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2. Kapitel: Florida

 

15. April, Karsamstag

Auf nach FLORIDA, the „Sunshine State“, und ein weiteres buntes Pickerl auf die Rückwand unseres Autos geklebt. Wir freuen uns, das Meer zu sehen, den Atlantik.

Unseren Reifendruck sollten wir dringend mal überprüfen. Aha, hier wird er nicht in bar gemessen, sondern in psi (= pound per square inch), schon wieder eine Rechenaufgabe. 1 bar = 14,5 psi. Unsere Reifen brauchen also 65 psi.

Der Campingplatz im Little Talbot Island State Park ist besonders schön. Daher bleiben wir gerne zwei Nächte.

Wir machen eine nette kleine Wanderung durch den Hammock, ein für uns merkwürdiger Mischwald aus Buchen, Föhren und Palmen - ganz typisch für Florida. Der Weg ist sehr hübsch angelegt und mit Erklärungstafeln versehen. Dabei lernen wir, dass die dichten silbergrauen „Spinnweben“, die überall von den Bäumen hängen, Aufsitzerpflanzen sind. Sie sind keine Parasiten, müssen sich aber irgendwo anhängen, damit sie zum Licht kommen. Sie ernähren sich von der Luftfeuchtigkeit. Ihr Name „Spanish Moss“ ist irreführend. Die Pflanzen sind kein Moos, sondern gehören zur Familie der Ananas. Der Wald sieht durch sie irgendwie mystisch aus, wie in „Herr der Ringe“, meint Klaus. Er macht übrigens wieder einmal sensationelle Makrofotos, z.B. von einer Raupe mit Stirnfransen und von Winkerkrabben, bei denen eine der rosa Zangen jeweils viel größer ist als die andere. Es gibt Linkswinker und Rechtswinker. Ein Mini-Leguan mit leuchtend rotem Kehlsack gesellt sich auch noch dazu. Was man halt in seinem Vorgarten so findet.

Später wenden wir uns profaneren Dingen zu, nämlich dem Wäsche waschen, um den Tag dann wieder romantisch mit einem Osterfeuer ausklingen zu lassen. Schließlich hat auch dieser Campground auf jedem Stellplatz eine Feuerstelle

16. April, Ostersonntag

Wir zelebrieren unser Osterfrühstück, bemalen weichgekochte Eier mit Filzstift und pecken auch damit. Köstliche Cookies aus dem Whole Foods Market dienen als Osterkuchen und ein Stämmchen Petersilie als Blümchen. Uns geht’s gut!

Gestern haben wir bereits auf großen Plakaten gesehen, wie die „Undeniable Truth“ von den zahlreichen Kirchen verkündet wird, und in den Supermärken haben uns die quietschbunten Osterhasentorten nicht gelockt.

Wie schön, dass wir im Frühling in Florida sind. Die Temperaturen sind zwar sommerlich warm, aber nicht unerträglich heiß. Und abends kühlt es ab, sodass man gut schlafen kann. Auch die Gelsenplage hält sich in Grenzen.

Wir verbringen einen gemütlichen Urlaubstag auf dem Campingplatz.

 

17. April, Ostermontag

Unser heutiges erstes Ziel ist der Apple-Store in Jacksonville. Mein Handy lässt sich nämlich nach vielen Jahren treuer Dienste nicht mehr ausschalten. Das Ende ist also vorprogrammiert. Klaus freut sich sehr, dass ich das alte Graffel endlich loswerde, und kann kaum glauben, dass ich mir nicht sofort auch eine Apple-Uhr kaufe ;-). Auf jeden Fall habe ich jetzt ein iPhone 7 mit einem wunderschönen roten Bumper. Die Übertragung vom alten auf das neue Handy hat die nette und kompetente Verkäuferin gleich im Geschäft gemacht. Es ging „painless“, wie sie meinte. Wir können uns also beruhigt unserer Weiterreise widmen.

St. Augustine ist eine ehemalige spanische Niederlassung. Im Zuge der Eroberung der Karibik kamen sie im 16. Jhd. hierher. Wir steuern auch sofort auf die maurisch anmutende große Kirche mit Kuppel zu. Es stellt sich allerdings heraus, dass es sich um eine Presbyterianische Kirche aus dem 19. Jhd. handelt. Auch die anderen historischen „Spanischen Gebäude“ sind noch blutjung und gehören zum Flagler Collage. Mr. Flagler war übrigens ein Eisenbahnmagnat, der Florida mit einer Bahnlinie erschlossen hat. Die Straßen der Stadt haben einschlägige Namen: Valencia Street, Sevilla Street, usw.

