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7. Kapitel: Nevada, Utah und Colorado

 

 
Do, 25. Mai, Christi Himmelfahrt

Der Feiertag wird in Amerika ignoriert.

Wir verlassen L.A. und fahren nach Nordosten.

In der Stadt hat man nichts von der Wüste bemerkt, aber wenn man aus der Stadt rauskommt, spürt man sie gleich wieder. Wir sind jetzt wieder in der Mojave-Wüste und sehen bald, als wir jetzt an Höhe gewinnen, unsere vertrauten Joshua Trees - einen ganzen Wald davon.

Wir reisen in NEVADA ein - „The Silver State“ - und kommen bald hinunter in „die Auen“ von Las Vegas. Es wurden dort nämlich artesische Quellen gefunden, mitten in der Wüste.

Die Stadt hat ca. 600.000 Einwohner, und im näheren Einzugsbereich leben ca. 2 Mio. Leute.

Zunächst beziehen wir auf dem Walmart-Parkplatz Quartier, und am Abend bringt uns ein Uber-Car in die Stadt. Wir werfen uns ins Gewühl des ca. 3km langen Las Vegas Boulevards, genannt „The Strip“. Menschenmassen und Dauer-Musik-Berieselung, leicht geschürzte Mädchen und Disney-Figuren. Alles ist voller Lichter. Ein Hotel neben dem anderen, meist mit Casino, Spielhalle, Einkaufstempel, Showbühne. Zahlreiche Restaurants verschiedenster Kategorien, Werbefilme. Jedes Hotel hat ein Thema, nach dem es gestaltet ist. Venedig samt Canal Grande gefällt uns am besten. Aber es gibt auch Paris samt Eiffelturm und Triumphbogen, New York samt Chrysler-Building und Freiheitsstatue, das bunte Mickymausschloss „Excalibur“ und eine Ägyptische Pyramide. Nicht zu übersehen ist der goldglänzende Trump-Tower. Nevada hat spezielle - lockere - Eheschließungs- und Scheidungsgesetze. Daher gibt es in Las Vegas in fast jedem dieser Mega-Hotels/ Casinos/ Shopping-Malls auch eine Hochzeits-Kapelle. Aus der Sichtweise dieser Stadt hat das eine gewisse Logik. Nach der Trauung kann man das Hochzeitsfoto dann gleich in „Venedig“ oder „Paris“ machen, und Scheidungsanwälte bieten ihre Dienste auch gleich vor Ort an.

Ich spüre deutliche zwiespältige Gefühle für Las Vegas. Das Design ist oft gut gelungen, vieles ist durchaus ästhetisch. Und doch stößt uns das Ganze ab. Genauso abstoßend empfinde ich allerdings eine lautstarke religiöse Demonstration gegen die „City of Sin“, in die wir hineingeraten. Auf jeden Fall ist diese Stadt für uns sehr energieraubend. Klaus fasst zusammen: „Das ist keine Stadt, sondern ein Kasperltheater.“

Nachdem wir den „Strip“ einmal entlang marschiert sind und eine der Wedding-Chapels gesucht und gefunden haben, wollen wir nur noch weg.

Einen genauen Punkt zu finden, wo uns das Uber-Car abholen könnte, ist allerdings gar nicht so einfach. Klaus hat darin gottseidank schon einige Übung.

Wir sind sooo erleichtert, wieder zu Hause zu sein - bei unserem heimischen Walmart ;-).

 

Fr, 26. Mai

Es wird eindeutig Zeit für uns, wieder in die Natur abzuhauen, und zwar nach Nordosten ins Valley of Fire. Wir sind froh, zurück in der Wüste zu sein. Wir fahren den Scenic Drive entlang, vorbei an seltsamen Sandsteinformationen. Das besondere hier sind die Farben - feuerrot mit weiß gestreift, aber auch gelb und orange. Besonders spektakulär ist die „Fire Wave“, die man auf einer kleinen Wanderung zu Fuß erreicht.

In Mesquite, einer Oase mit Palmen, Casinos und Golfplatz mitten in der Wüste, finden wir einen RV-Park.

