen anderen Wohnmobilen auf dem Monte Marchetta in 1467m Höhe.
Ein wunderbar erfrischendes Lüftchen weht. Drachen flattern in der Luft.
Ganz ohne Schwitzen können wir hier unseren Nachmittag und Abend verbringen.
Und in der Nacht werden wir nach langer Zeit wieder einmal unsere Decken benutzen.
Noch einen Vorteil haben die kühlere Temperatur und ein wenig freie Zeit. Klaus-Schanierl entdeckt endlich die Ursache für unsere Garagen-Überschwemmungen und kann sie beheben. Talent und Zeit fürs Basteln und Spaß daran braucht man unbedingt als Wohnmobilist.
81 km
So, 3. Juli
Wir haben wunderbar geschlafen und lassen uns in der Früh Zeit.
Nun geht es die schöne Panoramastraße wieder hinunter, und mit jedem Meter wird es heißer. Viele heroische Radfahrer machen hier heute am Sonntag ihre Trainingsfahrten.
Bald sind wir zum Santuario Madonna del Sasso = „vom Stein“ unterwegs. Der Anblick von unten ist toll. Hoch oben auf dem Felsen sitzt das Kirchlein. Bis 1978 war hier ein aktiver Steinbruch, deshalb geht es gar so senkrecht in die Tiefe.
Die Straße dorthin wird immer abenteuerlicher und enger, und schließlich geht für unser WoMo gar nichts mehr.
Das beschert uns eine nette Wanderung durch das verwinkelte, kleine Bergdorf BOLETO. Uns gefallen die schmalen, mit Flusskiesel gepflasterten Straßen mit den Fahrstreifen in der Mitte. Das Auto der Wahl für die Bewohner ist hier wieder einmal der Fiat Cinquecento.
Als wir das Heiligtum schließlich erreichen, stellen wir fest, dass es auch ein bequeme Zufahrt gibt. Unser GPS möchte halt, dass wir Bewegung machen.
Die Fresken der Barockkirche zeigen gewagte Scheinarchitektur- na ja.
Das Beste ist eindeutig die Terrasse mit traumhafter Aussicht auf den Lago d’Orta und die Isola San Giulio.
Die Abkühlung im See lockt, also fahren wir nun auf dem schnellsten Weg zum Camping Orta in ORTA SAN GIULIO, das auf einer Halbinsel liegt.
Nach dem Schwimmen - Klaus schließt Freundschaft mit einer Wasserschlange - verbringen wir die heißeste Zeit des Tages - 35° im Schatten - mit Haushaltsarbeiten wie Wäsche waschen.
Nach der Siestazeit ziehen wir nochmals los- zu Fuß versteht sich. Es ist allerdings immer noch sehr heiß.
Unvermittelt taucht eine maurisch Villa mit Minarett neben dem Kreisverkehr auf. Sind wir im falschen Film? Nein, es handelt sich um die Villa Crespi, die der Unternehmer dieses Namens Ende des 19. Jhd. als Zweitwohnsitz errichten ließ. Er war mit der frühindustriellen Textilherstellung reich geworden. Heute ist in dem reich verzierten Gebäude ein Luxushotel untergebracht.
Wir wandern - in der Hitze - steil bergauf zum Sacro Monte. Rund um das Franziskanerkloster wurden im 16. Jhd. 21 Kapellen errichtet, die mit lebensechten Terracotta-Figuren und bunten Bildern vom Leben des Hl. Franziskus erzählen. Sie sollten in ihrer Entstehungszeit eine Schmalspur-Pilgerreise darstellen, statt Rom oder Jerusalem sozusagen.
Es gibt mehrere heilige Berge in dieser Art in Italien. Aus für uns nicht nachvollziehbaren Gründen gehören sie zum UNESCO Weltkulturerbe. Wir haben jedenfalls nach drei Kapellen genug gesehen und haken den Ausflug hierher als Wanderung ab. „Wir müssen eh fürs Matterhorn trainieren“, meint Klaus augenzwinkernd.
Wir steigen wieder ins Tal ab und landen in der Altstadt des reizenden Ortes. Das historische Rathaus mit seinen verblassten Wandmalereien an den Außenwänden und ihrer nach allen vier Seiten offenen Loggia gefällt uns besonders gut.
Die Boots-Anlegestelle am See ist nicht weit, und wir schiffen uns zur kleinen Insel San Giulio ein.
Die tropfenförmige, dicht bebaute Insel ist ca. 200m lang und an ihrer dicksten Stelle 150m breit. Man flaniert durch schmale, verwinkelte Gassen. Nichts ist touristisch verschandelt.
Die ehemals romanische, barockisierte und reich bemalte Kirche birgt einen Schatz, die Kanzel aus dem frühen 12. Jhd. aus graugrünem Serpentin-Marmor. Die vier Evangelisten-Symbole sind dargestellt und Szenen des Kampfes zwischen Gut und Böse. Wilde Tiere mit gefletschten Zähne sind zu sehen. Da spielt’s sich’s ordentlich ab.