Die vielen hübschen Wohnhäuser aus Holz gefallen uns ganz besonders gut. Hier könnte „Unsere kleine Stadt“ von Thornton Wilder spielen. „Oder die Kinder von Bullerbü“, meint Klaus. Auch die Villa Kunterbunt ist dabei. Wir kommen uns vor wie in einem Freilichtmuseum.

Für heute Abend haben wir schon wieder einen Campingplatz gebucht, und zwar im Tomoka State Park. Auch hier ist es idyllisch schön und natürlich haben wir auch hier wieder kein Internet. Angeblich kann man an der Spitze der Halbinsel Seekühe (= Manatees) beobachten. Wir legen uns geduldig auf die Lauer, aber leider erfolglos. Was wir allerdings zu sehen bekommen, ist ein geschmackloses Denkmal für den Indianerhäuptling Tomokie, dem Namensgeber des Parks.

 

Di, 18. April

In der Früh fahren wir nochmals ans Wasser. Auf dem Schild „Manatee Area“ sitzen unbeeindruckt zwei Pelikane, und einige Delphine zeigen uns ihre Rückenflossen. Eine Sekunde lang zeigt uns eine Seekuh ihr Hinterteil - leider zu kurz für ein Foto.

Wir brechen ein wenig enttäuscht auf - weiter nach Süden. Florida ist übrigens total flach. Daher sieht man meilenweit. Die höchste Erhebung ist sage und schreibe 100m (Meter) hoch.

Auch das Kennedy Space Center (KSC) auf Cape Canaveral kündigt sich mit seinem Rocket Garden, den vielen aufgestellten Raketen aller Größen, schon von weitem an. Zunächst würdigen wir die gute Organisation, die gewaltigen Besuchermassen zu bewältigen. Der Eintritt ist zwar schweineteuer - $50,00 pro Person -, aber es wird auch einiges geboten. Von hier aus starteten alle bemannten Raumflüge der USA, zuletzt 2011. Mit einer Bustour fährt man zunächst zu den riesigen Werkstätten, Bürogebäuden, dem Kontrollzentrum, den Raketenabschussrampen und zur Startbahn der Space Shuttles. Boeing und SpaceX sind ins Raumfahrt- Business eingestiegen. Sie widmen sich der kommerziellen Seite. Privatpersonen, die über das nötige Kleingeld verfügen, werden bald ins Weltall fliegen können. Nun sehen wir einen Film über das Apollo-Programm und die Mondflüge in den späten 1960er- und den frühen 1970er-Jahren. Wir dürfen uns auch ins Kontrollzentrum setzen und den Start von Apollo XI 1969 miterleben. Hier sieht es aus, als wäre das Rechenzentrum eben von den Wissenschaftlern verlassen worden.

Zuletzt „fliegen“ wir mit dem Space Shuttle Simulator. 1981 war die erste Space Shuttle Mission. Das Sensationelle war, dass sie zur Erde zurückkamen und wiederverwendbar waren. Das Space Shuttle Atlantis hat hier nach 33 Weltraum-Missionen sein Ausgedinge gefunden.

Für das Jahr 2030 ist geplant, dass Menschen auf dem Mars landen.

Fünf Stunden haben wir hier zugebracht. Jetzt fehlen uns noch ca.100km bis zum heutigen Tagesziel, dem Campingplatz im Sebastian Inlet State Park, der nach dem Zufluss vom Sebastian River benannt ist. Hier ist es sehr ordentlich, fast geleckt, nicht so dschungelig wie zuletzt. Wir haben aber direkt von unserem Platz aus einen wunderschönen Blick aufs Meer und genießen den Sonnenuntergang.

Mi, 19. April

Ein Ruhetag auf dem Campingplatz mit einem kleinen Radausflug im angenehm erfrischenden Regen. Das Klima Floridas ist im Norden gemäßigt und im Süden tropisch. Wir befinden uns hier in einer subtropischen Übergangszone - jetzt im Frühling sehr angenehm.

Viele Pelikane gibt es hier. Im Flug wirken sie sehr elegant, aber wenn sie mit ihren hängenden Kehlsäcken beisammensitzen, wirken sie eher wie alte, versoffene Piraten.

Die Amerikaner angeln offenbar sehr gerne. Oft haben wir - wie auch hier - dicht bevölkerte „Fishing Piers“ gesehen. Die Beute wird dann gleich in einer der zahlreichen Grillstationen zubereitet. Was auch unabdingbar notwendig zu sein scheint, ist Eis. In jedem Supermarkt, an jeder Tankstelle und auf jedem Campingplatz gibt es große Säcke voller Eiswürfel. Uns verbirgt sich dieser Bedarf.

