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16. Kapitel: Great Lakes

  Do, 24. August

Abfahrt bei 20° Außentemperatur- sehr angenehm.

Wir wählen statt der Autobahn eine reizvollere Strecke, am Eriesee entlang, zunächst nach Toledo. „Olé“, rufe ich. „Oje“, antwortet Klaus. Es handelt sich nicht um eine romantische Stadt. Wir nehmen fast nur stinkende Raffinerien und ein Atomkraftwerk wahr.

„Pure“ MICHIGAN, wir machen unsere Mittagspause und einen Spaziergang am Eriesee. Überall wird für Ausflüge zu den Inseln geworben. Davon gibt es viele.

„Die Schwalbe flog über den Eriesee, von Detroit flog sie nach Buffalo...“ Und dann brach plötzlich ein Feuer an Bord aus. „John Maynard war unser Steuermann. Aus hielt er, bis er das Ufer gewann. Er hat uns gerettet... Er starb für uns, uns’re Liebe sein Lohn.“ Wir haben diese Ballade von Theodor Fontane in der Schule auswendig lernen müssen. Die Geschichte trug sich 1841 zu. In Wirklichkeit kamen allerdings die meisten Passagiere ums Leben. Der Steuermann blieb zuletzt an seinem Platz und überlebte schwer verletzt. Er konnte das Unglück nie überwinden und ergab sich der Trunksucht.

Detroit ist mit ca. 700.000 Einwohnern die größte Stadt von Michigan. Sie liegt am Lake St. Clair und am Eriesee. Das Zentrum der amerikanischen Autoindustrie kommt leider immer mehr herunter. Die Erdölkrise in den 1970er-Jahren war maßgeblich dafür verantwortlich. Zigtausende Arbeitsplätze gingen damals verloren. Ehemals mittelständische Wohngegenden verkamen zu Slums. Es gibt Vierteln, in die man sich besser nicht wagt.

Wir beschränken uns auf die Riverfront zum Detroit River, an der man sehr nett flanieren und nach Kanada hinüberschauen kann. Wir sind hier schon ganz nahe an der Grenze. Am Fluss steht auch das Aushängeschild der Stadt, das Renaissance Center- keine Ahnung, warum das so heißt. Fünf Glastürme unterschiedlicher Höhe, in denen sich das Hauptquartier von General Motors befindet. Uns gefällt das moderne Gebäude sehr gut. Originell finde ich, dass sich die Farben seiner Randleisten in regelmäßigen Abständen ändern. Auch das Innere ist interessant. Ein mehrstöckiges offenes Foyer verbindet alle Türme. Es dient als Ausstellungsbereich, Shopping- und Restaurantzone. Auch in dieser Stadt gibt es ein Hochbahnsystem. Es heißt „People Mover“.

Wo werden wir heute Nacht schlafen? Erstaunlicherweise hat Detroit keinen Walmart. Aber in Flint gibt es einen. Das ist ca. 100 km weiter im Nordwesten. Wir sind fast irritiert, dass er „schon“ um Mitternacht zusperrt. Wir übernachten aber trotzdem unbehelligt.

 

Fr, 25. August

Der Staat Michigan besteht nur aus zwei Halbinseln. Heute durchqueren wir die große Halbinsel, die sich von Süden nach Norden erstreckt, die Lower Peninsula, schräg in nordwestlicher Richtung, hinüber zum riesigen Michigan Lake. Im Norden und Nordosten reicht die Peninsula in den Huronsee, der mit dem Michigan Lake durch die Mackinacstraße = Straits Mackinac, einem Gewässer ohne Gefälle, auf natürliche Weise verbunden ist, und im Westen in den Lake St. Clair und den Eriesee. Wir rauschen auf der Autobahn dahin. Gerade haben wir auf dieser Reise „20.000 Meilen“ erreicht, allerdings mit festem Boden unter den Radeln und nicht „unter dem Meer“ (Jules Vernes). Und die Meilen auf dem Meer sind da nicht mitgezählt. Schon wieder ein Wegweiser nach Vienna, ein anders als gestern, „Vienna Calling...“ (Falco). Die Heimat ruft uns. Auf der Suche nach einem Platz für die Mittagspause kommen wir an einem unsäglichen Trödelmarkt vorbei. Alles, was man sich nur irgendwie vorstellen kann, gibt es hier. Mehrere Blechhütten sind vollgeräumt, und im Freien steht auch einiges herum- Autowracks u.ä. Ein Messie scheint sein Syndrom zum Beruf gemacht zu haben. „Hei Leute, kauft beim Trödler Abraham...“ Ich kann mir allerdings kaum vorstellen, wer ein verrostetes Sägeblatt oder eine kaputte Badewanne kaufen sollte.

In Manistee gibt es einen State Park. Leider ist der dortige Campingplatz schon voll. Wir fahren also noch ein wenig weiter nach Norden und finden bald in Onekama einen kleinen öffentlichen Parkplatz inmitten von Villen am See. Der sehr kleine Portage Lake hängt hier durch einen Kanal am sehr großen Michigan Lake dran. Ein öffentlicher Fußweg führt teilweise durch Gärten hindurch zu diesem Durchstich. Es tut uns gut, wieder einmal einen richtig „wilden“ Schlafplatz gefunden zu haben, ganz ohne Supermarkt. Auch die Drohne freut sich, dass sie wieder einmal raus darf. Wir machen noch einen netten Sonnenuntergangs-Spaziergang am Kanal entlang, bis zum Leuchtturm. Im Wäldchen hinter unserem Auto wohnt ein Häschen, das uns Gute Nacht sagt, obwohl wir gar keine Füchse sind.