Schon allein ihretwegen hat sich die Überfahrt gelohnt.
In der Krypta liegt der - historisch nicht belegte - Hl. Julius begraben. Die Insel ist nach ihm benannt. Einst ruderte er auf seinem Mantel herüber und besiegte Ungeheuer und Schlangen. Nun liegt er im gläsernen Schneewittchensarg.
Für heute bleibt uns noch die Rückfahrt aufs Festland und der Fußmarsch nach Hause.
Bei strahlendem Sonnenschein überrascht uns ein Regenguss, der aber leider keine Abkühlung bringt und das Leben auf dem Campingplatz und am Strand überhaupt nicht beeinträchtigt.
Das ist unser letzter Abend in ITALIEN, den wir mit einem Gläschen Wein genießen.
88 km
Mo, 4. Juli
Wir verbringen den Vormittag auf dem Campingplatz. Klaus hat Lust zu malen.
Es regnet immer wieder ein bisschen.
Gegen Mittag ziehen wir wieder los.
Uns hat es hier am Lago d’Orta sehr gut gefallen. Der Campingplatz war auch perfekt.
Der See ist ein bisschen kleiner als der Wörthersee. Früher hatte er eine noch größere Bedeutung als der 10x so groß Lago Maggiore, weil er direkt auf dem Weg zum Simplon-Pass liegt. Da wollen heute auch hin.
Pietro, unser netter Weinbauer aus Cossato hat uns ja diesen See auch ganz besonders ans Herz gelegt.
Jetzt freuen wir uns schon sehr auf die SCHWEIZ. Die hohen Berge sind schon ganz nahe.
Nach ca. eineinhalb-stündiger Fahrt passieren wir die Grenze und reisen in das WALLIS ein.
Alles wirkt sofort sauberer und ordentlicher. Oder ist das nur ein Vorurteil?
Da gibt es doch tatsächlich ein Dorf namens GABI. Natürlich müssen wir das Ortsschild fotografieren und meiner Freundin Gabi schicken.
Unser WoMo klettert brav die Bergstraße zum Simplon-Pass hinauf.
Jetzt stehen wir auf 2005m Höhe, unterhalb eines Gletschers, neben einem Wasserfall. Die Sonne scheint, und es hat 20°.
Das Idyll wird nur kurz von einem heftigen Gewitter unterbrochen.
Statistische Überlegungen: Wir sind auf dieser Reise bis jetzt genau 6000km gefahren, darunter 5000km in Italien.
Später am Abend kommt das Unwetter mit Gewalt und Hagel zurück. Da ist es schaurig schön einen Film anzuschauen: „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“.
90 km
Di, 5. Juli
In der Nacht war es recht kühl. Wir mussten das warme Schlafgewand und die dickeren Decken hervorkramen.
In der Früh erscheint ein reizendes Schweizer Mädel und kassiert 4 Fränkli Kurtaxe fürs Übernachten. Ist die jetzt extra raufgefahren?
Jedenfalls scheint die Sonne, die Nebel heben sich und es zeigt sich uns ein herrliches Bergpanorama.
Unser erster Weg führt uns nach BRIG ins Elektonik-Geschäft. Wir müssen uns eine Internet-Karte kaufen. Schließlich sind wir nicht mehr in der EU. Etwas Bargeld müssen wir uns auch beschaffen.
Unser GPS muss uns vorher aber unbedingt das Stadtzentrum zeigen und führt uns in die Fußgängerzone. Gott sei Dank gelingt es Klaus zu entkommen, bevor wir ein Verkehrschaos heraufbeschwören.
Gerüstet für die Schweiz machen wir uns auf den Weg nach TÄSCH. Dort endet der Autoverkehr, und man muss mit dem Zug nach ZERMATT weiterfahren.
Einen kurzen Schreck beschert uns die Tatsache, dass der Vispataltunnel gesperrt ist. Nach intensivem Kartenstudium findet Klaus eine andere Anfahrtsmöglichkeit, die an schönen, alten Höfen mit Schieferdächern vorbeiführt. Wir fahren durch das Mattertal. Der Fluss heißt Matt, und nach ihm sind einige Ortschaften, z.B. ja auch Zermatt, und nicht zuletzt das Matterhorn benannt.
Den Tipp aus unserem WoMo-Reiseführer, dass man bei einem Taxi-Unternehmen in TÄSCH für kleines Geld im Hinterhof übernachten kann, nehmen wir dankbar an.
Gleich gegenüber ist die Bahnstation, und wir erwischen gerade den Zug nach ZERMATT. Der mondäne Fremdenverkehrsort ist uninteressant. Fast jedes - auf Berghütte getrimmte - Haus ist ein Hotel, und es gibt zahllose teure Geschäfte und Restaurants. Positiv ist natürlich, dass es keine Autos gibt, nur E-Taxis.