 

Sa, 27. Mai

Wir sind heute ziemlich früh aufgestanden. Wir haben ein dichtgedrängtes Programm vor uns. Wir fahren ein Stückchen durch ARIZONA und dann nach UTAH in den Zion National Park. Es ist das Wochenende vor dem Memorial Day, daher ist besonders viel los. Die Ranger organisieren aber alles sehr gut und bemühen sich, mit ihrer fröhlichen Art die Wartenden bei Laune zu halten. Man parkt auf einem großen Parkplatz vor dem Eingang und fährt mit Shuttlebussen durch den Zion Canyon. Es gibt mehrere Stationen mit Informationstafeln, Restrooms, Trinkwasserbrunnen und Shops, von wo aus man kleine und größere Wanderungen machen kann. Alles ist gut ausgeschildert. Auf den Wanderwegen verlieren sich Menschenmassen. Wir nehmen einen besonders hübschen Trail entlang des Virgin River. Zu beiden Seiten ragen hoch aufsteigende Felswände in Rot- und Brauntönen empor.

Nach diesem tollen Ausflug fahren wir zurück nach ARIZONA in eine noch tollere Landschaft, nämlich aufs Colorado Plateau zum North Rim des Grand Canyon - auch ein Nationalpark. Wir waren 2011 mit der Sascha-Gruppe hier wandern und freuen uns, vertraute Punkte wiederzusehen. Die hiesige Landschaft spricht mich besonders an, dichte Föhrenwälder und die unbeschreiblichen Ausblicke in den Canyon, bei Abendlicht. Wir sehen zum Colorado River hinunter und erkennen eine Stelle wieder, wo wir damals gegangen sind. Ein fast unwirkliches Gefühl, dass wir wirklich dort unten waren. Beim Port Imperial finden wir auch den „Lingam“ wieder, einen großen, tropfenförmigen Felsen, der wie ein Tempel aussieht. Auf der Landkarte heißt er Mount Hayden. Es ist ziemlich kühl. Schneefelder gibt es auch. Wir sind ja auch auf einer Höhe von 8.848. „Wie der Mount Everest“, meint Klaus. Allerdings handelt es sich hier natürlich um feet.

Der nächstgelegene Campingplatz ist ausgebucht und das Office geschlossen. Wir stellen uns einfach im Dunkeln frech irgendwohin. Wir sind einfach zu müde zum Weitersuchen. Prompt erscheint der „Host“ und bietet uns zu unserer Freude einen legalen Platz an.

 

So, 28. Mai

Beim Cape Royal nehmen wir unser Frühstück ein, mit Blick durchs Angels Window.

Die nächsten Stunden unseres Ruhetags verbringen wir bei Wotans Thron. Die Felsformationen haben alle klingende Namen. Am Nachmittag verlassen wir den Nationalpark wieder. In der besonders netten Lodge in Jacobs Lake essen wir zu Abend. Da waren wir damals vor sechs Jahren auch. Klaus lädt mich zum Geburtstag ein. Da ich in Europa geboren bin, ist dieser Tag ja bereits angebrochen.

Der Campingplatz in der Nähe hat noch Platz für uns.

 

Mo, 29. Mai

Heute ist Memorial Day, einer der wichtigsten landesweiten Feiertage. Am letzten Montag im Mai wird landesweit aller Gefallenen gedacht, und heuer auch meines Geburtstags.

Wir verlassen die große Höhe, und gleich wird es wieder heiß.

Ganz unerwartet kommen wir an pilzförmigen Steinen vorbei, deren überhängende Köpfe von Indianern als Unterstände verwendet wurden. Sogar Mauern wurden rundherum gebaut. Heute sind sie verfallen, aber nicht minder pittoresk.

Bevor wir diese wunderschöne Gegend endgültig verlassen, fahren wir noch zum Horseshoe Bend. Der Colorado-River macht hier eine Kurve, die wie ein Hufeisen aussieht. Man kann nur zu Fuß zum Aussichtspunkt gelangen. Heute am Feiertag gleicht das einem Almauftrieb und tut der netten kleinen Wanderung ein wenig Abbruch. Aber der Blick in die Tiefe ist gewaltig und hat sich auf jeden Fall gelohnt.

Unser heutiges Tagesziel ist die kleine Stadt Page. Hier haben wir einen Campingplatz gebucht.