In allen Nationalparks und State Parks besteht Alkoholverbot. Klaus gönnt sich also sein gelegentliches Glas Wein am Abend illegal. Auch während unser Auto fährt, dürfen wir keinen Alkohol im Kühlschrank haben, auch kein Bier.

Unser Auto und unsere Klappräder werden oft bestaunt. Sie sind so „cute and tiny“. Also haben wir uns in Erinnerung an die alte Fernsehserie „Clever und Smart“ - das sind wir natürlich auch - in „Cute und Tiny“ umbenannt. Eine Frau hat uns gestern allen Ernstes gefragt, ob unser Wagen „a sort of RV“ sei, nur „so eine Art“ Wohnmobil. In Amerika ist einfach alles viel größer.

Zum krönenden Abschluss des Tages schneidet mir Klaus vor den staunenden Augen eines begeisterten Publikums die Haare. Er macht das sehr gut. Immer wieder überrascht er mich mit neuen Talenten.

 

Do, 20. April

Weiter geht es nach Süden. Wir machen zunächst einen Abstecher zum „Manatee Observation Center“. „It’s up to nature“, ob wir welche sehen, meint die Dame am Schalter. Wir sehen keine. Immerhin können wir uns einen kurzen Film anschauen. Die freundlichen Maskottchen Floridas sind bereits vom Aussterben bedroht. Diese massigen und etwas plump aussehenden Meeressäuger leben in den warmen Küstengewässern, aber auch in warmen Flüssen und Süßwasserseen im Landesinneren. Sie haben einen grauen, fischförmigen, aber felligen Körper und können bis zu 5 Meter lang und über 1000kg schwer werden. Schließlich sind sie ja mit den Elefanten verwandt. Da sie schlecht hören und etwas träge sind, werden sie oft von Booten angefahren, ja sogar nicht selten von Schiffsschrauben getötet. Früher wurden sie wegen ihres Fleisches gejagt. Jetzt stehen sie natürlich unter Naturschutz. Eine nette Geschichte ist, dass Columbus, als er solche Seekühe zum ersten Mal gesehen hat, meinte, die Meerjungfrauen wären gar nicht so hübsch, wie man immer angenommen hat. Dieses Center hier nennt sich daher auch „The Vanishing Mermaids“.

An der Ostküste von Florida gibt es vorgelagerte sandige, flache Inseln, die Barrier Islands. Miami Beach ist eine davon, und die State Parks, in denen wir in den letzten Tagen übernachtet haben, lagen auch auf solchen Inseln. Weitere bekannte Orte, an denen wir heute vorbeirauschen, sind Palm Beach und Fort Lauderdale.

Sehr oft sehen wir Werbungen für Anwälte auf großen Plakatwänden entlang der Highways Sie sind alle ähnlich aufgebaut. Zunächst ein Schlagwort, z.B.: „Injured or Arrested?“ oder „Bankruptcy?“ oder „Slip & Fall?“ Darunter ist der jeweilige Anwalt abgebildet, wie er sich z.B. gerade die Ärmel aufkrempelt. Zuletzt findet sich die Telefonnummer und Aussagen wie: „Call me Larry, I fight 4 U“ oder „Call the agressive attorney“. Wir schmunzeln zunächst darüber, sind dann aber sehr dankbar, dass wir keinen von ihnen brauchen.

Miami begrüßt uns zu unserer Freude mit einem Whole Foods Market. Wir mischen uns beim Buffet ein köstliches Mittagessen zusammen und füllen unsere Vorräte auf.

Unser Campingplatz im riesigen Larry und Penny Thompson Park hat eine Hausnummer über 12.000. So hohe Nummern haben wir nicht einmal in Washington gesehen. Ein Waschbär huscht an uns vorbei. Leider zu flott für ein Foto.

Wir haben sogar Internet. Es ist aber sehr langsam. Wir können nichts herunterladen und auch unseren Blog wieder nicht hochladen. Die Kommunikation über Facebook, Whatsapp, SMS und Skype funktioniert aber gut. Bei der Gelegenheit erfahren wir, dass in Österreich gerade ein Schneechaos herrscht, während wir hier sommerliche Temperaturen genießen.

Am Abend bestellen wir uns in bewährter Weise ein Uber-Auto und fahren in die Stadt.

Little Havanna interessiert uns besonders. Wir lassen uns in der 8. Straße, der Calle ocho, absetzen. Hier wird fast ausschließlich spanisch gesprochen. In den 1960er Jahren sind viele Kubaner vor Castro geflohen und hierher ausgewandert. Kuba ist ja gar nicht weit entfernt. Alles ist sehr bunt und laut und wirkt eher ärmlich. Aus allen Läden und Lokalen ertönen lateinamerikanische Rhythmen. Die Atmosphäre und das Lokalkolorit gefallen uns sehr gut. Es werden vor allem Zigarren, Heiligenfiguren und kubanische Spezialitäten verkauft. Wir landen in einem kleinen Lokal mit Livemusik und köstlichem, preiswertem Essen. Klaus trinkt Bier mit Zitrone und isst schwarze Bohnen.