Von hier geht die Zahnradbahn hinauf zum Gornergrat- von 1600m auf 3089m. Kaum sind wir eingestiegen, zeigt sich uns bereits wunderschön das Matterhorn (4498m). Klaus’ Bubentraum geht in Erfüllung.
Bei strahlendem Sonnenschein und wunderbarer Sicht auf die fantastische Bergkulisse des Monte-Rosa-Gebiets mit den schneeweißen Gletschern machen wir eine Wanderung zum Riffelsee, in dem sich der dreieckige Berg spiegelt. Klaus zeigt zeigt vollen Körpereinsatz, um die Spiegelung vollständig fotografieren zu können. Er zieht Schuhe und Socken aus und steigt in den See.
Wir wandern weiter über den Riffelberg. Es macht Spaß wieder einmal im Hochgebirge ein wenig in den Felsen herumzuklettern.
Bei der nächsten Station steigen wieder in die Bahn, die uns ins Tal zurück führt.
Während der ganzen Wanderung hatten wir volle Sicht aufs Matterhorn und zu unseren Füßen viele bunten Alpenblumen, z.B. den kleine Enzian in seinem unbeschreiblichen Blau. So toll habe ich mir diesen Ausflug gar nicht vorgestellt.
Mit dem Zug geht es zurück nach TÄSCH und zu unserem WoMo, wo wir wie jeden Abend sofort hinter unseren Bildschirmen verschwinden.
78 km
Mi, 6. Juli
Wir verlassen den Hinterhof von letzter Nacht und suchen uns ein hübscheres Plätzchen in der Sonne für Frühstück und Malstunde.
Dann fahren wir ein kleines Stück nach Norden ins ausgeprägte Trogtal der Rhône und folgen dem Fluss abwärts nach Westen.
Wir gleiten durch ausgedehnte Weinberge und Obstplantagen.
Nach einem kleinen Umweg erwartet uns ein bizarres Naturphänomen, die großen, grauen Stein-Lehm Pyramiden von EUSEIGNE. Was aussieht wie das Werk eines genialen modernen Künstlers sind Relikte von abziehenden Gletschern am Ende der letzten Eiszeit, vor ca. 10.000 Jahren. Wie eine geschwungene Mauer unterschiedlicher Höhe sieht das aus. Die besondere Form ist durch Bodenerosion entstanden. Immer dort, wo ein harter Stein obenauf liegt, blieb ein Turm stehen. Rundherum ist alles abgewittert. Der Erosionsprozess ist natürlich weiter im Gang. Wind, Wasser und Frost zerbröseln die betonartige Masse weiter. Wenn die Steinkappen abgestürzt sind, geht dieser Vorgang mit doppelter Geschwindigkeit vor sich. Wow, wäre das ein Kunstwerk, es würde mir sehr gut gefallen. Wir sind von diesem Anblick jedenfalls begeistert.
Nach dem lohnenden Abstecher geht es weiter nach SION (= SITTEN), der Hauptstadt des WALLIS. Und wir sind mitten drin im französischsprachigen Teil der SCHWEIZ.
Wir halten zunächst Siesta mit Malen, Lesen und Schlafen. Es ist doch wieder recht heiß geworden. Um 17h ziehen wir zu Fuß los.
Der ziemlich großen Stadt würde man zunächst die sehr nette, verwinkelte Altstadt gar nicht zutrauen. Über schmale, malerische Gassen und Treppen, die teilweise in den Felsen hineingeschlagen wurden, geht es hinauf zu den beiden Burgen. Die eine ist eine Ruine, die andere, das Château de Valère mit der Basilika Notre Dame wurde liebevoll restauriert. Die romanische Wehrkirche beinhaltet neben Fresken einen Lettner aus dem 12. Jhd. und die älteste bespielbare Orgel der Welt aus dem 15. Jhd.
Auch einen Kräutergarten beherbergt die Burganlage.
Wir steigen wieder hinunter in die Stadt. Eine schöne Natursteinkapelle steht auf halber Strecke.
Wie wir so durch die Gassen schlendern und immer wieder neue Blickwinkel entdecken, fällt uns auf, dass alles noch stimmungsvoller und pittoresker wirkt, weil es überall sauber ist und die Häuser restauriert sind.
Es ist eben doch kein Vorurteil. Die Schweiz ist eine schönes, sauberes Land.
Auch die Straßen sind gut, und alles funktioniert. Das kostet halt einiges. Der Diesel kostet z.B. bis zu € 2,47.
In Deutschland und Italien sind wir unter € 2,00 geblieben.
Wir suchen nun unseren Schlafplatz auf. Der Gratis-Stellplatz einige Kilometer weiter westlich bietet sogar einen Badesee.
111 km
Do, 7. Juli
Die Gratis-Nacht haben wir sehr genossen.
Nach den üblichen Morgenritualen folgen wir weiter der Rhône nach Westen.
Viele Marillenplantagen begleiten uns entlang der Straße, und immer wieder werden an Standeln „Abricots de Valais“ (= aus dem Wallis) angeboten.