 

Di, 30, Mai

Um 6h früh sind wir beim Eingang zum Antelope Canyon gestellt, auf einen guten Tipp hin, den wir gestern bekommen haben. Hinter uns bildet sich langsam eine Schlange. Aufgesperrt wird erst um 8h. Wir nützen die Zeit für ein gemütliches Frühstück. Die Warterei hat sich gelohnt. Wir bekommen ein Ticket für 12h, wie sich Klaus - der Fotograf - das gewünscht hat. Wir hoffen auf das ideale Fotolicht.

Bei uns herrscht wieder einmal Zeitverwirrung. Arizona hat zwar Mountain Time, macht aber die Sommerzeit nicht mit. Innerhalb des Staates liegt der große Bereich der Navajo Nation [’Nafaho], die sich teilweise selbst verwaltet. Sie machen die Sommerzeit sehr wohl mit. Zwischen Campingplatz und Antelope Canyon - der liegt im Indianergebiet - ändert sich also die Zeit. Die automatischen Zeitanzeigen unserer beiden Apple-Watches hüpfen hin und her und zeigen zudem noch unterschiedliche Zeiten an. Um uns nun endgültig zu verwirren, wird bei der hiesigen Touristenattraktion Nummer eins, dem Antelope Canyon, die Arizona-Zeit und nicht die Indianerzeit verwendet. Also um wieviel Uhr sperren die jetzt auf? Wann ist 12h? Wir lösen natürlich auch dieses Problem.

Vom Canyon selbst sind wir begeistert. Es handelt sich um Sandsteinschluchten, die unter unscheinbarem Gelände verborgen sind. Sie wurden durch den Antelope Creek gebildet, daher der Name. Sie sind durch Erosion des roten Sandsteins entstanden. Die Farben und Formen sind unbeschreiblich. Zu Mittag reichen die Sonnenstrahlen, die von oben kommen, bis zum Boden. Das ergibt Lichtsäulen von bis zu 30m Höhe. Die großen Besucherströme werden gekonnt bewältigt. Das eigene Auto bleibt auf einem großen Parkplatz. Man wird mit offenen Bussen über eine Rumpelpiste zum Eingang gebracht. Im Canyon ist es sehr eng. Man muss die ca. 400m im Gänsemarsch gehen. Ein Guide zeigt uns die schönsten Fotomotive. Viel Zeit hat man nicht, aber es ist trotzdem überwältigend. Es ist wieder einmal kaum fassbar, dass so etwas auf natürliche Weise entstehen kann - „unpackable“, wie Klaus es nennt. Er hat die ganze Reise so wunderbar organisiert. „Wånn mi des Reisebüro net vermittelt hätt’...“ (Bronner, Qualtinger).

Den restlichen Tag verbringen wir gemütlich auf dem Campingplatz.                                         

 

Mi, 31. Mai

Wir sind beide verkühlt und daher ziemlich reduziert. Wir husten um die Wette. Schuld daran sind wahrscheinlich die vielen Klimaanlagen. Jeden Raum, den man betritt - ganz besonders die Supermärkte - sind auf gefühlte 17° heruntergekühlt. Heute wollen wir keine lange Strecke fahren.

Wir freuen uns, Kayenta wiederzusehen, von wo aus wir damals mit Sascha auf die Black Mesa hinaufgestiegen sind. Auch Monument Valley haben wir damals besucht und sind heute wieder aufs Neue beeindruckt. Die Monolithe sind die Überreste einer vor Jahrtausenden zusammenhängenden Hochebene. Mexican Hat verdankt seinen Namen einem auffälligen Sandsteingebilde, das an einen Sombrero erinnert. Ein ganz unerwartetes Highlight bietet sich uns in UTAH, der Goosenecks State Park. Der San Juan River mäandert ca. 300m unter uns. Er schneidet sich seit 300 Mio. Jahren tief in den Fels hinein. Mit etwas Phantasie und gutem Willen kann man tatsächlich verbogene Gänsehälse erkennen. Ich assoziiere mit dem Anblick eher einen doppelten Horseshoe Bend. Hier bleiben wir über Nacht- wieder einmal mit spektakulärem Vorgarten.