 

Sa, 26. August

Ich habe herrlich geschlafen. Ich mag es sehr, wenn es nachts dunkel und ruhig ist. Klaus war es leider nicht warm genug. Jetzt hat er sich aber auch seine dickere Decke aus der Garage geholt.

Es ist wunderschön sonnig. Wir fahren weiter nach Norden. Links von uns liegt der Michigansee. Man glaubt, am Meer zu sein. Die Wellen schlagen ans Ufer. Weiße Schaumkronen bilden sich. Sogar Sandstrände und Dünen gibt es. Rechts von uns tauchen immer wieder kleinere Seen auf. Das ist sehr reizvoll. Kein Wunder dass es hier viele schöne Villen, Motels und Campingplätze gibt. Zusätzlich zum üblichen Mais wird hier Hopfen angebaut, und es gibt auch Obstplantagen. Aus einem grasbewachsenen Hügel schauen dezent Entlüftungsrohre raus. Die Hinweistafel „Landfill“ klärt uns auf. Die füllen ihr Land mit Müll. „Die spinnen, die Amerikaner“.

Wir sind an der nördlichsten Spitze der Lower Peninsula angekommen. Nun geht es über die 1957 gebaute Mackinac Bridge, Spitzname: „Big Mac“. Sie ist ca. 8km lang. Links der Michigansee, rechts der Huronsee. Der ist nach den Huronen, einem Indianerstamm, benannt. Die Mackinacstraße dazwischen ist übrigens so flach, dass sie die Tendenz hat, im Winter zuzufrieren. Sie muss daher in der kalten Jahreszeit mit Eisbrechern schiffbar gehalten werden. Wir sind nun auf der Upper Peninsula, die sich von hier nach Westen zieht. Nördlich von dieser Halbinsel liegt der Obere See = Lake Superior. Dort werden wir morgen hinkommen. In St. Ignace möchten wir zunächst gerne irgendwo zu Abend essen. Während wir uns sorgfältig umsehen, entdeckt Klaus ein kleines Hinweisschild: „Powwow“. Und er weiß sogar, was das ist, ein Indianertreffen mit Musik und Tänzen. Das schauen wir uns an. Das bunte Treiben gefällt uns sehr. Und zu Essen gibt es hier auch etwas. Viele Leute haben sich mit indianischen Gewändern, Federn und anderen Accessoires herausgeputzt, mehr oder weniger authentisch. Auf jeden Fall wird getrommelt, gesungen und getanzt. Interessanterweise wird auch den Veteranen viel Ehre erwiesen, ob sie nun Indianer sind oder nicht. Fahnen werden geschwenkt. Wie das nun zusammenpasst, verstehen wir nicht ganz. Was uns gefällt ist, dass es sich hier nicht um eine Veranstaltung oder Show für Touristen handelt. Sie feiern einfach fröhlich und auch ein wenig besinnlich miteinander. Was wir alles zu sehen kriegen! Klaus macht wieder einmal tolle Fotos.

Wie gut, dass wir uns schon vorher für einen Schlafplatz entschieden haben. Es wird nämlich recht spät, bis wir „heimkommen“. Wir stellen uns auf einen Parkplatz am Michigansee mit „Scenic View“ zur Brücke.

 

So, 27. August

Der Schlafplatz hat sich wieder als sehr geeignet erwiesen.

Uns ist schon aufgefallen, dass viele Ortsnamen in dieser Gegend französisch sind. Das kommt daher, dass die ersten Weißen, die hierherkamen, französische Missionare waren. Sie haben „in bester Absicht“ die Indianer getauft und das Land für ihren König in Besitz genommen.

Wir fahren auf der Upper Peninsula nach Westen, den Michigansee entlang und später nach Norden und queren die Halbinsel bis zum Oberen See = Lake Superior. Eigentlich hatten wir vor, mit einem Ausflugsschiff zu den Pictured Rocks zu fahren. Leider ist es ziemlich kühl und regnerisch, und es herrscht überhaupt kein schönes Fotolicht. Es gibt aber auch eine Stelle, zu der man mit dem Auto hinfahren kann. Das schauen wir uns an. Wir machen einen kleinen Spaziergang im Nieselregen zum Aussichtspunkt. Die Felsen sind rötlich bis orangegelb gefärbt. Ganz nett, aber da haben wir schon viel Tolleres gesehen. „Das gilt allerdings für fast alles“, meint Klaus. Wir haben wirklich schon unglaublich viel gesehen. Overnight Parking ist hier leider verboten, also biegen wir in eine Nebenstraße ab, bis zu einem Parkplatz, von wo aus man eine kleine Wanderung zu den Miners Falls machen kann. Hier richten wir uns für die Nacht ein. Natürlich schauen wir uns diesen Wasserfall auch an. Wir sind positiv überrascht. Besonders der Waldspaziergang gefällt mir gut. Nach dem Regen ist die Luft so klar.

Damit ich mir eine ungefähre Vorstellung davon machen kann, wie groß diese Seen eigentlich sind, habe ich ein wenig recherchiert.