In MARTIGNY besuchen wir die Fondation Pierre Giannada, die der Fotoreporter und Bauunternehmer Léonard Giannada (*1935) in Gedenken an seinen Bruder, der bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam, gestiftet hat.
Viele geniale Fotos von seinen Reisen in ferne Länder aus den 1950er bis 1970er-Jahren können wir bewundern.
Ansonsten ist das Museum eine bunte Mixtur von Kunst und Geschichte.
Es bietet eine Ausstellung über die gallisch-römische Vergangenheit der Stadt und ein tolles Automuseum. Die älteste Karosse stammt aus 1897. Die sieht noch ganz wie eine Kutsche aus. Das jüngste Modell ist ein Rolls-Royce aus 1939.
Neben einer Kunstgalerie und Fotoausstellungen ist das Highlight ein sehr schön angelegter Skulpturengarten mit Werken namhafter Künstler. Wir entdecken zum Beispiel Joan Miró, Niki de Saint Phalle, Auguste Rodin, Henry Moore und Alexander Calder inmitten von blühenden Büschen, Teichen, Kastanien- und Marillenbäumen.
Trotz der wilden Mischung, die wir hier gesehen haben, empfanden wir das Museum als sehr stimmig. Uns hat es hier sehr gut gefallen.
Die ganze Stadt MARTIGNY atmet Kunst. Auch in den Kreisverkehren stehen beschriftete Plastiken, gleichsam als Erweiterung des Skulpturengartens.
Nun wechseln wir den Kanton- es gibt übrigens 23, ganz schön viele für dieses kleine Land. Wir sind jetzt in WAADT (franz. VAUD).
Vor uns türmt sich das Gebirge auf. Die mächtigen Berge waren imstande, die Rhône umzulenken. Da ist offenbar auch der Gletscher ums Eck geflossen. Wir folgen jedenfalls dem Fluss weiter und fahren jetzt nach Norden zum Genfer See.
Das berühmteste Bauwerk der Region ist das Château Chillon. Auf einer Felseninsel steht es praktisch im Lac Léman. Die Grafen von Savoyen eroberten im 12. Jhd. diese Gebiet und errichteten rund um den See eine Reihe von Burgen. Lange blieb Chillon uneinnehmbar. Erst mit dem Aufkommen von Feuerwaffen wurde sie von den Bernern im 16. Jhd. doch erobert.
Uns genügt die Außenansicht. Wir fahren weiter und suchen uns einen schattigen Platz für die Siesta.
Es ist sehr angenehm, im Schatten zu chillen, aber seit wir in der Schweiz sind, sind die Temperaturen zwar sehr warm, aber gut aushaltbar.
Am Nachmittag fahren wir weiter nach CORSIER-SUR-VEVEY, in der Nähe von MONTREUX, wo Charlie Chaplin (1899-1977) ab 1952 mit seiner Frau Oona und ihren acht Kindern lebte. In der McCarthy-Ära war ihm nach einem Auslandsaufenthalt die Rückreise in die USA verweigert worden. Er stand in Verdacht, Kommunist zu sein. Sein Herrenhaus kann besichtigt werden und ist nun Teil des Museums „Chaplin’s World“.
Die Räume sind authentisch eingerichtet, und eine Kombination von alten Dokumenten, lebensechten Wachsfiguren und Filmsequenzen füllen die alte Villa und ihre große Parkanlage mit Leben. Im sogenannten Studio wurden sehr liebevoll Filmsets aus den berühmtesten Filmen des großen Künstlers aufgebaut- samt vielen Details und Wachsfiguren. Es macht Spaß, darin herum zu spazieren.
Wir verlassen VEVEY, wo sich übrigens auch der Hauptsitz der Firma Nestlé befindet.
Jetzt brauchen wir noch einen Schlafplatz. „Park4Night“ empfiehlt uns einen Gratis-Parkplatz in PULLY, direkt am See.
105 km
Fr, 8. Juli
In der Nacht hat es ziemlich gestürmt, was uns immer wieder aufgeweckt hat.
Jetzt freuen wir uns schon auf LAUSANNE, die Hauptstadt des Kantons WAADT.
Die Stadt wurde auf einem Felsen hoch über dem See erbaut. Es geht also steil hinauf. Wie parken auf dem Park&Ride-Platz im Vorort OUCHY - beim Yachthafen - und nehmen die U-Bahn ins Zentrum hinauf- ganz schön steil.
Weitgehend autofrei, allerdings treppauf, treppab durch steile Gassen kann man durch die Stadt flanieren. Für Klaus’ Fotografenauge ist die Fußgängerzone allzu sauber und aufgeräumt. Schließlich wird hier die Straße mit dem Staubsauger gereinigt.
Ich finde auch, dass das Flair fehlt, das ich mir von dem klingenden Namen erhofft habe.
Das 140.000 Einwohner zählende LAUSANNE wird im Reiseführer als eine der kleinsten und schönsten Großstädten der Welt beschrieben. Was die Schönheit betrifft können wir das nicht nachvollziehen.