 

1. Juni.

Der vierte Monat unserer Reise beginnt.

Weiter geht es auf dem Colorado-Plateau. Wir sind zwar nicht mehr in Monument Valley, aber die Formationen der roten Felsen sind immer noch toll. Manche sehen aus wie eine Akropolis oder wie ein Tempel. Man gewöhnt sich allerdings auch an solche Anblicke. „Es gibt einfach keine normale Landschaft in Amerika“, meint Klaus. „Sie ist immer auf eine gewisse Weise spektakulär.“

In einem kleinen, sehr liebevoll gestalteten Freilichtmuseum über das friedliche Zusammenleben einiger Pionierfamilien mit Indianern am Anfang des 20. Jhd. machen wir eine kleine Pause. Der Ort heißt Bluff. Nicht, weil die frommen Siedler so begnadete Pokerspieler gewesen wären. Bluff heißt auch schroff, felsig.

Unsere nächste Station ist „4 Corners“, ein Vierländereck sozusagen. Hier stoßen genau rechtwinkelig vier Staaten aufeinander. Das ist übrigens der einzige Ort der USA, wo das passiert. UTAH, COLORADO, NEW MEXICO, ARIZONA. Eine Metallplatte kennzeichnet den genauen Punkt. Sie trägt die Inschrift: „Here meet in Freedom under God four States“. Nun müssen wir uns für einen dieser vier Staaten entscheiden. Wir nehmen COLORADO, da waren wir noch nicht. Und für eine Zeitzone, ab jetzt ist der Zeitunterschied gegenüber zu Hause wieder 8 Stunden, und unsere Uhren laufen auch wieder synchron. Wir sind jetzt im Gebiet der Ute-Indianer. Das Land wird zunehmend grüner. Es gibt Wiesen, ja sogar Bäume. In der Ferne sehen wir die schneebedeckten Rocky Mountains.

Unser heutiges Tagesziel liegt weiter im Osten, in Cortez. Im RV-Park dieser netten Kleinstadt richten wir uns für zwei Nächte ein. Wir kleben das 23. Staaten-Siegel aufs Auto. Das Motto für Colorado ist: „Nil sine numine“ = Nichts ohne Göttliche Vorsehung. Unsere Rückwand wird immer bunter.

 

Fr, 2. Juni

Unser Auto startet nicht. Die Batterie hat schon früher manchmal Mucken gemacht und ist wohl jetzt hinüber. Der Campground-Host gibt uns Starthilfe und empfiehlt uns ein „Auto-Parts“-Geschäft. Dort sind die Guys wieder sehr freundlich und hilfreich. So einfach ist das gar nicht. Denn sie haben natürlich nicht die richtigen Schraubenzieher für uns, und die Größe der Batterie, die wir brauchen, müssen sie natürlich in Zoll wissen. Wir sind fast überrascht, dass dann doch alles klappt.

Ziemlich erleichtert fahren wir nun die 9 Meilen zur Mesa Verde, dem “grünen Tafelberg“, einer dicht bewaldeten, zerklüfteten Hochfläche. Dort hat man am Ende des 19. Jhd. die Cliff-Dwellings gefunden. Das sind unter höhlenartigen Überhängen angelegte Steinbehausungen. Diese Klippendörfer wurden um ca. 600 n.Chr. von den Anasazi-Indianern errichtet. Unser erster Eindruck ist „Wow“. So toll habe ich mir das gar nicht vorgestellt. Unter den Cliffs sind die einzelnen Gebäude erstaunlich gut erhalten. Sogar ein dreistöckiger Turm ist dabei. Im 13. Jhd. gab es eine große Dürre, wodurch einst fruchtbare Gebiete zu Wüsten wurden. Außerdem tauchten die feindlichen Tolteken auf. Die Anasazi zogen weg, man weiß nicht genau, wohin. Ein Teil siedelte sich auf der Black Mesa an. Sie wurden die Vorfahren der Hopi, die wir auf unserer Reise mit Sascha besucht haben.

Schon allein die Anfahrt zu den eigentlichen Sehenswürdigkeiten und die Ausblicke in diesem kulturhistorisch bedeutsamsten Nationalpark der USA waren atemberaubend. Wir haben uns auf einer gut ausgebauten Straße auf eine Höhe von fast 3000m hinaufgeschraubt.