Nach diesem gelungenen Ausflug bringt uns wieder ein Uber-Auto nach Hause. Die Fahrt dauert fast eine Stunde. Miami ist flächenmäßig nämlich sehr groß.

 

Fr, 21. April

Zu unserer Überraschung treffen wir auf unserem Campingplatz ein deutsches Paar, das Klaus bereits im Hafen von Baltimore kennengelernt hat. Sie haben auch ihr Wohnmobil nach Amerika verschiffen lassen. Wir nehmen sie mit in die Stadt. Wir wollten heute ohnehin mit dem Auto fahren, um einen weiteren Manatee-Versuch im hiesigen „Seaquarium“ zu machen. Was das betrifft, sind wir erfolgreich. Die kleinen, eher lieblosen Becken und die Delphin-Shows machen uns aber eher traurig. Zur Ehrenrettung der Betreiber ist zu sagen, dass sie sich um verletzte Tiere kümmern und ihnen dadurch das Leben retten. Unser Bedarf an „Sea World“ ist jetzt jedenfalls gedeckt. Immerhin bekommen wir von hier aus die Skyline von Miami zu sehen.

Nun fahren wir noch auf die Halbinsel Key Biscayne. Direkt am Wasser liegen die Yacht-Clubs. Hier wohnen auch die Superreichen in ihren tollen Villen. Zu den berühmten Palmenstränden kann man nur gegen Bezahlung vordringen.

Am Nachmittag, nach unserer Rückkehr auf den Campingplatz, radeln wir noch durch den weitläufigen Park. Vielleicht zeigt sich ja der Waschbär noch einmal, leider nein.

Sa, 22. April

Nach dem Ausschlafen und einem gemütlichen Frühstück „fangen wir den späten Wurm“ (Zit. Klaus) und fahren weiter nach Süden.

Heute geht es auf die Florida Keys. Diese Inseln reihen sich in einer geschwungenen Linie über ca. 150km Richtung Südwesten hintereinander, in zunehmendem Abstand vom Festland. Schließlich scheinen sie sich im Golf von Mexiko zu verlieren und den Weg in die Karibik zu weisen. Mit Schlüsseln haben die Keys nichts zu tun. Die Spanier nannten sie Cayos. Das bedeutet kleine, flache Inseln. Als die USA den Spaniern die Inseln 1821 abkauften und die ersten englischsprachigen Siedler kamen, verballhornten sie Cayo zu Key.

Zunächst hatten die Amerikaner schwer mit den Piraten zu tun, die auf den vielen kleinen Inseln hausten. Darüber gibt es zahllose Geschichten und Filme.

1905 wurde mit dem Bau der ersten Brücken zwischen den Hauptinseln begonnen, zunächst nur für die Eisenbahn. Heute hüpft man ganz bequem auf dem Overseas Highway von einer Insel zur nächsten. Das Meer links und rechts von uns ist türkis bis grün und in der Ferne tiefblau - fast unwirklich. Die erste Insel ist Key Largo. Der Filmklassiker mit Humphrey Bogart wurde nicht nach diesem Ort benannt, sondern umgekehrt. Der hieß früher ganz anders. Nur ganz wenige Szenen für den Film wurden tatsächlich hier gedreht. Auch der Ursprung des Namens der Stadt Marathon auf Vaca Key ist interessant. Die Arbeiter, die 1908-1912 die 7-Miles-Bridge zur nächsten Insel bauten, verglichen die schwierige und langwierige Arbeit mit einem Marathonlauf. Zunächst wurden die Arbeiterquartiere so genannt. Dann kamen Geschäfte, Werkstätten und Kneipen dazu, und schon war eine ganze Stadt dieses Namens entstanden. Heute verlaufen hier zwei Brücken parallel. Die alte Eisenbahnbrücke wurde durch einen Hurrikan teilweise zerstört und nicht wieder repariert. Die neue Brücke, auf der wir fahren, wurde in den 1980er-Jahren gebaut. Im hiesigen Delphin-Forschungszentrum wurde übrigens seinerzeit der berühmte Flipper trainiert.

Je weiter wir nach Süden kommen, desto mehr spanische Aufschriften gibt es, und wir treffen auf immer mehr Leute, die kaum englisch sprechen. In den Supermärkten gibt es einschlägige Dinge zu kaufen, z.B. Kerzen mit kitschigen Heiligenbildchen drauf. Das wäre etwas für Gabis Sammlung. Wir kommen uns fast so vor, als wären wir in Spanien auf Urlaub. Der Anteil der Hispanics und Latinos beträgt in Florida ca. 20%.