Die Kathedrale aus 13. Jhd. ist leider gerade stark eingerüstet, und es gibt praktisch keinen Domplatz davor. Innen gefällt uns die große gotische Kirche dann doch recht gut.
Auf der Suche nach einer Buchhandlung, weil wir eine Landkarte kaufen wollte, geraten wir nun doch in eine sehr nette Ecke der Stadt. Die Place de la Palud mit dem bunten Gerechtigkeitsbrunnen wird durch Cafés und Marktstände recht lebendig. Außerdem kommen wir auch noch an einem Flohmarkt vorbei.
Länger brauchen wir hier nicht bleiben. Wir steigen in die nächste U-Bahn und fahren wieder hinunter zum See und zu unserem Auto.
Für heute haben wir eindeutig genug Stadtluft geschnuppert. Wir fahren durch grüne Hügel mit Weinbergen, Getreide- und Sonnenblumenfelder. Vor uns tauchen in der Ferne wieder hohe Berge auf, und ganz hinten, strahlend weiß und gewaltig, der Mont Blanc, den wir vor Jahren auf einer wunderschönen Wanderwoche zu Hälfte umrundet haben.
Im Arboretum von ARBONNE mit seinen 4000 Baumarten, teilweise beschriftet, die auf 200ha verteilt sind, kann man nach Herzenslust wandern. Teiche und einen Stausee gibt es auch. Und die Temperaturen sind wieder sehr angenehm.
Ein richtiges Highlight ist für uns ein Riesen-Mammutbaum, ein Sequoia, wie wir ihn aus Kalifornien, der Sierra Nevada kennen. Ein ganz „kleiner Riese“ ist das hier, vielleicht 25m, im Vergleich zum „General Grant“, der über 80m hoch ist und einen Durchmesser von fast 1m hat. Aber dieses Riesenbaby hier ist viel schöner, ein perfekter Kegel.
Bevor wir unseren Platz für die Nacht aufsuchen, machen wir einen Abstecher nach FRANKREICH. Das ist fast kein Umweg, und wir füllen unseren Tank und unseren Vorratsschrank um wesentlich weniger Geld als in der Schweiz. Erstaunlicherweise gibt es keinerlei Grenzformalitäten, obwohl es doch eine EU-Außengrenze ist. Nur ein Schild steht hier.
Wieder in die SCHWEIZ zurückgekehrt, folgen wir wieder unserem Lieblings-App und finden einen schönen Schlafplatz im Wald, bei LA BÂTIE.
Den Kanton haben wir in der Zwischenzeit auch gewechselt. GENF (franz. GENÈVE) ist nur ein ganz kleiner.
86 km
Sa, 9. Juli
So nett hat unser Schlafplatz ausgesehen. Aber leider haben uns einige wütende Hunde immer wieder aufgeweckt, und ein Hahn in der Nachbarschaft hat sein Übriges getan.
Wir sind also in der Früh nicht ausgeschlafen.
Natürlich machen wir uns trotzdem auf den Weg- auf einer sehr schönen Strecke am See entlang, wo in den Yachthäfen die Segelboote schaukeln.
Dann wenden wir uns nach Norden.
Inzwischen haben wir den winzigen Kanton GENÈVE wieder verlassen und sind längst wieder in WAADT.
Der Parc Jura Vaudois scheint eine Art Bioshärenpark zu sein. Es führen Straßen durch, und es gibt Ortschaften und Landwirtschaft. Der Naturpark wir als Wanderparadies beschrieben, mit einsamen Wäldern, mystischen Mooren und zerklüfteten Karstfelsen.
Bis jetzt haben wir noch nichts davon mitbekommen.
Südlich von uns, jenseits des Genfer Sees zieht sich nun als gezackte Horizontlinie der Zug der Westalpen mit seinen Viertausendern neben uns entlang. Der Blick auf den Mont Blanc ist auch heute wieder wunderschön.
Wir machen Halt in ROMAINMÔTIER, dem „zehntschönsten“ Ort der Schweiz, nach einer Rankingliste, die Klaus im Internet gefunden hat. Wer diese Reihenfolge bestimmt hat, keine Ahnung. Und gefällt gleich zu Anfang das rote Dächermeer mit den hohen Rauchfängen. Das kleine Dorf besteht zur Gänze aus alter Bausubstanz. Es wird beherrscht vom großen ehemaligen Kloster nach dem Vorbild von Cluny. Seine Blütezeit hatte es vor über 1000 Jahren. Zwischen 990 und 1030 wurde die wunderschöne Stiftskirche gebaut. Sie ist beinahe unverändert geblieben. Das gotische Kreuzrippengewölbe im ansonsten romanischen Kirchenschiff ist bunt bemalt, und auch der Altarraum wurde frühgotisch umgestaltet.
Beim Betreten des Innenraums rufen wir beide “Wow“. So schön ist er.
Man kommt sich fast vor, wie aus der Zeit gefallen. Ich erkläre diese hier spontan zu einer meiner Lieblingskirchen.