Nach diesem sehr interessanten Ausflug und einem ausgiebigen Walmart-Einkauf erholen wir uns auf dem Campingplatz. Klaus studiert begleitende Fachliteratur: Winnetou I. Die Geschichte spielt ungefähr da, wo wir uns gerade befinden.

 

Sa, 3. Juni

We are heading north. Noch genießen wir das grüne üppige Land in Colorado. Bald reisen wir in UTAH ein und sind wieder in der Wüste, im „Beehive-State“, weil die Leute hier so bienenfleißig sind. Gott hat den „Heiligen der letzten Tage“ im 19. Jhd. das gelobte Land gezeigt, und sie haben mitten in der Wüste einen blühenden Staat geschaffen - klingt ein bisschen nach Moses. Trotz der Trennung von Kirche und Staat in den USA wird in Utah das gesamte politische und wirtschaftliche Leben von der Mormonenkirche, der Quasi-Staatskirche geprägt. Über 90% der Einwohner gehören ihr an. Patriarchalisch geprägtes Familienleben, Ablehnung von Kaffee, Tabak, Alkohol und Empfängnisverhütung sind ihr Erfolgsrezept. Außerdem die Überzeugung, dass sie allein die Wahrheit haben und daher kein Interesse an Ökumene besteht. Es gibt allerdings sehr teure Spezialkneipen, in denen man sehr wohl Alkohol bekommt, und natürlich Liquor Stores. Polygamie gab es bis zum Beginn des 20. Jhd., heute offiziell nicht mehr, außer in besonders abgelegenen fundamentalistischen Gemeinden. Als Touristen merken wir von alledem nichts.

Unsere Augen genießen die wunderbare Farbkombination von rotem Sand und grünen Büschen. Bald erheben sich wieder Sandsteingebilde in rot und weiß gestreift, ganz rund abgeschliffen, z.B. der Church Rock, der tatsächlich wie die Kuppel einer Kirche aussieht. Der erste Steinbogen taucht vor uns auf, der Wilson Arch. Zu ihm hinaufzugelangen ist mit einer lustigen Kletterpartie verbunden.

In Moab quartieren wir uns auf dem Campingplatz ein. Von hier aus wollen wir zwei Nationalparks besuchen. Wir sind wieder in der Ebene, daher ist es wieder heiß. Wir können sogar unseren heurigen Rekord von 38° verzeichnen.

 

So, 4. Juni, Pfingstsonntag

Wir sind früh aufgestanden und sind schon vor 7h beim Eingang des Arches National Park. Der ist nicht weit von unserem Campingplatz entfernt. Wir wollen nicht in die Mittagshitze geraten. Noch sind die Temperaturen angenehm. Welche Vokabel gibt es denn noch? „Sensationell“ habe ich noch nicht so oft verwendet. Wir finden, dass das hier noch besser ist als Monument Valley, schmale Felsmauern, wackelig aussehende Felsnadeln, versteinerte Dünen. Amerika, das Land der Superlative - in alle Richtungen. Zum Delicate Arch, dem Wahrzeichen von Utah, muss man ca. 3km bergauf über Felsen wandern - inmitten einer Völkerwanderung übrigens. Der Ausdruck „atemberaubend“ ist hier also gut angebracht. Man sieht den Felsbogen erst im letzten Moment, wenn man bereits davorsteht. Durch ihn hindurch schaut man auf schneebedeckte Berge. Am Rückweg beginnt die Hitze wieder voll zuzuschlagen, und wir brauchen eine Erholungspause auf dem Campingplatz, bei 40° übrigens.

