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5. Kapitel: New Mexico und Arizona

Wir wechseln nicht nur den Staat, sondern auch die Zeitzone. Unsere Uhren zeigen - diesmal synchron - Mountain Time an. Es ist hier jetzt 8 Stunden früher als zu Hause.

Die Landschaft, die lange Zeit ganz flach war, ist plötzlich zu einem Mini-Canyon abgebrochen. Wir sehen auch ein Mini-Mini-Monument Valley. Das härtere Gestein ist stehen geblieben, das weichere ist erodiert. Dadurch entstehen seltsame Figuren. Zuletzt brechen auch die harten Teile ab. Die Felsbrocken liegen überall herum. Wir fahren an vielen Mesas = Tafelbergen vorbei. Danach reiten wir wieder durch ein trockenes Grasland mit Büschen. Es wird immer hügeliger, das Gelände steigt an. Wir nähern uns den Rocky Mountains, die wir in der Ferne schon erahnen können.

Die spanische Sprache ist vorherrschend. Das sieht man deutlich in den Ortsbezeichnungen. Hier gibt es auch keine Cowboys, sondern Vaqueros.

Unseren heutigen Schlafplatz finden wir auf einem sehr einfachen „RV-Loop“ im Hyde Memorial State Park. Wir stehen mitten im Wald, einem uns vertrauten Mischwald. Es gefällt uns sehr gut hier. Jetzt, gegen Abend, ist es recht kühl geworden. Ich habe Kopfweh und Klaus ist ein wenig schwindlig, was wir der Müdigkeit zuschreiben.

 

So, 14. Mai

Wir haben nicht besonders gut geschlafen und wachen mit denselben Symptomen auf, mit denen wir eingeschlafen sind. Mir ist zusätzlich so schlecht, dass an Frühstück nicht zu denken ist. Wir fahren also gleich los, nach Santa Fé hinunter. Und gleich geht es uns besser. Recherchen ergeben, dass wir heute Nacht auf fast 3000m Höhe waren und ziemlich rasch so hoch hinaufgefahren sind. Das ist uns gar nicht aufgefallen. Jetzt verstehen wir unsere Zustände. Die Stadt selbst liegt schon auf 2000m.

Santa Fé, benannt nach dem Hl. Glauben des Franz von Assisi, ist die Hauptstadt von New Mexico, die älteste von Weißen besiedelte Stadt Amerikas. Traditionell sind die Gebäude aus Adobe - luftgetrockneten Lehmziegeln - im Pueblo-Baustil. Also erdig braune Würfel oder Quader, die hübsch mit dunklen Holzelementen gestaltet und teilweise bemalt sind. Die modernen Gebäude sind zwar aus anderen Materialien, aber dieser Bauweise nachempfunden. Das ergibt ein einheitliches Stadtbild wie sonst nirgends in Amerika. Wir bewundern z. B. ein Parkhaus, dem man seine Funktion zunächst überhaupt nicht ansieht. Das gilt nicht nur für die Häuser im Stadtzentrum, sondern auch für die am Stadtrand. Das hat uns schon gefallen, als wir von oben heruntergefahren sind. Wir sind ganz begeistert von dieser hübschen Stadt, in der wir auch eine hohe Lebensqualität vermuten. Schließlich gibt es hier auch einen Whole Foods Market. In Santa Fé stehen die ältesten von Weißen errichteten Gebäude der USA. Sie stammen aus 1610, z.B. die Kapelle San Miguel. Die Spanier kamen im 16. Jhd. hierher. Vorher gab es auf diesem Boden schon eine Indianersiedlung. Die kleine, nette Kathedrale ist natürlich dem Hl. Franziskus geweiht. Sein Glaube ist immerhin der Namensgeber der Stadt. Wir spazieren durch die Straßen mit hübschen Lokalen, Geschäften und Märkten und sind sehr froh, hierher gefahren zu sein. Das war ursprünglich gar nicht geplant. Der klingende Name der Stadt wurde auch in einigen Western verwendet. Ich erinnere mich noch gut an die Fernseh-Vorabendserie „Westlich von Santa Fé“ aus den frühen 1970er-Jahren.