Der größte ist der Lake Superior, der auf deutsch einfallslos „Oberer See“ heißt. Er hat die beste Wasserqualität. Nach dem Kaspischen Meer (386.000km2 ) ist er mit seinen 82.103km2 das zweitgrößte Binnengewässer und der größte Süßwassersee der Welt. Flächenmäßig ist er ungefähr so groß wie Österreich. Mitten durch den See verläuft die Grenze zwischen Kanada und den Vereinigten Staaten. Die USA-Bundestaaten, Minnesota, Wisconsin und Michigan haben an ihm Anteil und die kanadische Provinz Ontario.

Der Huronsee ist 59.600km2 groß. Er ist durch die Mackinacstraße mit dem Michigansee verbunden und grenzt an Ontario und Michigan.

Der nächstgrößte ist der Michigansee mit 58.016km2. An ihm können sich die Bundesstaaten Michigan, Indiana, Illinois und Wisconsin erfreuen.

Der Eriesee hat eine Fläche von 25.667km2. An ihm haben Ontario, Pennsylvania, Ohio und Michigan Anteil.

Der Ontariosee ist mit 18.960km2 der kleinste und grenzt an Ontario und den Staat New York. Diesen See werden wir auch noch besuchen.

Unsere Seen können da nicht mithalten. Außer vielleicht der Ladogasee in Nordwestrussland, der größte europäische See. Er ist 17.700km2 groß.

Der Plattensee misst nur 592km2, der Bodensee 536km2. Ganz zu schweigen vom Neusiedlersee mit nur 315km2.

Die Adria allerdings ist 132.000km2 groß. Die ist aber voller Salzwasser.

Alle Great Lakes sind miteinander verbunden. Die Niagarafälle überwinden z. B. den großen Höhenunterschied von 64m zwischen dem Ontariosee und dem Eriesee. Die Schiffe nehmen lieber den Umfahrungskanal. Die Verbindung zwischen dem Oberen See und dem Huronsee werden wir morgen sehen. Über die Mackinacstraße zwischen Michigansee und Huronsee sind wir ja heute gefahren. Auch zwischen dem Huronsee und dem Eriesee gibt es einen kurzen Kanal, in Detroit. Wenn man alle Seen zusammenrechnet, hat man ein riesiges schiffbares Binnenmeer von 244.346km2. Eine vielbefahrene Schiffsroute, der St.-Lorenz-Seeweg, führt von Duluth in Minnesota - diese Stadt wird „der westlichste Atlantikhafen“ genannt - durch den Oberen See, weiter durch den Huronsee nach Süden und dann durch den Eriesee und durch den Ontariosee nach Osten. Durch den Sankt-Lorenz-Strom geht es dann hinaus in den Atlantik. Über 3700km ist dieser Wasserweg, den es seit 1959 gibt, lang. Er wird auch „Highway H2O“ genannt. Der Obere See ist mit ca. 400m der tiefste. Der flachste, mit ca. 60m ist der Eriesee. Die anderen drei Seen sind etwas über 200m tief. Die Seenkette bildete sich erst am Ende der letzten Eiszeit. Forcierte Wasserentnahme und der Klimawandel lassen den Spiegel dieses weltgrößten Süßwassersystems jährlich um bis zu 1m sinken. Das ist enorm viel.

 

Mo, 28. August

Es ist sonnig bei 14°. Wir haben uns ja sehr auf den Norden gefreut, aber so kühl haben wir es uns auch wieder nicht gewünscht. Tagsüber wird es aber sicher wärmer werden. Wir fahren in der Upper Peninsula nach Osten und halten intensiv Ausschau nach Elchen, leider vergeblich. Vielleicht haben wir in Kanada mehr Glück. Man merkt schon deutlich, dass bald der Herbst kommt. Die Blätter werden schon bunt. „Es herbstelt schå båld und es färbt si da Wåld...“ Und Klaus zitiert: „ Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß....“. Er meint, dass dieses wunderschöne Gedicht von Rilke einmal im Jahr aufgesagt gehört. Das ist hiermit geschehen.

Nicht nur die Bäume werden bunt, auch die Wiesen scheinen ihren zweiten Frühling zu erleben. Manche Blumen blühen erst jetzt, z.B. Goldrute und der ebenfalls gelbe Rainfarn, blaue Wegwarte, Glockenblumen und Margeriten.

Wir sind wieder beim See angelangt und fahren nun noch weiter bis zum nördlichsten Zipfel, dem „Whitefish Point“. Da steht ein Leuchtturm und ein „Shipwreck Museum“. Auf dem „Graveyard of the Great Lakes“ liegen die Opfer von über 300 Schiffbrüchen. Auf den Großen Seen kann es sehr stürmisch werden. Auch heute ist das Wasser ziemlich aufgewühlt.

Wir fahren nun um die Whitefish Bay herum nach Osten, bis nach Sault Ste. Marie. Auch diese Stadt wurde von französischen Missionaren benannt. „Sault“ ist das französische Wort für Stromschnelle. Man spricht es [su] aus. Der Spitzname der Stadt ist daher Soo. Genau hier ist die Verbindung vom Oberen See zum Huronsee. Der Höhenunterschied wird durch Schleusen, den „Soo Locks“ ausgeglichen, und das schon sehr lange. Die ursprünglichen Stromschnellen gibt es auch noch. Wir schauen zu, wie ein großer Tanker durchgeschleust wird.           