 

Mo, 5. Juni

Den Ruhetag auf dem Campingplatz genießen wir sehr. Wir haben ja hier einen festen Wohnsitz, für ganze vier Nächte. Wir waschen unsere Wäsche. Klaus schneidet mir die Haare, und wir gehen einkaufen und essen. Ich habe nämlich eine „Pizza Hut“ entdeckt. Die gibt es ja in Österreich leider nicht mehr, daher gönnen wir uns im Ausland immer wieder mal gerne eine Pan Pizza. Während wir essen, hat Klaus die Idee, noch heute Abend zum Canyonlands-Nationalpark zu fahren und zu schauen, wie weit es bis dorthin ist, wie lang die Fahrzeit ist und wann sie in der Früh aufsperren. Wir wollen nämlich morgen bei Sonnenaufgang dort sein. Der Park ist offen, und es sitzt niemand mehr bei der Einfahrt. Wir suchen uns den Parkplatz beim Mesa Arch, machen die kleine Wanderung zu diesem Steinbogen und sind gerade bei Sonnenuntergang dort. Wir haben uns den Bogen größer vorgestellt. Aber der Blick in die Tiefe ist unerwartet toll. Morgens soll das Licht noch viel schöner sein. Also beschließen wir spontan, auf dem hiesigen Parkplatz zu übernachten. Wir haben im Wohnmobil ja alles dabei. Natürlich ist es verboten, wir lassen uns aber dennoch auf das Abenteuer ein und finden das lustig.

 

Di, 6. Juni 

Wir waren erfolgreich. Niemand hat uns vertrieben. Um 5h früh läutet der Wecker, und um 5h30 sind wir bereits beim Arch. Wir sind die ersten, und Klaus sichert sich mit Fotoapparat und Stativ die Poleposition. Natürlich bleiben wir nicht allein. Bald sind wir ein Grüppchen von 30 Leuten aus aller Herren Länder. Alle schweigen ehrfürchtig und warten auf die Sonne, die den Bogen von unten her ganz rot erstrahlen lässt. Es herrscht eine ganz seltsame Stimmung. Als das Schauspiel vorbei ist, geht das Geplapper wieder los. „Where are you guys from?“ „Oh, what a trip...“ Wir waren übrigens mit Abstand die ältesten Besucher.

Um 7h sind wir wieder beim Auto. Weil wir ohnehin schon wach und unterwegs sind, fahren wir nochmals hinüber in den Arches National Park und besuchen noch einige der 2000 Arches und Windows, die es hier geben soll, die weltweit größte Konzentration an natürlich entstandenen Steinbögen. Sie sind durch Erosion und Verwitterung entstanden. Vor 300 Millionen Jahren war hier ein Meer. Wir machen eine kleine Wanderung zum interessanten Double Arch. Von diesem relativ kleinen Nationalpark - er ist ca. 300km2 groß - sind wir ganz besonders begeistert. Wir erkennen ständig Figuren, Gesichter und Tiere in diesen roten Felsen.

Unser Frühstück nehmen wir im „Garden of Eden“ ein - ein passender Name für diesen View Point. Die Morgenstimmung ist sehr schön, und die Temperaturen sind noch angenehm.

Den restlichen Tag verbringen wir allerdings wieder ermattet und nach Schatten suchend auf dem Campingplatz. Die Hitze macht uns sehr zu schaffen.

 

Mi, 7. Juni

Wir sind endlich „on the road again“. Wir haben den Eindruck, als wären wir schon unendlich lange unterwegs und können es kaum glauben, dass wir erst vor zwei Monaten in Baltimore ins Wohnmobil gestiegen sind. Es geht heute ca. 300km nach Südwesten. Zunächst in den Goblin Valley State Park. Sehr süß, wie die steinernen Kobolde auf ihren Sockeln sitzen, mit ihren dicken Hintern. Manche schauen richtig frech drein. Ein ziemlich verspielter Gott muss da mal wieder am Werk gewesen sein.

Unser Tagesziel ist der Capitol Reef Nationalpark. Hier übernachten wir auf dem einfachen, aber sehr schön gelegenen Campingplatz unter Bäumen. Das Besondere an diesem Nationalpark ist, dass er so grün ist. Er liegt in einem oasenähnlichen Tal - unterhalb gigantischer Felswände. Dafür sorgt der Fremont River. Es gibt sogar Obstgärten, die die ersten Siedler angelegt haben, Mormonen natürlich. Felsritzungen aus der Zeit zwischen 300 und 1300 n.Chr. stammen von Indianern, den Vorfahren der Hopi und Zuni. Es sind Darstellungen von Menschen und Tieren. Man muss sehr genau schauen, dass man sie sieht.