Heute ist sie reformierte Pfarrkirche und ein Ort der Ökumene. Von beiden Richtungen des christlichen Glaubens wird sie für Gottesdienste verwendet, und es finden auch Konzerte statt.
Auch sonst scheint das Dorf zu leben. Und es ist gar nicht touristisch überrannt.
Auf unserer Weiterreise werden wir kurz vor LE PONT auf dem COL DE MOLLENDRUZ von einer Straßensperre gestoppt. Alles ist beflaggt, und es herrscht Jahrmarktstimmung.
Die Tour de France ist über uns hereingebrochen.
Da hier ohnehin kein Weiterkommen ist, stellen wir uns zu anderen Autos und Wohnmobilen in eine der zahlreichen Parkbuchten an der Straße und halten eine ausgedehnte Mittagsrast. Die Schaulustigen haben es sich hier auf Campingsesseln und mit Jause gemütlich gemacht. Das können wir auch.
Wir sind auch neugierig auf das Spektakel, dessen Zeuge wir jetzt so unvermutet werden. Wir haben ja so etwas noch nie erlebt.
Immer wieder fahren Lautsprecherwagen an uns vorbei. Rollende Kioske verkaufen Sonnenschirme und Kapperln. Ein Hubschrauber kreist über uns.
Als Polizisten auf Motorrädern mit Blaulicht vorbeikommen, scheint es ernst zu werden.
Nein, „ernst“ ist nicht der richtige Ausdruck. Wie bei einem Faschingsumzug rauschen knallbunte, mit Werbeaufschriften versehene, aufs Kreativste aufgeputzt Fahrzeuge vorbei. Kleine Werbegeschenke werden den Wartenden entlang der Straße zugeworfen.
Auch wir können einige fangen. Obwohl wir fast nichts von dem Zeug brauchen können, macht die Jagd Spaß. Wir behalten einen Bio-Keks, ein Säckchen Löskaffee und einen Bleistift. Den Rest verteilen wir an andere Zuschauer.
Nach zwei Stunden fragen wir uns, ob vielleicht auch noch ein paar Radfahrer kommen werden. Wir müssen noch eine ganze Weile warten, bis endlich der Peloton (= der große Knäuel), bestehend aus ca. 100 Sportlern - auftaucht. Klatschen, aufmunterndes Rufen und Fahnen schenken, schon ist alles ganz schnell wieder vorbei. Die haben ja auch ein ordentliches Tempo drauf, bis zu 50kmh.
Die Menschen um uns herum beginnen, zusammenzupacken. Also machen wir das auch.
Wenn das Putzfahrzeug kommt, wird die Straße wieder freigegeben, heißt es.
Es dauert aber noch ziemlich lange, bis die gesamte aufwändige Infrastruktur weggeräumt ist.
Über sechs Stunden waren wir jetzt hier, und das Vorbeirauschen der Radler hat nur einige Minuten gedauert.
So, endlich ist die Straße frei, aber es gibt noch weitere Straßensperren und Umleitungen zu bewältigen.
Der idyllische, kleine Lac Joux taucht auf. Hier hatten wir ursprünglich unsere Mittagsrast geplant. Aber die Siesta ist anders verlaufen, als in unseren kühnsten Träumen erwartet. Wir hatten jedenfalls unseren Spaß.
Zu unserem heutigen Schlafplatz in VALLORBE - der Fluss heißt Orbe - ist es nun gar nicht mehr weit. Es ist das Restaurant, das zum eigentliche Jurapark gehört. Bären, Wölfe, Luchse, Bisons und Przewalskipferde leben hier in einem großen naturnahen Gebiet.
Der hiesige Parkplatz ist beim Schweizer Bauernleben „swiss terroir“ registriert.
Die Fahrerei, besonders der letzten Kilometer, war für Klaus besonders stressig. Ich lade ihn zum Dank ins Lokal zum Essen ein. Es gibt stilgerecht Rösti. Den Bisonbraten lassen wir lieber weg.
Mal sehen, ob wir uns den Tierpark vielleicht morgen geben werden. Für heute haben wir genug erlebt.
89 km
So, 10. Juli
Wir sind wunderbar ausgeschlafen.
Den Tierpark streichen wir, denn wir wollen heute noch eine andere Wanderung in einer Schlucht machen.
Wir sind ganz überrascht, dass uns das GPS schon wieder durch FRANKREICH führt.
Da kaufen wir gleich nochmals ein - der Supermarkt hat sonntags geöffnet - und machen unseren Tank nochmals voll.
Zurück in der SCHWEIZ haben wir wieder den Kanton gewechselt: NEUCHÂTEL (= Neuenburg).
Außerdem ist die Grenze eine Wasserscheide zwischen Rhône und Rhein.
Vor uns taucht der Lac de Neuchâtel (= Neuenburger See) auf, wunderschön türkis.
Das ist der größte See, der vollständig in der Schweiz liegt.
