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4. Kapitel: Great Plains

 

 
Mo, 8. Mai

Unsere Fahrt nach Norden geht weiter, vorbei an großen Ranches.

Wir überqueren den Red River und überschreiten die Grenze nach OKLAHOMA.

Für die Indianer hatte der Fluss eine besondere Bedeutung. Das Wasser und besonders die Erde an den Ufern sind rötlich braun, daher der Name.

Das Wort Oklahoma kommt aus der Sprache der Choctaw, einem Indianerstamm. Okla = Mensch, humma = rot, „das Land des roten Mannes“ also. Sie meinten allerdings möglicherweise die rote Erde, die wirklich auffällig ist. Über 50.000 Indianer wurden in mehreren Trecks von 1831 bis 1839 aus dem fruchtbaren südöstlichen Waldland ins karge Oklahoma getrieben. Diese Umsiedlung - eine Deportation - ging als „Trail of Tears“ in die Geschichte ein. Viele Menschen starben auf dem Weg an Krankheiten, Erschöpfung, Kälte und Hunger. Zu dieser Dezimierung der Völker kam noch die spirituelle und kulturelle Entwurzelung. Das ist eines der dunklen Kapitel der amerikanischen Geschichte.

Später wurden Teile des Landes zur Besiedlung für Weiße freigegeben. Am 22. April 1889 um 12h Mittag erfolgte der Startschuss für den „Oklahoma Land Run“, einen regelrechten Wettlauf um die besten Parzellen, in die die neuen Siedler ihre Fahnen steckten. Das Land wurde zu ihrem Eigentum, wenn sie es fünf Jahre lang bewirtschafteten und eine Hütte oder ein Haus darauf errichteten. Erst 1907 wurde Oklahoma zum USA-Bundesstaat.

Alles ist sehr grün. Wir haben uns das Land wüstenartiger vorgestellt und eher Staubstürme und Dürre in der „Dust Bowl“ erwartet, wie unter anderem von John Steinbeck in den „Früchten des Zorns“ beschrieben. Die Straßen gehen schnurgerade bergauf und bergab. Eine hügelige Landschaft, große Weite, kaum Ortschaften, viele Kühe - Longhorns.

Nun biegen wir nach Westen auf die legendäre Route 66 ab („Get your Kicks on Route 66“). Sie war die erste Querverbindung von der Ost- zur Westküste. Wir haben uns das irgendwie spektakulärer vorgestellt. Es handelt sich einfach um eine nette Landstraße. Jedenfalls kaufen wir uns ein Pickerl fürs Auto.

Heute übernachten wir gratis in einem RV-Park. 

Di, 9. Mai

Bis Oklahoma City fahren wir noch auf der Route 66 nach Westen. Dann geht es weiter nach Norden Richtung Kansas, vorbei an Kuhweiden und Farmen. Da leben wohl die Nachkommen derer, die beim Land Run erfolgreich waren. Die Bevölkerung von Oklahoma ist übrigens sehr konservativ.

In unserer Frühstückspause parken wir vor einem Postamt. Dort sehen wir einen ganz speziellen amerikanischen Auswuchs, Drive-Through-Postkästen. Wozu aus dem Auto aussteigen, wenn man einen Brief einwerfen will? An solche Restaurants, Bankschalter und Geldautomaten sind wir ja schon gewöhnt. Möglichst überallhin mit dem Auto fahren und sich möglichst nicht bewegen. Und zum Muttertag findet hier die große „Gun-Show“ statt. Wie gut, dass wir dann nicht mehr hier sind.

Der Anteil der Indianischen Bevölkerung ist in diesem Staat heute noch besonders groß. Verschiedene Stämme, „Nations“, leben hier und betreiben ganz spezielle Gewerbe. Z.B. sind alle Casinos und viele Tankstellen und Restaurants fest in ihrer Hand. Es gibt auch sogenannte „Trading Posts“, wo man sehr schöne indianische Handwerkswaren und viel Kitsch kaufen kann. Hier erwerben wir Geschenke für unsere Kinder und Kindeskinder.