 

Do, 8. Juni

Wir fahren bereits um 7h los. Wir wollen schon einige Kilometer hinter uns haben, ehe die große Hitze beginnt. Zuerst fahren wir ein Stück auf dem Scenic Drive im Nationalpark. Wieder entdecken wir „Stadtmauern“ und „Burgruinen“. Die Amerikaner brauchen keine Burgen aus dem Mittelalter. Sie haben Felsformationen, die genauso aussehen und noch viel älter sind.

Die nächsten Naturschönheiten warten schon auf uns. Es geht weiter nach Südwesten, zunächst durch einen National Forest. Dichte Wälder und grüne Almen wirken auf uns ganz vertraut. Wir sind auf einer Höhe von über 9000ft, also 2700m. Von Baumgrenze keine Spur. Die Ausblicke sind überraschend. Man schaut von Wäldern und Wiesen auf Berge und Felsen hinunter. Wie eine verkehrte Welt kommt uns das vor. Einfach eine „normale“ Landschaft kann es wohl nicht geben. Klaus drückt es ganz einfach aus: „Es ist überall sooo schön.“

Gegen Mittag erreichen wir den Bryce Canyon National Park, der sich in wunderschönem Orangerot ankündigt - „Vermillion“ wird die Farbe hier genannt - klingt irgendwie mystisch und passt genau. Zum Glück haben wir unseren Platz auf einem der Campingplätze schon im Voraus gebucht. Alles ist voll und wir wollen zwei Nächte hier bleiben, um alles erkunden zu können. Für heute haben wir allerdings genug. Wir merken durchaus eine gewisse Ermüdung und genießen es immer wieder sehr, einfach „zu Hause“ zu sein. Hinter unseren Bildschirmen natürlich, beschäftigt mit Facebook, Fotos und Reisebericht. Die Temperatur ist heute sehr angenehm. Wir sind jetzt auf einer Höhe von ca. 2400m, und es ist windig, also brauchen wir nicht unter der Hitze zu leiden.

 

Fr, 9. Juni

Der Wecker läutet um 5h30, schon wieder so früh aufstehen. Aber als wir kurz nach 6h am Rim stehen, ist die Müdigkeit verflogen. Die Morgenstimmung und die Farben sind wunderbar. Wir sind ganz ergriffen. Der Anblick ist wieder einmal anders als alles, was wir bisher gesehen haben. Der Bryce Canyon ist nach dem Mormonenpionier Ebenezer Bryce und seiner Frau benannt, die hier gegen Ende des 19. Jhd. eine Ranch hatten. Eigentlich ist es kein Canyon, sondern eine Abbruchkante, die wie ein durch Wind und Wetter herausgekerbtes Amphitheater aussieht. Die Indianer sehen die versteinerten „Legend People“ darin stehen und sitzen. Diese lebten hier, bevor es Menschen gab. Sie waren böse und wurden daher in Steine verwandelt. Die Geologen erzählen eine andere Geschichte, die aber bei weitem nicht so einleuchtend ist. Wir machen eine kleine Wanderung auf dem sehr schön angelegten Navajo Trail und fahren dann die schönsten Aussichtspunkte an, die klingende Namen wie Fairyland, Intuition Point, usw. haben. Danach genießen wir unser Frühstück mit herrlicher Aussicht und in angenehmer Kühle. Die süßen, kleinen Streifenhörnchen = „chipmunks“ tollen mit steil aufgestellten Schwänzen um uns herum. Sie sehen den Eichhörnchen sehr ähnlich und verhalten sich auch so. Sie sind aber so klein wie Mäuse. Es handelt sich ziemlich sicher um Ahörnchen und Behörnchen. Als die Touristenbusse auftauchen und die Parkplätze sich füllen, sind wir schon wieder auf dem Heimweg. Im Schatten unseres Wohnmobils, der Laptops und unserer Bücher genießen wir den restlichen Tag, und am Abend „all we can eat“ in the Historical Inn. Ähnlich wie beim Grand Canyon, sind auch hier die Lodges und Restaurants im Blockhaus-Stil gebaut, und alle haben eine Geschichte zu erzählen.