Unmittelbar vor der Stadt Neuchâtel biegen wir zur Gorge d’Areuse ab. Wir machen eine sehr schöne Wanderung in der kühlen Schlucht des Flüsschens Areuse.
Der Weg ist sehr schön angelegt. Damit wir nicht auf derselben Route zurückgehen müssen, wählen wir einen Pfad, der durchs „Unterholz“ führt. Da ist offenbar schon lange niemand mehr gegangen, er ist nämlich ziemlich zugewachsen. Außerdem führt er ziemlich knapp am Abgrund entlang. Ein bisschen Kletterpartie ist auch dabei.
Da wir wieder heil zum Auto zurückgekehrt sind, finden wir dieses kleine Abenteuer lustig.
Eigentlich wollen wir uns die Altstadt von NEUCHÂTEL anschauen, aber hier gibt es offenbar keine Parkplätze, die lang genug für uns sind. Nach mehreren Versuchen geben wir es auf. Die wollen uns hier offenbar nicht. Wir haben eh schon sooo viele malerische Altstädte gesehen.
Nach einer gemütlichen Mittagspause suchen wir unseren heutigen „Bauern“ in BOUDEVILLIERS auf. Es handelt sich schon wieder um ein Restaurant, diesmal sogar mit Hotel.
102 km
Mo, 11. Juli
Auf der Fahrt nach MURTEN (= MORAT) fahren wir durch Gemüse-, Getreide- und Sonnenblumenfelder. Den Wein- und Obstbau haben wir hinter uns gelassen.
Für unser Frühstück sorgt ein sehr nettes Bio-Delikatessengeschäft, in dem wir unter anderem köstliches Brot kaufen. Wir werden in feinstem Schwyzerdütsch beraten.
Von der ganz besonders hübschen Altstadt sind wir hellauf begeistert. Wir treten durch das Berntor ein.
Hier ist das meiste auf deutsch angeschrieben, manches auch auf französisch oder zweisprachig. Der Kanton FREIBURG
(franz. FRIBOURG) ist nämlich ein offiziell zweisprachiger Kanton.
Nun steigen wir auf die Stadtmauer - „Ringmauer“ genannt - hinauf, spazieren auf dem Wehrgang über den Dächern der Stadt und schauen zum Murtensee hinüber.
Nach dem Abstieg wandern wir noch ein wenig durch Straßen mit alten Häusern. Gegenüber des Rathauses entdecken wir einen originellen Brunnen, der anstatt mit Blumen mit Essbarem geschmückt ist, Pflücksalat, Erdbeeren, Löwenzahn, usw. Können sich Passanten da bedienen? Auf einem alten Schild steht, dass der Brunnen nicht verunreinigt werden darf, und dass „Meister für ihre Dienstboten verantwortlich“ sind.
Schließlich landen wir vor dem Schloss Murten, dass eigentlich eher wie eine Burg aussieht. Heute sind in dem Gebäude einige Ämter untergebracht. Der Innenhof gefällt uns gut.
Unser nächster Programmpunkt ist AVENCHES mit seiner gut erhaltenen römischen Arena in der es immer noch Aufführungen gibt. Na ja, eigentlich ist nur ganz wenig erhalten, das meiste wurde ergänzt.
Zur Römerzeit, war AVENTICUM die bedeutendste Stadt auf Schweizer Boden.
Für diesen kaum lohnenden Abstecher sind wir nach WAADT (franz. VAUD) zurückgekehrt.
Nach der gemütlichen Mittagspause ist wieder eine hübsche Altstadt dran, LA NEUVEVILLE (deutsch NEUENSTADT), das „siebtschönste“ Dorf der Schweiz nach Klaus’ Internet-Rankingliste.
Es liegt im Kanton BERN (franz. BERNE). Der große Zentralkanton ist auch zweisprachig.
Einige Straßenzüge sind wirklich bemerkenswert. Fast alle Häuser haben im Dachgeschoß eine Umlenkrolle. Früher wurde mit Flaschenzügen Fracht in die Dachböden hinaufgezogen. Mich erinnert das ein wenig an Amsterdam.
Der Fotograf Klaus ist besonders von den Farben sehr angetan.
Zwei bunte Brunnen erheitern uns. Auf dem einen ist z.B. ein Löwe mit Muskete dargestellt.
Jetzt geht es - vorbei am Bielersee (franz. Lac de Bienne) - nach BIEL (= BIENNE) Wir parken in der Nähe des Zentrum und fahren mit den Klapprädern zum Kieser-Training. Die lange Pause spüre ich schmerzlich.
Klaus hat ganz andere Schmerzen. Ihn plagt ein Backenzahn. Zum Glück kann er noch für heute eine Zahnarzttermin ergattern- noch dazu bei einem deutschsprachigen Zahnart, der sogar in Wien studiert hat.
Der Plagegeist wird rausgezogen- das war zu erwarten. Und Klaus ist erleichtert und froh, sich nicht tagelang unnötig gequält zu haben.