Unsere Reise geht weiter nach Süden, parallel zu den Rocky Mountains, vom Comanchenland ins Apachenland. Ca. 250 km fahren wir dahin, und links und rechts gibt es gar nichts, nur Grasland mit stacheligen Büschen und Kakteen, in dem manchmal einige Antilopen herumlaufen. Hin und wieder sehen wir ein Rindvieh. Immer wieder gibt es eine Einfahrt zu einer Ranch. Das Eingangstor ist oft verziert, und der Name ist angegeben. Dann folgt ein Zaun entlang der Straße und dahinter ist - nichts. Wir haben wirklich an der Grenze zu New Mexico die Great Plains verlassen und ein Wüstengebiet betreten. Alles ist hier anders, und das hat durchaus auch seinen Reiz.

Unser heutiges Tagesziel ist der Walmart-Parkplatz in Alamogordo. Nach dem Einkauf fahren wir nochmals los, vorbei an einer großen Airforce-Base. Hier, auf den großen, ganz ebenen Salzflächen, sind die Spaceshuttles gelandet.

Unser Ziel ist das White Sands Monument. Die schneeweißen Dünen sollen ja bei Sonnenuntergang besonders schön sein. Die Sandkristalle sind aus Gipsablagerungen entstanden, durch den Wind und das Wasser aus einem urzeitlichen Meer. Man fährt auf einer Straße durch, die bis eine Stunde nach Sonnenuntergang mit Schneepflügen frei gehalten wird, weil der Sand so wandert. An manchen Stellen kann man aussteigen. Sobald man sich nur einige Schritte von der Straße entfernt, ist man mitten in der Wüste und muss aufpassen, dass man in diesem ausgedehnten Gebiet seine Orientierung nicht verliert. Der schneeweiße Sand lädt natürlich zum Barfußgehen ein. Stachelige Büsche, Gräser und die interessanten Soaptree Yuccas wachsen hier. Sie blühen gerade mit ihren weißen Glocken. Bis zu 4 Meter können sie hoch werden. Von den Bewohnern zeigen sich uns schwarze Laufkäfer - ähnliche haben wir in der Wüste von Jordanien gesehen - und bleiche Eidechsen. Die haben sich mit ihrer weißen Farbe dem Untergrund angepasst, wie Schneehasen ;-). Klaus hätte so gerne einige Schlangen gesehen. Es ist fast unwirklich schön hier, im späten Abendlicht. Teilweise wirken die weißen Dünen wie eine Schneelandschaft.

 

Mo, 15. Mai

Heute haben wir ein besonderes Abenteuer vor uns, nämlich einen Abstecher nach MÉXICO. In El Paso (...“So genau weiß ich das nicht“ - Ballade vom Pfeifer: R. Mey) in TEXAS überqueren wir die Bridge of the Americas und fahren über die Grenze. Unser Auto wird von den Mexikanern genau untersucht. Wir müssen aussteigen und dürfen dabei nicht zusehen. Wir brauchen halt etwas Geduld und dürfen schließlich einreisen. Hoffentlich lassen sie uns wieder zurück in die USA. Nachdem wir die Grenzstadt Ciudad Juárez durchquert haben, stellen wir fest, dass die Wüste hier in CHIHUAHUA (wie die Hunde) genauso aussieht wie drüben in New Mexico. Allerdings liegt hier mehr Müll herum. Insgesamt wirkt hier alles um vieles ärmlicher. Immer wieder sehen wir halb verfallene oder nie fertiggebaute Häuserruinen. Aber die Leute wirken sehr fröhlich. Entfernungen und Geschwindigkeitsbegrenzungen werden in km angegeben.

Wir freuen uns, dass ein Kirchlein mit typisch mexikanischem Glockengiebel auf unserem Weg liegt, wie man das aus diversen Wild-West-Filmen kennt. Besondere Fotomotive bieten auch die Friedhöfe, deren knallbunte Plastikpracht vom Wind in die benachbarten Felder geweht wird. Es sei denn, man leistet sich eine käfigartige Einhausung. Nach ca. 4 Stunden und 150km - zum Teil auf der Panamericana, die von Alaska nach Feuerland führt - kehren wir bei Puerto Palomas wieder in die USA zurück. Hier gibt es übrigens eindeutig die Grenzmauer bereits. Klaus fotografiert sie heimlich.