In Watonga folgen wir dem Pfeil „Historic Downtown“ und finden zu unserer Freude Backsteinbauten aus dem Beginn des 20. Jhd., mit Werbetexten bemalt. Das hat was von einer Filmkulisse. Der Name der Stadt ist indianisch und heißt „Schwarzer Kojote“.

Nun kommen wir an einigen Fracking-Anlagen vorbei, und zu unserer Überraschung fahren wir durch einen riesigen Windpark.

Im Boiling Springs State Park ist unser heutiger Campingplatz. Er ist fast leer. Wir kommen schon am frühen Nachmittag an. Daher haben wir mehr Zeit. Die nützt Klaus, mir die Haare zu schneiden. Jetzt weiß ich ja schon, dass er das kann. Auch die Drohne darf fliegen. Außerdem setzen wir uns endlich wieder einmal auf unsere Fahrräder. Es gibt nämlich ganz in der Nähe einen kleinen See. Lagerfeuer, Vollmond und über uns kreisende Adler - Oder sind es doch Geier? - sorgen für die Romantik. Heiße Quellen können wir keine entdecken, ebenso wenig wie eine Rangerstation. Sollte das wieder eine Gratisnacht werden?

 

Mi, 10. Mai

In der Nacht gab es ein heftiges Gewitter, und es regnet auch am Vormittag noch heftig.

Wir fahren weiter nach Norden, zunächst vorbei an großen Flächen, auf denen es offensichtlich gebrannt hat. Der Kontrast der schwarzen Baumskelette zur roten Erde und dem zarten frischen Grün sieht wunderschön aus. Die Stimmung nach dem Regen ist ganz bezaubernd. Überhaupt gefällt es uns sehr in den Great Plains, die hier besonders für Viehzucht genutzt werden. Die schwarzen Rinder weiden halb wild und haben viel Platz. Es gibt Tränken mit den typischen Pumpwindrädern. Die Kälber bleiben bei ihren Müttern. Die Ranches liegen recht weit voneinander entfernt. Glückliche Tiere, sollte man meinen. Bis wir zu einer der riesigen Verladestationen kommen, wo eine große Anzahl von Tieren auf engstem Raum in mehreren Pferchen im Gatsch steht und sie uns mit großen, wissenden Augen anschauen. Auch die vielen Tiertransporter, die uns ständig überholen, stimmen mein Vegetarierinnenherz traurig.

Ein Teil der Great Plains wird auch für intensive Landwirtschaft genutzt. Da ist viel Bewässerung nötig - heute allerdings nicht ;-).

In Buffalo gefallen uns wieder die bemalten Backsteinhäuser.

In KANSAS können wir ein besonders hübsches Pickerl aufs Wohnmobil kleben. Genau genommen haben wir den Abstecher hierher nur deshalb gemacht ;-). Hier gibt es recht oft Wirbelstürme. Auch Dorothy aus dem „Zauberer von Oz“ hat ein solcher samt ihrem Haus durch die Luft getragen. Bei der Landung wurde dann die böse Hexe des Westens erschlagen.

In der Stadt Liberal kann man das „Originalhaus“ besichtigen. Wir haben andere Prioritäten. Wir suchen den Walmart auf - zum Übernachten auf dem Parkplatz. Diese Märkte sind überall fast gleich. Wir wissen schon, was es wo gibt. Die regionalen Unterschiede bescheren uns hier allerdings auf der Suche nach einem Autoatlas Liebesromane für Amische Mädchen.

Wir stellen uns also auf eine vertraut angenehme Nachtruhe ein. Allerdings wird die erheblich gestört. Gegen Mitternacht bricht plötzlich ein infernalischer Hagelsturm mit anschließendem Starkregen los. Unser Wohnmobil wackelt so sehr, dass ich ernsthaft befürchte, es könnte umkippen. Klaus ist allerdings unbesorgt, sodass die wildromantischen Aspekte schließlich die Oberhand gewinnen. Kein Wunder, dass die Geschichte von Dorothys davonfliegendem Haus ausgerechnet in dieser Gegend angesiedelt wurde.