Genau hier fahren wir über eine große Brücke nach KANADA, in die Provinz ONTARIO hinüber. Die Stadt geht jenseits der Grenze weiter. Sie wurde als Folge des Britisch-Amerikanischen Krieges 1815 geteilt.

Der sehr schöne KOA-Campingplatz, gleich nach der Grenze, hat erfreulicherweise Platz für uns. Beim Wäschewaschen in der hiesigen Münzwäscherei lernen wir, dass die kanadische Ein-Dollar-Münze „Loonie“ heißt. Auf der Rückseite ist nämlich ein Vogel abgebildet, ein Eistaucher, der auf Englisch „common loon“ heißt. Auf der Vorderseite ist natürlich die Englische Königin drauf. Die Zwei-Dollar-Münze wird „Toonie“ genannt, zusammengesetzt aus Two-Loonie. Überhaupt werden die Dollar hier - wie übrigens auch in den USA - umgangssprachlich bucks = „Böcke“ genannt.

 

Di, 29. August

Aus diesem Campingplatz gibt es sogar eine Autowaschanlage. Das nützen wir aus. Die schwarze Soße rinnt nur so herunter.

Wir fahren nach Osten, am Nordufer des Huronsee entlang, bis Espanola. Dabei queren wir mehrmals den Spanish River. Aha, hier waren also die Spanier. In diesem Gebiet gibt es unglaublich viele kleine und größere Seen. An den Straßenschildern merken wir, dass wir in Kanada sind. Nicht nur die Kilometerangaben zeigen es deutlich. Auch die Schilder mit den Straßennummern. Sie tragen die Englische Krone. Ein kleiner Verkaufsstand an der Straße mit dazugehörigem Pferdewagen zeigt uns, dass es in dieser Gegend wieder Amische gibt. Jacob mit dem langen, grauen Bart plaudert ein wenig mit uns. Der kleine Bub ist uns  Ungläubigen gegenüber sehr reserviert. Wir kaufen der hübschen Frau mit dem Kopftuch einen selbst gemachten Pfirsich-Rhabarber-Kuchen ab, und etwas Gemüse. Später können wir einige Angehörige dieser Glaubensrichtung auch bei der Feldarbeit sehen.

Das Delta des Mississagi Rivers - natürlich nach einem Indianerstamm benannt - gefällt uns sehr gut. Im naturbelassenen Fluss schauen mit Blumen bewachsene Inseln aus rotem Fels heraus.  

Nun zweigen wir nach Süden ab und fahren auf Manitoulin Island hinüber. Seit Jahrhunderten ist diese Insel Indianergebiet. Auf den Ortsschildern gibt es jeweils eine Unterzeile, mit der Aufschrift „First Nation“. Ins Indianerreservat drangen immer mehr Siedler ein, und es kam zu Auseinandersetzungen und Verhandlungen. Das Landabtretungsabkommen von 1862 unterzeichneten die Bewohner des Ostteils der Insel nicht. Es gilt bis heute als unceded = „nicht abgetreten“. Dort findet alljährlich ein großes Powwow statt. Da wir ja bereits vor kurzem eines erlebt haben, sind wir nicht allzu traurig, dass wir dieses hier verpassen. Zu unserer Überraschung finden wir in Mindemoya einen sehr einfachen aber netten Campingplatz direkt am Wasser. Wir haben hier mit solcher Infrastruktur gar nicht gerechnet. Klaus macht ein Feuer, und wir erleben einen amazing sunset.

 

Mi, 30. August

Wir genießen einen Ruhetag auf dem Campingplatz.

 

Do, 31. August

Wieder ein klarer, sonniger, aber kühler Tag.

Wir fahren auf der Manitoulin Insel weiter nach Südosten. Dann nehmen wir die Fähre von South Baymouth nach Tobermory. Das hübsch mit bunten indianischen Motiven bemalte Schiff führt uns nach Süden über den Main Channel zwischen dem Huronsee und der Georgian Bay, auf die große, südliche Halbinsel Ontarios. Unser Schiff heißt „Travel in Good Spirit“. Das passt ja hervorragend als Motto für unsre Reise. Die Georgian Bay gehört zwar zum Huronsee, ist aber eigentlich ein weiterer „Great Lake“. Sie ist nämlich fast so groß wie der Lake Ontario. Wegen ihres besonders sauberen, kristallklaren Wassers ist sie sehr beliebt. „Jetzt fahr’n wir übers Meer...“, so kommt es uns zumindest vor- vorbei an vielen kleinen Inseln. Die Überfahrt dauert ca. zwei Stunden.

Auf der schmalen Bruce Pensinsula liegt ein kleiner Nationalpark. Leider ist auf dem dortigen Campingplatz, auf den wir uns schon gefreut haben, kein Platz für uns frei. Es kommt das Labor-Day-Weekend, das letzte sommerliche, lange Wochenende, an dem überall sehr viel los ist. Auf der Suche nach einem wilden Schlafplatz fahren weiter nach Südosten, am Ufer der Georgian Bay entlang. Wir kurven lange erfolglos herum, um dann - man glaubt es kaum - wieder einmal auf einem Walmart-Parkplatz zu landen. „Es hüft nix, alle Wege führen schließlich zum Walmart“, sinniert Klaus. Der Store in Owen Sound schließt um 22h. So früh, das ist ja fast eine Zumutung. Hoffentlich funktioniert das mit dem Übernachten auf dem Parkplatz trotzdem.