Nach genauester, aber sehr freundlicher und ein bisschen neugieriger Befragung auf der amerikanischen Seite werden wir in einen Warteraum geschickt. Diesmal können wir durchs Fenster zusehen, wie mehrere Beamte in unser Auto einsteigen. Schließlich wird auch noch der Drogenhund Bobby eingesetzt. Natürlich erschnüffelt er unser Obst und Gemüse. Zum Glück finden wir in unserem Altpapier-Sackerl die passenden Walmart-Rechnungen als Beweis, dass wir das alles in Amerika gekauft haben. Ein wenig mulmig ist uns schon zu Mute, obwohl wir uns ja keinerlei Schuld bewusst sind. Endlich haben wir es geschafft und können erleichtert unser „MEX“-Pickerl aufs Auto kleben. Das haben wir uns wirklich verdient. Als wir am Abend unsere Fotos und Filme checken, stellen wir fest, dass wir an der Grenze vergessen haben, die GoPro-Kamera an der Windschutzscheibe auszuschalten. Sie hat also die ganze Zeit unbemerkt mitgefilmt. Wie in einem Hörspiel können wir mitverfolgen, was die Beamten beim Filzen miteinander geredet haben. Es freut uns zu hören, dass einer beim Betreten unseres Wohnmobils „Wow“ ausgerufen hat.

Heute übernachten wir im City of Rocks State Park, senkrecht stehende Felsen, die man mit etwas Phantasie für die Skyline einer Stadt halten könnte. Wir klettern ein wenig herum und halten (leider) vergeblich Ausschau nach Klapperschlangen und Skorpionen. Ein blühender Kakteen-Garten bezaubert uns. Spektakulär, einsam und wunderschön ist es hier, und wie in den State Parks üblich ohne Lichtverschmutzung in der Nacht. Übrigens haben wir heute die 10.000er-Marke überschritten. So viele Kilometer sind wir bereits auf dieser Reise gefahren.

Immer wieder sprechen uns Leute an. Sie wollen wissen, woher wir kommen, bewundern unser kleines Wohnmobil und interessieren sich für unsere Reiseroute. Einige begleiten uns bereits auf Facebook und wir haben auch schon Einladungen, die wir gerne annehmen werden. Ganz reizend sind zwei Schwestern, die ihre Mutter zum Muttertag ausführen. Die kleine alte Dame, eine Mexikanerin, spricht nur ganz wenig Englisch. Aber sie stammelt mit verklärtem Blick: “I was not much in school, but Johann Strauß is everything to me.“ Solche Begegnungen sind sehr berührend.

 

Di, 16. Mai

Heute dringen wir in den Wilden Westen vor, auf schnurgerader Straße durch die Wüste. So weit das Auge reicht, sehen wir kein einziges Auto. Durch große Tafeln wird vor Sandstürmen gewarnt. Wir sehen auch vor uns immer wieder Windhosen aufragen.

Die ehemalige Minenstadt Silver City erlangte zweifelhafte Berühmtheit, weil sie die Heimatstadt des berüchtigten Banditen Billy the Kid war. Heute ist sie nur noch eine Sitzbesichtigung wert. Am interessantesten ist der Big Ditch. Um die Jahrhundertwende zum 20. Jhd. verlief hier die Main Street. Durch starke Regenfälle und Überflutungen sackte sie um 15m ab und ist nun ein tiefer Graben.

Auch Tombstone in ARIZONA blühte, als eine reiche Silberlagerstätte entdeckt wurde. Die Stadt zählte in ihren Glanzzeiten 15.000 Einwohner. Heute sind es noch 1.600 Menschen, die hauptsächlich vom Tourismus leben. Tombstone war um 1880 Schauplatz verschiedener berühmter Schießereien, unter anderem der am O.K. Corral mit Wyatt Earp und Doc Holliday. Auf dem Friedhof Boothill Graveyard finden sich die Gräber bekannter und unbekannterer Opfer jener Zeiten. Heute ist die Stadt eine Touristenattraktion. In der verkehrsberuhigten Allen Street reiht sich ein Souvenirladen an den anderen und historische und historisch nachgebaute Saloons vermitteln das Flair einer alten Westernstadt. Täglich wird unter Einsatz vieler Platzpatronen die berühmte Schießerei nachgestellt. Dieses Spektakel haben wir leider knapp verpasst. Wir sehen nur noch, wie die Darsteller den Schauplatz verlassen.

Wir übernachten in einem RV-Park am Stadtrand. Unsere Uhren haben sich fast unmerklich wieder um eine Stunde zurückgedreht. Wir haben jetzt Pacific Time, 9 Stunden Zeitunterschied zu Mitteleuropa.