Klaus träumt vom Schnorcheln. Schließlich befindet sich um die Keys das einzige lebende Korallenriff der USA. Das macht natürlich den Erwerb einer Unterwasserkamera notwendig.

Kaum haben wir das tolle GoPro-Gerät erstanden, beginnt es zu regnen. Aus azurblau wird trüb. Unser Campingplatz liegt auf Sugarloaf Key.

Der Regen hat hier riesige Pfützen gebildet, in denen die Campinggäste mit großem Vergnügen bis zu den halben Waden herumwaten. Es ist ja sehr warm.

 

So, 23. April

Die Sonne geht strahlend über den neu entstandenen „Seen“ auf unserem Campingplatz auf. Es regnet nicht mehr. Der Himmel ist blau. Klaus holt sich schmerzhafte Mückenstiche, weil er es natürlich nicht lassen kann, mit dem Fotoapparat in den Mangrovenwald unmittelbar hinter unserem Wohnmobil einzudringen.

Bis Key West sind es noch 13 Meilen. Der Name ist eine doppelte Verballhornung. Die Spanier nannten sie „Cayo Hueso“ = flache Insel in Form eines Knochens. Daraus wurde „Key West“. Weil es zufällig der westlichste Zipfel ist, passt es wieder.

Wir fahren ein Stück mit dem Auto. Klaus sucht sich einen Platz, um wieder einmal mit unserer Drohne zu üben. Man muss ja beachten, wo das Fliegen überhaupt erlaubt ist. Es ist schon ein bisschen aufregend, wenn das Ding über dem Wasser schwebt und dann -hoffentlich - wieder zurückkommt und landet.

Schließlich stellen wir das Auto auf einem Supermarkt-Parkplatz ab. In die Stadt hinein fahren wir mit den Fahrrädern.

Viele Häuser sind auf Stelzen gebaut oder haben im Erdgeschoss nur die Garage. Das Wetter auf den Inseln ist nämlich sehr unberechenbar Es gibt immer wieder Hurrikans und Sturmfluten. Das macht die ausgesetzte Lage zwischen Golf von Mexiko, Atlantik und Karibik. An manchen Straßen haben wir den Hinweis auf „Hurricane escape routes“ samt Piktogramm gesehen.

Heute ist übrigens der Independence Day der CONCH REPUBLIC [konk].

Sie wurde am 23. April 1982 ausgerufen. Damals wie heute hatten die Behörden Südfloridas Mühe mit der Bekämpfung von Schmuggel und Drogenhandel. Da es unmöglich ist, die endlosen Küsten der Keys zu kontrollieren, beschlossen die Grenzschützer bereits bei Florida City, wo der Highway über die Inseln beginnt, Kontrollpunkte zu installieren und alle Autos zu überprüfen. In Key West war man über diese Maßnahme sehr erbost. „Wenn wir schon wie Ausländer behandelt werden, können wir gleich aus den USA austreten“, lautete die Parole. Eine Flagge wurde entworfen und Pässe ausgegeben. Das alles war zwar nicht tierisch ernst gemeint, aber sehr medienwirksam, und die Grenzkontrollen wurden wieder aufgehoben. Die große, rosa Fechterschnecke war immer schon ein Symbol für Key West. Die Einheimischen nennen sie und sich selbst Conchs. Wir haben jedenfalls ein einschlägiges Länder-Pickerl fürs Wohnmobil gekauft.

Es gibt reizende Häuser in der Stadt. Eines davon ist das Litte White House, in dem Präsident Truman oft seine Ferien verbrachte. Es sieht dem Weißen Haus in Washington nicht ähnlich. Immerhin ist es weiß, und der Präsident regierte zeitweilig von hier aus die USA.

Auch die Villa, in der Hemingway von 1931-1940 wohnte, lassen wir uns nicht entgehen.

Ein tonnenförmiges Monument, das eine Boje darstellen soll, zeigt den Southernmost Point of Continental USA an. Hawaii liegt natürlich noch südlicher.

Beschaulich und nett ist es auf Key West nicht. Das war es vielleicht früher einmal. Heute ist es total von Touristen überlaufen - von uns ja auch.

An den Anblick von Palmen haben wir uns in der Zwischenzeit total gewöhnt. Das sind einfach die üblichen Alleebäume in Florida.

Das Radfahren hat uns gut gefallen, aber wir haben sehr geschwitzt. Heute war mit 34° der bisher heißeste Tag unserer Reise. Erfreulicherweise kühlt es abends ab. Es ist ja immer noch Frühling.