                  

1. September

Vor einem halben Jahr sind wir aufgebrochen. Der 7. und letzte Monat unserer Reise beginnt.

Wieder ist es wunderbar sonnig, aber kühl. Ich wiederhole mich. Der Herbst zieht ins Land.

Wir fahren am Südufer der Georgian Bay entlang nach Osten, allerdings nicht nahe genug, um sie zu sehen. Ein schmaler Streifen Wald ist dazwischen. Die Bruce Pensinsula haben wir längst verlassen. Es geht heute nach Midland. Hier gibt es ein interessantes Museum, einerseits über die weißen Siedler, die sich hier niedergelassen haben. Sie haben diese Gegend „Huronia“ genannt. Andererseits wurde ein Indianerdorf aufgebaut, um zu zeigen, wie das Volk der Huronen gelebt hat, bevor im 17. Jhd. die Weißen kamen. Sie selbst nannten sich Wyandot. Im Langhaus lebte eine Großfamilie zusammen, ca. 30 Leute. Für Gäste oder als provisorische Unterkunft, wenn man länger unterwegs war, baute man ein Wigwam aus Rinde. Es gibt auch eine Schwitzhütte, eine Schamanenhütte, einen Versammlungsort, Trockengestelle für Fische und zum Spannen von Fellen, eine Töpferei und kunstvoll gearbeitete Kanus. Kontrollierte Feuer wurden zum Fällen von Bäumen und zum Zerkleinern von Holz verwendet. Eisen war noch unbekannt. Mais wurde angepflanzt- zum Essen und Tabak- zum Heilen. Vorräte wurden in Gruben gelagert. Außerhalb des Dorfes stand das Totengestell. Die Verstorbenen wurden daraufgelegt, und die Geier und andere Tiere taten sich an ihnen gütlich. Nach drei bis vier Monaten wurden die Reste begraben. Die Indianer glaubten, dass alle natürlichen Dinge eine Seele haben, daher wurden auch die Knochen der gejagten Tiere, sofern keine Werkzeuge daraus gemacht wurden, in einer Knochengrube aufgehoben. Bei religiösen Zeremonien spielten Masken eine große Rolle. Während solcher Zeremonien wurden auch oft Geschicklichkeitsspiele gespielt, z.B. „Ente auf einem Stein“, eine Art Kegelspiel.

Im hübschen Little Lake Park halten wir unsere Mittagspause. Dabei fällt uns das „Tree Dedication Program“ auf. Für einen lieben Verstorbenen wurde jeweils ein Bäumchen gepflanzt, mit einem hölzernen Schildchen darunter, das den Namen und die Lebensdaten des Toten nennt. Die Bäume sind natürlich unterschiedlich groß. Mir gefällt die Idee gut. Ich kannte bisher nur den Brauch, bei der Hochzeit und bei der Geburt eines Kindes, ein Bäumchen zu pflanzen.

Ganz in der Nähe wurde 1964 eine ehemalige Jesuiten-Missionsstation aus dem 17. Jhd. wieder aufgebaut, Sainte-Marie among the Hurons. Hohe Holzpalisaden teilen die Anlage in zwei Befestigungsringe. Im äußeren Ring lebten die noch nicht getauften, im inneren die bereits christianisierten Huronen. Das einstige Leben in der Mission - hier in „Neufrankreich“ - ist detailgenau nachgestellt. Indianische Tradition und die Lebensweise der französischen Jesuiten und Laienbrüder werden gegenüber gestellt. Beide Seiten konnten viel voneinander lernen. Zeitgenössisch gekleidete „Bewohner“ erteilen Auskunft. Ein junger Mann erklärt auf die Frage, ob es ihm Spaß macht, sich so zu verkleiden, dieser Job hier sei „better than flipping Burgers at McDonalds.“ In bester Absicht richteten die frommen Mönche hier recht viel Unheil ein. Sie brachten bis dato unbekannte Infektionskrankheiten mit. Fast die Hälfte der Indianer starb an Masern und Scharlach. Da halfen alle Gebete nichts. Die Getauften und Ungetauften standen einander feindlich gegenüber. Auch die Irokesen, seit jeher die Erzfeinde der Huronen, griffen die Missionsstation immer wieder an und töteten auch einige Missionare- die wurden später heilig gesprochen. Schließlich flüchteten die restlichen Bewohner nach Québec City. Eine ältere, traditionell gekleidete Frau, die auch hier arbeitet, erzählt uns stolz, dass sie eine Nachfahrin der Huronen ist. Klaus gefällt dieses Freilichtmuseum besonders gut. Er bewundert das handwerkliche Können der Leute, die das hier so liebevoll rekonstruiert haben.

Der Martyrs’ Shrine wurde den oben erwähnten Heiligen gewidmet. Die hellen neugotischen Zwillingstürme rufen uns. Aber wir folgen dem Ruf nicht und machen lieber einen kleinen Waldspaziergang.