Jetzt sind es nur mehr rund 20km zu einem von „Park4Night“ empfohlenen Schlafplatz. Er liegt versteckt und einsam in BALM BEI METTEN hinter einem Schießstand. Davon gibt es viele in der Schweiz, weil ja jeder Eidgenosse sein Gewehr im Kasten hat.
Pinkeln im Freien bei Vollmond, sooo romantisch.
119 km
Di, 12. Juli
Heute machen wir einen Ruhetag und geben Klaus Wunde im Mund etwas Zeit zum Heilen.
Wir fahren also nur auf den Campingplatz Waldegg in BURGDORF. Bis dahin ist es nicht weit.
Die Häuser in dieser Gegend - oftmals Fachwerkhäuser - haben weit hinuntergezogene Walmdächer, in die vorne eine halbkreisförmige Rundung ausgeschnitten ist.
Alles ist hier auf deutsch angeschrieben, aber der hiesige Dialekt ist völlig unverständlich. Vor uns taucht das Berner Oberland auf, mit Mönch Eiger und Jungfrau. Gleichsam als Verheißung. In einer Woche werden wir ja in diesem Gebiet wandern.
Berühmte Schigebiete gibt es dort, deren Namen man von internationalen Schirennen kennt: Wengen, Grindelwald, Adelboden.
Eine sehr schmale Brücke, Klaus schafft das, über die Emme - wir sind im Emmental - ist der einzige Zufahrtsweg zum sympathischen, schattigen Wiesenplatz, direkt am Fluss, mit Blick auf die Burg und - ganz was Besonderes - mit hervorragendem WLAN.
Nachdem alle Updates gemacht sind, warten Wäsche waschen und Putzarbeiten auf uns, die übliche Routine. Und Klaus malt sein Bild fertig.
Am Nachmittag schnappen wir uns die Räder und gehen auf Erkundigungstour.
Alles kommt ganz anders.
Klaus stürzt mit dem Fahrrad -> Krankenwagen, Krankenhaus Emmental: Gehirnerschütterung, rechtes Handgelenk gebrochen, linker Ellbogen angeknackst, Platzwunden im Gesicht.
Mein armer Schatz muss über Nacht im Krankenhaus bleiben.
Die junge Ärztin und die Pflegerinnen sind sehr nett. Aber wir müssen sie immer wieder bitte, hochdeutsch zu sprechen, weil wir sie sonst kaum verstehen.
Zum Campingplatz zurück ist es nicht weit. Ich kann zu Fuß gehen- auch eine Möglichkeit, auf Erkundigungstour zu gehen :-(.
Merkwürdig, so ganz allein im Wohnmobil. Klaus fehlt mir.
Mi, 13. Juli
Zu meiner Freude taucht Klaus kurz nach 8h auf. Sie haben ihn aus dem Spital entlassen, und er ist mit dem Taxi hergefahren.
Das Wichtigste ist, dass er wieder ganz klar im Kopf ist. Die Wunden im Gesicht wurden genäht- Herman Monster, oder anders ausgedrückt: männlich sexy.
Er hat einen Gips am rechten Arm, der muss in Wien operiert werden. Am linken Ellbogen trägt er eine Schiene. Er wird also viel Hilfe brauchen.
Seine Tochter Maria wird herkommen und uns holen.
Unsere Reise ist natürlich zu Ende.
Und so wurden aus den geplanten sechs Monate nur drei.
Do, 14. Juli
Maria kommt um ca. 13h mit dem Zug. Burgdorf hat tatsächlich einen Bahnhof- in fußläufiger Entfernung zu unserem Campingplatz.
Wie nicht anders zu erwarten meistert sie die schmale Zufahrtsbrücke mit dem Wohnmobil.
Da ist die Autobahn dann natürlich kein Problem mehr für sie.
Natürlich leisten wir uns die CHF 40,00 für die Schweizer Vignette und fressen Kilometer.
Landschaftlich ist die Fahrt wunderschön- Schweiz wie aus dem Bilderbuch.
Nach einem Abstecher nach ÖSTERREICH geht’s in DEUTSCHLAND weiter.
Wir wollen heute noch bis kurz vor München kommen.
In LANDSBERG AM LECH finden wir sowohl eine Unterkunft für Maria als auch einen Stellplatz für uns.
Marias Hotel hat ein indisches Restaurant. Warum nicht, ist mal eine Abwechslung.
423 km
Fr, 15. Juli
In der Früh holt uns Maria samt WoMo vom Stellplatz ab.
Sie hat sogar Gebäck fürs Frühstück mitgebracht.
ÖSTERREICH:
Maria, Klaus’ Schwester meldet sich und lädt uns zum Mittagessen ein- eine höchstwillkommene Pause in ANSFELDEN.
Die letzte Etappe geht schnell.
Der Parkplatz vor unserem Haustor ist beim Universum bestellt und tatsächlich frei.
Dankbarer Abschied von Maria.
Wir sind wieder da, und Klaus fährt sofort ins Krankenhaus und macht sich einen Operationstermin am Dienstag aus.
814 km
Gesamtkilometer: 7596 km