 

Mo, 24. April

Wir fahren auf dem Overseas Highway zurück aufs Festland. Es gibt ja nur diese eine Straße.

In Key Largo machen wir eine kleine Pause und schauen uns die „African Queen“ aus dem gleichnamigen Film mit Humphrey Bogart und Katharine Hepburn an. Es handelt sich angeblich wirklich um das Originalboot, das im Film verwendet wurde. Man kann Ausflüge damit buchen.

Wir fahren an Miami vorbei und dann nach Westen durch die Everglades.

Nach intensivem Studium des Reiseführers haben wir uns endgültig gegen eine genauere Erkundung des berühmten Sumpfgebiets entschieden, nicht nur wegen der „unerträglichen“ Mückenplage. Eine sehr interessante Bootstour haben wir ja schon in den Swamps von Georgia gemacht. Wir haben ja frech auch Orlando samt Disney World, die Welthauptstadt des Kommerztourismus, ausgelassen.

Unser heutiges Tagesziel ist der Walmart-Parkplatz in Naples. Auch hier ist Overnight Parking erlaubt und der Markt bietet uns Internet. Übrigens nennt Klaus diese Märkte „Wohlmut“. So hieß nämlich ein Lebensmittelgeschäft in Zwölfaxing.

 

Di, 25. April

 Ich erfahre von meiner Bank, dass meine Kreditkarte offenbar kopiert und missbräuchlich verwendet wurde. Die Bank hat das erfreulicherweise gleich bemerkt, und es wurde mir nichts abgebucht. Allerdings wurde meine Karte nun gesperrt, und eine neue kann nur an meine Heimatadresse geschickt werden. Zum Glück hat Klaus zwei Kreditkarten und überlässt mir für die weitere Reise eine davon. Ich überweise ihm dafür Geld auf sein Konto - der TAN auf meine amerikanische Telefonnummer funktioniert. Außerdem gelingt es mir, mit meiner Bankomatkarte Bargeld abzuheben. Nach dem ersten Schreck überwiegt die Dankbarkeit, für alles, was so gut funktioniert.

Wir fahren heute zum ersten Mal seit langem nach Norden. Der Golf von Mexiko wird uns nun einige Zeit begleiten. Im Oscar Scherer State Park bei Sarasota haben wir einen Campingplatz gebucht. Wir schlafen heute wieder im Dschungel. Das hatten wir auf dieser Reise schon oft: Man fährt auf einer Schnellstraße, biegt ab und ist im Paradies. Diese State Parks und National Parks sind wunderbar. Sie bieten unberührte Natur und erlauben einen sanften Tourismus. „Landscapes like these must be enjoyed and must be protected.“ Man bekommt eine Liste mit Regeln, die man einhalten muss. Man soll z.B. die Alligatoren nicht erschrecken - steht wirklich drauf. Wir sehen allerdings keine, nur viele Eichhörnchen, Leguane und die verschiedensten bunten Vögel, direkt auf unserem Standplatz. Unsere Fahrräder können wir hier wieder sehr gut brauchen.

 

Mi, 26. April

Es geht weiter nach Norden zur großen Tampa Bay. In der gleichnamigen Stadt gibt es einen Apple-Store, in dem meine Apple-Watch auf mich wartet. Meine stinknormale Uhr geht ja seit langem nicht mehr genau. Und weil diese Wunderuhr doch in Amerika viel billiger ist als bei uns. Und weil ich doch auch ein neues Handy habe, mit dem sie sich verbinden kann. Und überhaupt :-). Auf der anderen Seite der Bucht liegt Saint Petersburg.

Wir fahren also über die ganz moderne Sunshine Skyway Bridge hinüber zu unserem heutigen Campingplatz. Diesmal ist das wieder ein „ganz normaler“ Platz, das heißt, dass wir heute nicht im Urwald verschwinden. Es ist aber sehr schön und gepflegt hier - mit Blick aufs Wasser, einen Meeresarm, über den Klaus die Drohne fliegen lässt. Er bekommt immer mehr Übung.

Wir haben auch wieder Internet, aber es immer dasselbe, es ist entweder zu langsam oder ungesichert, meistens beides. Unseren Blog konnten wir schon seit Wochen nicht mehr hochladen.

Zum Abendessen fahren wir mit den Fahrrädern los und landen eher zufällig in einem typisch amerikanischen „Diner“, wie wir sie aus diversen Filmen kennen. Wir essen sehr gut und überraschend preiswert.