Bei der Herfahrt haben wir einen Walmart gesehen. In diesen sicheren Hafen laufen wir nun ein. Dass auch er nur bis 22h Uhr offen hat, erstaunt uns jetzt nicht mehr. Das scheint in Kanada üblich zu sein. Es hat uns ohnehin schon oft gewundert, dass in den USA einige Leute noch nach Mitternacht mit Kind und Kegel einkaufen gehen. Uns geht es ja vor allem ums Klo und ums WLAN, das meist nicht bis auf den Parkplatz hinaus reicht. Beides können wir hier also nur bis 22h nutzen.

 

2. September

Wir haben gestern in der Nähe der nachgebauten Missionsstation einen Wander-Rundweg durchs Marschland entdeckt. Am Abend war es schon zu spät, aber heute fahren wir nochmals hin und machen eine geführte Wanderung durch the Wye Marsh. Klaus, mit dem Teleobjektiv, bekommt leider keines der angekündigten scheuen Tiere vor die Linse. Nur einige eingesperrte Raubvögel dienen als Fotomodell. Das sind hier wieder lauter gerettete Tiere, die in der Wildnis nicht überleben könnten. Täglich dürfen sie fliegen, wie uns die engagierte Führerin versichert.

Wie wir von unserer Wanderung zurückkommen, steht natürlich schon wieder eine Menschentraube um unser Auto herum und bewundert es. Wir sind das ja mittlerweile schon gewohnt. Und trotzdem wundern wir uns immer wieder, dass wir solche Exoten sind. Autofahrer, die uns überholen, winken und lächeln uns zu. Wenn wir an der Kreuzung stehen, fragen uns die Insassen des Nebenautos aus. Einmal hat ein junger Traktorfahrer sogar extra umgedreht, als er uns aussteigen gesehen hat, um mit uns zu tratschen.

Unser heutiger Walmart in Barrie - ein bisschen weiter im Süden - schließt erst um 23h. Fein, das gibt uns eine Stunde länger Zeit zum Surfen. Wer hätte das gedacht, dass Walmart so sehr zu einem Fixpunkt unserer Reise werden würde?

 

3. September

Weiter nach Süden, nach Toronto. In der Nacht hat es stark geregnet. Aber jetzt ist wieder alles trocken. Wir fahren direkt auf den Ontariosee zu.

Auf der Autobahn sehen wir endlich Elche- mit gestreiften Unterhosen. Leider sind es nur Skulpturen.

Eine wissenschaftliche Recherchearbeit wartet nun auf uns. Tim Hortons - eine Art kanadischer Starbucks - wurde uns wärmstens ans Herz gelegt. Nach sorgfältiger Überprüfung können wir ihn nur weiter empfehlen.

In einem Vorort von Toronto haben wir einen Platz auf einem Campground reserviert. Wohlweislich, denn morgen ist Labor Day, einer der wenigen staatlichen Feiertage. Er wird in den USA und in Kanada gefeiert. Wer es möglich machen kann, fährt über das letzte lange Wochenende in der Sommersaison weg. Dementsprechend ist überall viel los, und alles ist ausgebucht.

Ein netter Wanderweg zu einem Restaurant wird uns empfohlen. Der Spaziergang durch den Wald gefällt uns wirklich sehr gut, und das Essen ist köstlich. Danach sitzen wir noch mit einer Tasse Kaffee vor unserem Wohnmobil am Feuer.

 

4. September, Labor Day

So wie in den meisten großen Städten ist auch hier der Campingplatz ziemlich weit außerhalb.

Wir fahren mit dem Auto zum Busbahnhof in Milton, und von dort mit einem Autobus ca. eineinhalb Stunden ins Stadtzentrum von Toronto, der Hauptstadt von Ontario. Mit seinen 2,6 Mio. Einwohner ist sie die mit Abstand größte kanadische City. Montréal liegt mit ihren 1,7 Mio. Einwohnern weit abgeschlagen auf Platz zwei. Die Stadt liegt im Golden Horseshoe = „Goldenes Hufeisen“, einer Region mit über 8,1 Millionen Einwohnern, die sich halbkreisförmig um das westliche Ende des Ontariosees bis zu den Niagarafällen erstreckt. Seine Größe verdankt Toronto vor allem den vielen Einwanderern. Über 50% der Bewohner der Stadt sind nicht in Kanada geboren, sondern kommen aus über 200 Kulturkreisen. Alle leben hier einträchtig nebeneinander. Die zahlreichen ethnischen Viertel geben Toronto Farbe und Flair. Und außerdem ist es auch eine sichere Stadt. Man kann abends unbesorgt ausgehen. Das alles klingt ja schon sehr sympathisch.

Bevor die ersten Weißen kamen, lebten hier die Huronen, nach denen ja der Huronsee benannt ist. Lange Zeit stand Toronto im Schatten von Montréal. Durch die Fertigstellung des St. Lawrence Seaway im Jahre 1959 erhielt die Stadt einen wichtigen wirtschaftlichen Impuls. In den 1970er und 1990er-Jahren erfolgten weitere Wachstumsschübe, weil viele Angelsachsen Québec - wegen seiner wachsenden separatistischen Bestrebungen - verließen. Sie nahmen ihr beträchtliches Kapital hierher mit. Das machte Toronto nicht nur zum am dichtesten besiedelten Ballungsraum Kanadas - in der Greater Toronto Area leben ca. 6,2 Mio. Menschen - sondern auch zum Finanzzentrum des Landes.