 

Do, 11. Mai

Am Morgen ist der Spuk vorbei, als wäre nichts gewesen. Nur einige Wasserlacken sind zurückgeblieben, und es hat merklich abgekühlt. In die Wanne in unserer Garage ist nach dem Regen wieder Wasser eingedrungen. Das macht uns diesmal allerdings nichts aus, denn nachdem wir dreimal Katheter trockengelegt haben, sind dort jetzt nur mehr die Flossen und die Taucherbrille verstaut - artgerechte Haltung also.

Nach unserem durchaus aufregenden Abstecher nach Kansas fahren wir nun zurück nach TEXAS, nach Südwesten. OKLAHOMA hat auch einen Panhandle, der im Wesentlichen zwischen Kansas und Texas nach Westen ragt. Er ist ca. 60km breit. Den durchqueren wir jetzt. Unsere Fahrt geht heute durch die klassische Prärie des amerikanischen Westens, die im Augenblick teilweise ziemlich überschwemmt ist. Riesige eingezäunte Flächen mit Bohrtürmen, Ölpumpen und Raffinerien haben die Rinderherden und Felder abgelöst. Das Kurzgrasland ist ein Eldorado für unzählige Präriehunde, von denen wir aber zunächst keine zu Gesicht bekommen. Vor uns türmen sich attraktive Wolkenformationen auf. Als Klaus aussteigt, tritt er fast auf eine Klapperschlange. Ihr ist Gott sei Dank so kalt, dass sie ruhig liegen bleibt und für ein Foto posiert.

Parallel zu uns verläuft eine Eisenbahnlinie, die offenbar nur für den Güterverkehr genutzt wird. Scheinbar endlose Züge - ich zähle über 100 Waggons - fahren an uns vorbei, oft von mehreren Lokomotiven gezogen. Das muss eine enorme Organisationsleistung sein. Jeder einzelne Container hat ja seinen Bestimmungsort.

Nun heißt es: „Show me the way to Amarillo“ (ein Hit aus den 70er-Jahren). Für die nächsten zwei Nächte haben wir wieder einen Campingplatz gebucht - das geht sehr gut von unterwegs, wenn man Internet hat.

 

Fr, 12. Mai

Ruhetag auf dem Campingplatz mit Putz- und Wascharbeiten und Genießen des guten Internets. Bei einer kleinen Radtour stoßen wir auf eine sogenannte Präriehunde-Stadt, ein Bau neben dem anderen auf einer großen Fläche. Ich finde, sie sehen wie Murmeltiere aus. Leider sind sie sehr scheu. Klaus legt sich mit seiner Kamera auf die Lauer. Er kann sehr geduldig sein.

 

Sa, 13. Mai

Ca. 5 km westlich von Amarillo ist die Cadillac-Ranch. 10 Cadillacs aus den 1950er und 1960er-Jahren wurden in einer Linie schräg - alle im gleichen Winkel - eingegraben und strecken ihre „Heckflossen“ nach oben. Sie sollen die Freiheit, die das Automobil mit sich brachte, repräsentieren. Die Autos sind über und über sehr bunt besprüht. Diese Graffitis sind als Teil dieser Kunstinstallation aus 1974 sogar explizit erwünscht, deren Aussehen sich auf diese Weise ständig verändert. Ob allerdings die vielen Sprühflaschen und ihre Deckel in allen Farben, die am Boden und in den Ackerfurchen des benachbarten Maisfelds herumliegen, auch dazugehören, weiß ich nicht. Wenn es nicht so wäre, könnte man doch einen großen Mistkübel aufstellen. Es riecht nach Lackfarbe. Angeblich waren die Autos ursprünglich ganz weiß. Sie wurden schon mehrmals offiziell übermalt, aber sie bleiben keine 24 Stunden unbesprüht. Dieser geile Anblick ist natürlich wie geschaffen für einen Drohnenflug. Leider ist es der starke Wind nicht. Klaus macht einen Versuch, aber sie lässt sich nicht steuern.

Wir fahren weiter auf der Route 66 nach Westen. Allerdings ist sie hier ident mit einer Interstate-Autobahn und hat jede Romantik eingebüßt. Nach ca. 100km überqueren wir die Grenze nach NEW MEXICO.

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