 

Mi, 17. Mai

Wir fahren weiter nach Nordwesten in die Sonora-Wüste, die sich über weite Teile Arizonas und Mexikos erstreckt. Sie begeistert durch ihren Kakteenreichtum. Endlich sehen wir auch Saguaro-Kakteen, die mit den Armen - die Kakteen, die man automatisch mit Arizona und Mexiko in Verbindung bringt. Manche von ihnen werden 10 Meter hoch. Viele blühen gerade. Das sieht aus, als hätten sie einen Jungfernkranz auf dem Kopf - sehr süß. Die Teddybear Cholla [’choja] Kakteen machen einen kuscheligen Eindruck. Ihr „Fell“ sind aber in Wirklichkeit spitze Stacheln mit fiesen Widerhaken. Das Desert Museum bei Tucson ist eine Mischung aus Botanischem Garten, Museum und Zoo. Sogar eine Tropfsteinhöhle ist dabei. Alles ist sehr nett aufbereitet. Immer wieder gibt es Schattenoasen, Trinkbrunnen und Mitmach-Stationen für Kinder. Wir wandern fast drei Stunden darin herum und bewundern die Flora und Fauna der Sonora-Wüste. Als wir schon recht am Zahnfleisch zum Ausgang kriechen, weckt uns der Kakteengarten mit seinen vielfältigen, prachtvollen Blüten wieder auf. Unseren Schlafplatz finden wir auf dem Campground im Tucson Mountain Park, inmitten von Kakteen. Die Kojoten singen uns in den Schlaf.

 

Do, 18. Mai

Klaus ist heute schon ganz früh aufgestanden und hat im ersten Morgenlicht seine Drohne fliegen lassen - bis der Ranger gekommen ist.

In der für Filmarbeiten künstlich entstandenen Westernstadt Old Tucson [’Tu:ßon] wurden z.B. „Rio Bravo“, „Bonanza“ und „High Chaparral“ gedreht. Leider hat sie nur am Wochenende geöffnet. Ich steige auf einen Tisch und schaue über den Zaun, und Klaus lässt die Drohne drüberfliegen. Mehr braucht es eh nicht. Wir sind fast erleichtert, dass uns die angekündigten Shows und Shootouts erspart geblieben sind.

Ein weiterer Tag, den wir in der Sonora-Wüste verbringen. Kein Wunder, sie hat eine Fläche von 260.000 km2. Sie ist also ca. dreimal so groß wie Österreich. 200km weiter im Westen, nahe der mexikanischen Grenze, liegt unser Tagesziel, das Organ Pipe Cactus National Monument. Die vielarmigen, bis zu 8m hohen Kakteengewächse, die mit viel Phantasie wie Orgelpfeifen aussehen, gibt es nur hier. Unser Campground ist in ein Kakteenfeld eingebettet. Wir stehen - wieder einmal - scheinbar ganz einsam mitten in der Wildnis. Der Sternenhimmel ist - wieder einmal - atemberaubend.

 

Fr, 19. Mai

Bei wunderbarem Morgenlicht fahren wir los. Die Kakteen sind goldumrandet, und der silberne „Pelz“ der Teddybear-Collas ist sonnendurchflutet. Es geht weiter nach Nordwesten. Seltsame Gebirgsformationen mit Kakteen, wir erwarten jeden Augenblick einen Postkutschenüberfall oder einen Indianerangriff. Es handelt sich übrigens um die Ajo [ch] Mountains - na ja, wer Knoblauch mag ;-).

Wir sind in Grenznähe zu Mexiko. Daher werden wir schon wieder kontrolliert. Das ist jetzt schon das 4. Mal. Die Kontrollstationen sind mit allen möglichen Geräten ausgestattet, samt Solaranlage. Auch Hundezwinger gibt es.

Die Wüste wird plötzlich durch Felder unterbrochen - intensive Landwirtschaft. Das satte Grün der Maispflanzen ist ganz ungewohnt und blendet direkt in den Augen.

Nach ca. 300km Fahrt erwartet uns der Walmart in Yuma - mit vollen Regalen, Internet und einem Schlafplatz. Auch diese Stadt spielt in einem Western-Klassiker eine Rolle: „3:10, Todeszug nachYuma“. Auf dieser Eisenbahnstrecke fahren heute nur noch Güterzüge.

 

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