Wir steigen in der Union Station aus. Über unseren  Köpfen vollführen Kampfjets ihre Kunststücke. Die gehören zur Flugshow anlässlich des heutigen Labor Day.

Natürlich stehen auch hier in der Downtown hohe Wolkenkratzer. Auch Wohnhäuser sind dabei. Wie muss das wohl sein, im 80. Stock auf dem Balkon zu sitzen? Zwischen den modernen Glastürmen ducken sich immer wieder kleine, ältere Häuser. Dieser Kontrast wirkt irgendwie reizvoll.

Unübersehbar ist der CN Tower. Die schlanke Nadel ist über 500m hoch.

Wir suchen uns als erstes die eleganten Dominion Bank Towers  von Mies van der Rohe, die übrigens heuer ihren 50. Geburtstag feiern. Die schwarzen Zwillingstürme liegen natürlich im Finanzdistrikt der Stadt. Sie waren die ersten Wolkenkratzer von Toronto. Davor liegen faul wiederkäuender Kühe, die Skulpturengruppe „The Pasture“.

Auf dem Weg hierher sind wir am Hundebrunnen verbeigekommen. Ich habe bisher noch nie wasserspeiende Hunde gesehen. Sie alle starren sehnsuchtsvoll auf den großen Knochen an der Spitze. Eine Katze sitzt dabei und schaut sich das Ganze interessiert an.

Auch in dieser Stadt gibt es ein dreieckiges Flatiron Building = Bügeleisen Haus, diesmal ein rotes, nettes, altmodisches. Offiziell heißt es Gooderham Building.

Das wuchtige, neuromanische Alte Rathaus mit dem hohen Uhrturm gefällt uns gar nicht. Daneben wurde eine moderne City Hall gebaut, die auch nicht viel schöner ist. Sie besteht aus zwei halbkreisförmigen Gebäudeteilen.

Was uns in dieser Stadt gut gefällt, sind die vielen Radfahrer. Auch zahlreiche Fahrradboten sind unterwegs.

Am Brookfield Place bewundern wir die sechsstöckige Alan Lambert Galleria, an der man deutlich die Handschrift unseres Lieblings, Calatrava erkennen kann. Sie ist einer der Abgänge in die „Unterwelt“. The Path ist eine 28km lange unterirdische Shoppingzone. Ein Swarovski-Geschäft darf offenbar auch im fernen Kanada in keiner Mall fehlen. Bei mir reicht ja der Patriotismus nicht so weit, dass mir diese Glitzersteine gefallen.

Wo heute das Eaton Centre - ein vierstöckiges Warenhaus - steht, eröffnete der irische Einwanderer, Timothy Eaton, 1869 seinen Gemischtwarenladen. Heute ist es ein riesiges Einkaufszentrum, das auch an The Path angeschlossen ist. Vögel fliegen in dynamischem Flug unter dem gläsernen Himmel dahin. Es handelt sich um die Skulptur „Flight Stop“ von Michael Snow.

Der Architekt, Frank Gehry, der ja aus Toronto stammt, ist schon seit L.A. und Chicago ein alter Bekannter von uns. Von ihm stammt die Neugestaltung der Art Gallery of Ontario (AGO). Die schauen wir uns natürlich an. Und, wenn wir schon einmal da sind, gehen wir auch hinein. Wir halten uns vor allem an die europäischen Künstler. Erwähnenswert sind aus meiner Sicht Picasso, Bonnard, Matisse, Monet, Nolde, Miró, Modigliani, Pissarro, Degas, Sisley, Gauguin, Cézanne, van Gogh und einige Skulpturen von Rodin. Von den älteren Meistern interessieren mich höchstens noch van Dyck, Rembrandt und Franz Hals. An den Werken der kanadischen Künstler eilen wir ohne große Begeisterung vorbei. Wir sind schon rechtschaffen müde. Gnade findet vor unseren Augen nur der abstrakte Maler Jack Bush. Im Shop erstehen wir farbenfrohe Leiberln mit seine Motiven.

Dann schnuppern wir ein wenig nach Chinatown - mit den chinesischen Straßenschildern - hinein.

Nun wandern wir noch zum See- ein ganz schöner Hatscher. Der Ontariosee hat uns ja bis jetzt noch gefehlt. Aber jetzt haben wir wirklich alle Great Lakes gesehen. Die vorgelagerten Toronto Islands sind ein grünes Erholungsgebiet. Man kann nur per Schiff oder Boot hingelangen. Drüben gibt es keinen Autoverkehr.

Hier an der Waterfront kriegen wir endlich auch etwas von den Labor-Day-Feiern mit. Hier gibt es Fress-Standeln und eine Showbühne, auf der gerade ungemein gejazzt wird. Wir setzen uns ins künstliche Gras und hören ein wenig zu.

Umzüge mit kostümierten Leuten haben wir keine gesehen. Gestern allerdings haben sich einige Super-Heroes auf unserem Campingplatz herumgetrieben.

Wir haben noch eine lange Heimfahrt vor uns. Also machen wir uns auf den Weg. Zuerst geht es zu Fuß zurück zur Union Station, dann mit dem Autobus nach Milton und anschließend mit unserem eigenen Gefährt zum Campingplatz. Wir kommen gerade rechtzeitig ins Trockene, bevor ein heftiges Gewitter mit Hagel losbricht. Erfreulicherweise beruhigt sich alles bald wieder, und unsere Nachtruhe ist gesichert.