 

Do, 27. April

Wir nützen unseren heutigen „Ruhetag“ auf dem Campingplatz für ausgedehnte Putz- und Umräumungsaktionen und wieder einmal zum Wäsche waschen. Auf den Campingplätzen gibt es fast immer Waschmaschinen und Trockner. Man muss Vierteldollar-Stücke, Quarters, einwerfen. Diese Münzen braucht man sehr oft. Wir haben uns bereits mehrmals auf der Bank mit einem Vorrat eingedeckt.

Ein kleiner Radausflug ist auch angesagt. Schließlich fordert mich meine neue Uhr zu einer Trainingseinheit auf.

Außerdem haben wir unsere Geräte mit Ladekabel gezählt - 15 Stück. Ständig muss irgendetwas aufgeladen werden.

 

Fr, 28. April

Wir fahren wieder über die große Tampa Bay zurück und weiter nach Norden zum Homosassa Springs Wildlife Park. Hier sehen wir wieder Manatees, diesmal in natürlicher Umgebung. Wir haben den Eindruck, dass die Tiere hier artgerechter gehalten werden. Auch in diesem Park gibt es viele verletzte Tiere, die hier überleben können. Ihre Nachkommen werden ausgewildert. Oft kann man die Leidensgeschichte einzelner Individuen nachlesen.

Wir sehen auch ein Nilpferd, einige Weißwedelhirsche und viele Vögel in allen Farben, wie aufgeregte Geier bei der Balz, Truthähne, rosa Löffler, weiße und braune Pelikane, Ibisse, Flamingos, Caracaras, Reiher und Kraniche. Am Gehege des Bald Eagle = Weißkopfseeadler prangt eine große amerikanische Fahne. Er ist das Wappentier der USA. Da liegen ja sogar einige Krokodile herum. Zum Unterschied zu den Alligatoren haben sie einen flacheren Kopf, und die Zähne stehen an den Seiten heraus - also alles in allem unsympathischer und gefährlicher.

Nach dieser ausgedehnten Pause fahren wir weiter zu unserem heutigen Tagesziel, dem Campingplatz im Manatee Springs State Park- ein schöner Platz mitten im Wald. Die „Springs“ bieten köstliches Trinkwasser und eine herrlich erfrischende Bademöglichkeit. Klaus kann endlich ein bisschen schnorcheln und die Unterwasserfotos von der GoPro-Kamera werden erstaunlich gut.

Zum Abendessen besucht uns heute Familie Weißwedelhirsch. Das mit der Abkühlung am Abend stimmt mittlerweile nicht mehr. Wir beschließen, selbst dafür zu sorgen und wandern in stockdunkler Nacht durch den Wald zum Quellteich für ein mitternächtliches Bad. Nur die Sterne leuchten uns - und eine Taschenlampe. Dabei scheuchen wir ein Gürteltier auf. Wir haben vorher noch nie eines gesehen, weder in der Natur, noch im Zoo. Leider wartet es nicht, bis Klaus den Fotoapparat geholt hat.

Sa, 29. April

Wir fahren schon wieder nach Norden. Bald sind wir um den Florida-Finger herum. Der Staat geht aber noch ein bisschen nach Westen weiter.

Unsere Fahrt geht wieder einmal durch einen Urwald, einen Virgin Forest, wie das so nett heißt. Wieder sind wir verzaubert von der Landschaft, und dann wieder so ein Schild: „Law Enforcement“ mit einem reichhaltigen Angebot an Waffen, die man dort kaufen kann.

Auch das „Gas-Station-TV“ finden wir etwas befremdlich. Es könnte einem ja, während der Treibstoff in den Tank fließt, langweilig werden. Also wird man auf dem kleinen Bildschirm der Zapfsäule - in Bild und Ton - mit Werbung zwangsbeglückt.

Wir schlafen heute und morgen auf dem Campingplatz im Ochlockonee River State Park - klingt wieder verdächtig indianisch. Klaus hat schon wieder so einen schönen Platz ausgesucht. Von Wien aus war das ja gar nicht so einfach. I appreciate this very much. Von unserem Stellplatz aus haben wir einen direkten Zugang zum Fluss. Es bietet sich uns also wieder eine Bademöglichkeit. Und morgen sind wir ja auch noch da. Diese Art von geruhsamem Reisestil gefällt uns sehr. Wir machen eine kleine Wanderung über den „Nature Trail“, weil wir die Gegend erkunden und die berühmten weißen Eichhörnchen sehen wollen, und weil unsere Apple-Uhren uns zur Bewegung auffordern. Die sind sehr streng.

Am Abend sitzen wir noch lange im Freien unter dem Sternenhimmel, beleuchtet durch die vielen Glühwürmchen, die wie eine Lichterkette in den Bäumen hängen.

 

So, 30. April

Wir genießen einen Ruhetag im State Park, mit Putzen, Schwimmen, Spazieren gehen, Yoga und Lagerfeuer.