 

Sa, 10. Juni

Unser Roadmovie geht weiter, nach Westen, Richtung Kalifornien

Der hübsche Red Canyon, der seinem Namen voll gerecht wird, ist ein Ausläufer des viel berühmteren Bryce Canyon. Auch hier sitzen versteinerte Gestalten mit Kapuzen im Theater, „Hoodoos“ = Unglücksbringer.

Nun verlassen wir das Grand Staircase-Escalante, den stufenförmigen Anstieg, vom Grand Canyon bis zum Bryce Canyon. Capitol Reef NP gehört auch dazu. Es handelt sich um ein fast quadratisches Gebiet von ca. 200km Seitenlänge. Wir haben zu unserem Entsetzen erfahren, dass Trump dieses unvergleichliche Naturschutzgebiet für die Erdölindustrie zum Fracking freigeben will. Hoffentlich wird es genug Proteste dagegen geben.

Endlich muss ich auch die Radwege erwähnen, die in vielen touristischen Gegenden - so auch hier - angelegt wurden.

Wir fahren nun wieder durch eine grüne Almlandschaft mit Bäumen und kleinen Flüssen = „Creeks“, die sogar Wasser führen, und Schneefeldern. Unsere Augen erfreuen sich am saftigen Gün. Den reizvollen Kontrast zur roten Erde habe ich ja schon öfter erwähnt. Einige „Berghütten“ zwischendurch verstärken noch unsere heimischen Gefühle. Gabelböcke, eine Antilopenart, gibt es bei uns allerdings nicht. Wir sind auf einer Höhe von fast 3000m, und es hat 13°.

In Cedar City gibt es einen Walmart, der uns mit Lebensmitteln für die nächste Wüstentour versorgt, und mit Internet. Klaus möchte nämlich mit seinen Töchtern skypen. Morgen ist schließlich Vatertag.

Nach dieser unserer letzten Station in Utah reisen wir bald in NEVADA ein. Wir haben wieder Pacific Time, eine Stunde früher.

Wir verlassen das Colorado Plateau und sind nun im Great Basin. Diese Hochebene reicht im Westen bis zur Sierra Nevada. Höhenrücken ziehen sich von Norden nach Süden durch. Es ist eine Kaltwüste, in der im Winter Schnee liegt - daher auch der Name des Staates.

Der Extraterrestrial Highway führt ca. 250km durchs Nichts, schnurgerade. Unser Wassertank ist voll, aber wir brauchen dringend eine Tankstelle und hoffen auf Warm Springs, das leider ausschließlich aus einem geschlossenen und verfallenen Café besteht. Sehr froh sind wir, als wir in Tonopah, einer alten Minenstadt im Niedergang, ankommen, unseren fast leeren Treibstofftank füllen können und uns auf dem etwas dubiosen Parkplatz des abgewrackten „Bang Clubs“ für die Nacht einrichten.

550km haben wir heute zurückgelegt. Klaus hat einfach nicht zu fahren aufgehört. Er war so im Schwung.

 

So, 11. Juni

Wir haben wunderbar geschlafen. Wir verlassen Tonopah, das genau genommen nur mehr aus der Tankstelle, einem Burger King und einigen verlassenen und verfallenen Häusern besteht. Im Motel erkennen wir noch Lampen hinter den Vorhängen, aber die Fensterscheiben sind kaputt und die Türen hängen in den Angeln. Bald wird das hier eine Geisterstadt sein.

Unser Weg nach Westen geht weiter.

Wir kommen an den White Mountains vorbei. Der Boundary Peak ist mit seinen 4007m der höchste Berg Nevadas und der höchste Berg, den wir bis jetzt in Amerika gesehen haben.

Wie der Name schon sagt, liegt er direkt an der Grenze zu KALIFORNIEN. „Butterflies and Rainbows“ steht auf der Grenztafel, und gleich ist alles viel grüner.

Kaum sind wir eingereist, kommen wir an eine Kontrollstelle. Es geht gar nicht um unsere Identität, sondern um unsere Zitrusfrüchte. Wir müssen unsere Orangen abgeben, die wir in Utah gekauft haben. Da sind offenbar mormonische „bugs“ drinnen ;-). Wieder einmal ist es den Amerikanern gelungen, uns zu überraschen.

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