 

Di, 5. September

In einem Monat sind wir schon in Wien.

And now we are heading to the Niagara Falls [Nai’æg(æ)ra]. Der Name kommt wie so oft aus dem Indianischen.

Die Wasser des Niagara Rivers stürzen vom Eriesee in den Ontariosee.

Inseln im Fluss spalten die Fälle in drei Teile: Durch die Horseshoe Falls verläuft die Grenze zwischen Kanada und USA. Auf amerikanischer Seite, im Staate New York, liegen die etwas kleineren American Falls und gleich daneben die schmalen Bridal Veil Falls, die tatsächlich wie ein Brautschleier aussehen.

Am spektakulärsten sind zweifellos die Horseshoe Falls. Sie stürzen in einem 670m langen Halbkreis 57m in die Tiefe. Die Form ist total ungewöhnlich. Wir haben wirklich bereits viele Wasserfälle gesehen, schon allein in Island. Aber so etwas noch nie. Der Sprühnebel erreicht eine Höhe von mindestens 100m. Es „staubt“.

Die American Falls sind 260m breit und nur ca. 21-34m hoch, denn sie stürzen auf eine Sturzhalde, die durch einen Felssturz von 1954 entstanden ist. Man hat schon einmal versucht, sie wegzuräumen, aber das würde das Ganze destabilisieren. Also hat man davon wieder Abstand genommen.

Ich habe mir die Fälle höher vorgestellt. Das Besondere hier ist aber die Breite und die ungewöhnliche Form.

Nachts werden die Wasserfälle stark gedrosselt. Man nutzt sie für die Stromgewinnung. Jeden Morgen werden sie aus touristischen Gründen wieder eingeschaltet.

Die Schiffe umfahren die Fälle im Wellandkanal, der 12km weiter westlich liegt.

Vor ca. 12.000 Jahren, nach der letzten Eiszeit, schmolzen die letzten Gletscher in dieser Gegend und brachten den Eriesee zum Überlaufen. Die Schmelzwasser bildeten den Niagara River, der sich in den Ontariosee ergießt. Manchmal frieren die Fälle im Winter ganz oder teilweise zu, zuletzt 2015.

Im 19. und 20. Jhd. haben immer wieder Leute versucht, sich z.B. in einem Fass die Fälle hinunter zu stürzen. Die meisten dieser Abenteurer überlebten nicht. Uns steht nicht der Sinn nach dieser Art von Nervenkitzel. Schon allein wegen der horrenden Strafen, die wir im Fall des Überlebens zahlen müssten.

Mit dem Wetter haben wir großes Glück. Es ist angenehm warm und sonnig. Die Fälle sind direkt in der Stadt Niagara Falls. Man fährt auf einen bezahlten Parkplatz, geht durch einen netten Park an die Flusspromenade und hat freie Sicht auf alle Wasserfälle. Ich habe mir das irgendwie komplizierter vorgestellt. Man ist auch viel näher dran, als ich dachte. Es ist fast idyllisch hier, solange man sich nicht umdreht und der Blick auf die Fast-Food-Tempel und auf die Hotel- und Aussichtstürme fällt. Weil man von hier aus, vom Table Rock, alles so gut sehen kann, verzichten wir auf eine Bootfahrt und auf langes Anstellen bei einem viewing tower.  

 

Nun geht es über die Brücke zurück in die USA. Wir haben alles Obst und Gemüse aufgegessen, sind also bestens vorbereitet. So glauben wir jedenfalls. Der Grenzbeamte stellt fest, dass Klaus bei der ersten Einreise in die USA, im März, als wir in New York gelandet sind, keinen Stempel für einen 6-monatigen Aufenthalt bekommen hat. Wir sind damals bei zwei unterschiedlichen Beamten drangekommen. Meiner hat alles richtig gemacht. Klaus darf nicht mehr in die USA einreisen- heißt es zunächst. Er hat sich durch das Überziehen der üblichen drei Monate bereits strafbar gemacht. Wir werden an eine höhere Stelle verwiesen- in den 2. Stock des Grenzgebäudes. Der Beamte dort studiert genau unseren Reiseplan und will unser Flugticket nach Hause sehen. Schließlich ist klar, dass der Grenzbeamte in New York einen Fehler gemacht hat. Er hat offenbar das 10-Jahres-Visum nicht beachtet. Wir bekommen einen Zusatzzettel in unsere Pässe geheftet. Schließlich wollen wir ja bald nochmals zurück nach Kanada und dann wieder in die USA einreisen. Für uns war das wirklich ziemlich spannend, aber wir waren die ganze Zeit sehr zuversichtlich, dass wir unsere Reise wie geplant fortsetzen können. Nach ca. einer Stunde sind wir wieder unterwegs- sehr erleichtert. Erstaunlich ist nur, dass wir doch schon mehrmals hin und her gefahren sind, und niemand ein Problem mit dem fehlenden Stempel hatte.

Zur Beruhigung peilen wir den nächstgelegenen Walmart an, in der amerikanische Stadt Niagara Falls. Bevor wir uns am Internet erfreuen, füllen wir unserer Obst- und Gemüsevorräte wieder auf. Wir sind froh, wieder „zu Hause“ zu sein- und über uns geht der Vollmond auf. Übrigens sind wir jetzt im Staate NEW YORK, the „Empire State“.

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