Wir haben schon befürchtet, gar keine weißen Eichhörnchen zu Gesicht zu bekommen. Aber jetzt hat uns gerade ein sehr neugieriges Exemplar besucht. Es ist sogar auf die Trittstufe unseres Wohnmobils gehüpft, um den Innenraum zu inspizieren.

 

Mo, 1. Mai

Der dritte Monat unserer Reise beginnt. Einerseits scheint unser Aufenthalt in New York unendlich weit zurückzuliegen, andererseits habe ich gar nicht das Gefühl, schon ungewöhnlich lang unterwegs zu sein. Klaus bezeichnet das Leben, das wir gerade führen, als „zeitlos“.

Wir fahren weiter nach Westen, auf dem sogenannten Panhandle = Pfannenstiel von Florida, dem schmalen Streifen, der sich westlich der fingerförmigen Halbinsel entlang des Golfs von Mexiko erstreckt. Das Wetter ist ziemlich stürmisch. Gar nicht weit von uns entfernt war heute Nacht ein Tornado, der einige Todesopfer gefordert hat. Möglicherweise spüren wir die letzten Ausläufer davon. Die Häuser sind hier nicht ohne Grund auf besonders hohen Stelzen gebaut. Am Straßenrand lauern Bären auf uns, allerdings (leider) nur auf Verkehrsschildern.

Auf der schmalen, langgestreckten Halbinsel St. Joseph liegt unser heutiger State Park mit Campingplatz. Hier sieht es ganz anders aus, als wir es in den letzten Tagen gewohnt waren. Wir finden eine Dünenlandschaft vor, mit weißem Sandstrand, der zu einem Barfuß-Spaziergang einlädt. Die rote Fahne für Badeverbot flattert im Wind. Das Meer ist heftig aufgewühlt. Mich erinnert das ein wenig an die Ostsee. Aufgeregte Vögel und Krabben wuseln herum, und ein ebenso aufgeregter Klaus wuselt mit seinem Teleobjektiv hinterher.

Wir haben heute übrigens die Zeitzone überschritten und haben jetzt Central Time. Ziemlich ungewöhnlich, dass die Zeitzonengrenze durch einen Bundesstaat hindurch führt. Das hängt eben auch mit dem bereits erwähnten „Pfannenstiel“ zusammen. Unsere Uhren und Computer, allesamt Apple Präzisions-Devices, zeigen unterschiedliche Zeiten an, und wir kennen uns zunächst nicht aus, was jetzt stimmt. So knapp sind wir dran.

In der Nacht sind die State Parks fast ganz finster. Es gibt keine Lichtverschmutzung. Wir gehen nochmals an den Strand. Das Meer glänzt silbern, vom Mond beleuchtet - fast unwirklich schön.

Di, 2. Mai

Unsere diversen Devices haben sich eingekriegt und sind wieder gleichgeschaltet. Alle unsere Uhren zeigen wieder dieselbe Zeit an. Es sind ab nun 7 Std. Unterschied zu Österreich.

Unsere schmale Halbinsel besteht fast nur aus mehrstöckigen, bunten Ferien- und Gästehäusern auf Stelzen und dem State Park.

Auf der Weiterfahrt filmen wir mit unserer GoPro-Kamera coole Biker - männlich, übergewichtig, schnauzbärtig, Leiberl, kurze Hose, Schlapfen. Natürlich keine Schutzkleidung und kein Helm. Wir fahren ca. 150km weiter nach Nordosten zu unserem letzten State Park in Florida. Grayton Beach. Der Sand am angeblich schönsten Strand der USA ist tatsächlich blendend weiß. Allerdings ist der ziemlich weit von unserem Campingplatz weg, was uns einen öden Straßenhatscher und an Ort und Stelle einen sehr hübschen Rundweg durch die Dünen und durch den Wald beschert. Mit diesem zweistündigen Spaziergang haben wir gar nicht gerechnet. Immerhin sind unsere Watches mit diesem Workout zufrieden. Auch hier und heute herrscht Badeverbot, diesmal wegen „Dangerous Marine Life“ - wahrscheinlich Seeungeheuer.

Das abendliche Kochen samt Lagerfeuer genießen wir wieder sehr.

 

Mi, 3. Mai

Weiter „Going West“ nach Pensacola. Als ich den Namen zum ersten Mal höre, denke ich sofort an Pepsi Cola. Natürlich ist das das Marineflieger-Zentrum der USA, eine ganz wichtige Navy Base. Das kennt man natürlich - als alter Militär, sag ich mal ;-).

Kurz darauf verlassen wir Florida an seinem westlichsten Zipfel, und ein weiteres Kapitel unserer Reise beginnt.

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