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1. Kapitel: Atlantic States 

 

Fr, 7. April

Nach einer wunderbar vertrauten Nacht im Wohnmobil fahren wir los. Wir müssen ein bisschen rascher vorwärts kommen, weil wir ja durch die Verspätung des Schiffes drei Tage hinter unserem Plan zurückliegen. Country- und Westernmusik beschwingt uns.

Es geht zunächst nach Westen Richtung Appalachen und dann nach Süden in den Shenandoah Nationalpark. Der Skyline Drive bietet wunderbare Ausblicke. Bis auf einige Weißwedelhirsche haben wir keine wilden Tiere gesehen, obwohl es hier Bären, Waschbären und Stinktiere geben soll.

Es regnet nicht, aber es ist es saukalt, -1°, Gott sei Dank nur draußen. Jetzt fängt es doch tatsächlich ein bisschen zu schneien an. Kein Wunder, wir haben ja die Höhe von über 3500 erreicht ;-). Es handelt sich allerdings um Feet, nicht um Meter. 1ft = ca. 0,3m.

Wir übernachten auf dem Campingplatz Big Meadows im Nationalpark.

Übrigens, wir sind in VIRGINIA. Das war einer der ersten Gründerstaaten der USA. Von hier aus sind die Siedler nach Westen aufgebrochen. Benannt ist der Staat nach der englischen Königin, Elisabeth I.

 

Sa, 8. April

Es war in der Nacht so kalt, dass sich der Boiler automatisch entleert hat - was er tut, damit er nicht einfriert. Wir hatten es unter unseren Decken aber kuschelig warm.

Unser Wassertank ist nur mehr halb voll, und nachfüllen kann man hier nicht. Also gehen wir zwecks Wasser sparen zum Waschen in den Restroom. Die Dankbarkeit, die ich auf dem Weg zurück empfinde, ein warmes „Häuschen“ zu haben, ist unbeschreiblich. Bei den ersten Sonnenstrahlen auf der Haut kann ich mir vorstellen, wie sich die Höhlenmenschen nach einem langen, kalten Winter zu Frühlingsbeginn gefühlt haben müssen.

Unsere Fahrt geht weiter nach Süden. Je weiter wir ins Tal kommen, desto wärmer wird es.

Wir fetzen also in kürzester Zeit von 0 auf 20 Grad hoch.

In einem großen Supermarkt kaufen wir erfolgreich ein. Wir brauchen ja auch Waschmittel, Geschirrspülmittel, Salz, Öl und weitere Basics, da wir nichts davon für die Überfahrt im Wohnmobil lassen durften.

Auch tanken müssen wir. Erstaunlicherweise kostet Treibstoff in den USA deutlich weniger als bei uns, Diesel sogar nur die Hälfte. Sonst ist ja alles sehr teuer, vor allem Hotels und Restaurantbesuche.

Wir sind übrigens dauernd am Rechnen: Grad Fahrenheit für die Temperatur habe ich ja bereits erwähnt. Als Hohlmaße dienen fl.oz (fluid ounces) = Flüssigunzen (10 fl.oz = ca. 300ml), pints = Pinte (1pint = 473ml), und gal (gallons) = Gallonen (1gal = ca. 3,8l). Das Gewicht wird in oz (ounces) = Unzen (10 oz = ca. 280g) und Stone (1st = 6,35kg) angegeben.

Längenmaße sind (inches) = Zoll (1in = ca. 2,5cm), ft (feet) = Fuß (1ft = ca. 0,3m), und mi (miles) = (1mi = ca. 1,6km). Geschwindigkeitsbeschränkungen werden in: mph = miles per hour angegeben. Unser GPS rechnet die Geschwindigkeitsbeschränkungen automatisch in km/h um - wie praktisch.

Die Höhe unseres Autos ist z.B. 9,09 ft clearance. Es passen ca. 23,7 gal in unseren Tank. Solche Dinge sind sehr wichtig zu wissen. Wie gut, dass die Amerikaner wenigstens beim Geld das Dezimalsystem haben.

Auf einer sehr schönen Strecke gleiten wir dahin, zuerst über den Seminole Trail - benannt nach einem Indianerstamm -, dann auf dem berühmten Blue Ridge Parkway und zuletzt durch den Natural Bridge State Park - benannt nach einer Gesteinsformation.

Mit dem ersten zarten Grün bereitet sich die Landschaft auf den Frühling vor.

Alles wirkt offen, so als hätte man unendlich viel Platz. Der Kontrast zu Manhattan könnte nicht größer sein. Hier irgendwo hat übrigens John-Boy Walton mit seinen vielen Geschwistern und seinen Eltern und Großeltern gelebt. Ich habe diese Fernsehserie, die in der Zeit der Wirtschaftskrise spielt, sehr gerne angeschaut.

Auf der Suche nach einem Schlafplatz finden in der Nähe von Glasgow den Natural Bridge KOA (Kampgrounds of America)-Campingplatz, wir sind da Mitglied. Ich war bis jetzt überzeugt, dass man Camp mit C schreibt?! Hier können wir jedenfalls Wasser nachfüllen. Das Internet ist allerdings erbärmlich schlecht.

Wir probieren unseren neuen Haarschneider aus, leider mit mäßigem Erfolg. Zuletzt bekommt Klaus eine Stoppelglatze, die sehr gewöhnungsbedürftig aussieht.

Dann kleben wir die bunten Pickerln der Bundesstaaten, die wir bereits bereist haben, auf unser Wohnmobil. Und schließlich kochen wir heute zum ersten Mal auf dieser Reise.

Mit unserem österreichischen Autokennzeichen sind wir überall, wo wir hinkommen, die totalen Exoten. Wir haben auch bis jetzt noch kein einziges europäisches Kennzeichen gesehen. Die meisten Leute reagieren ganz begeistert, wenn sie erfahren, wo wir herkommen - Mozart, Sound of Music, Arnold Schwarzenegger.

So, 9. April, Palmsonntag

Unser heutiges Tagesziel ist Kilometer machen Richtung Süden, in den Frühling hinein. Am 11. April haben wir nämlich einen gebuchten Campingplatz, den wir rechtzeitig erreichen wollen. Wir sind ja immer noch am Aufholen der drei Verspätungstage.

Uns fällt auf, dass die amerikanischen Autos vorne keine Nummerntafeln haben, nur hinten.

Entlang der Straßen ist es meist sehr sauber. Auch die Autobahnparkplätze sind sehr gepflegt.

Natürlich haben sonntags, also auch heute, alle Geschäfte bis spätabends geöffnet. Natürlich fahren die Riesen-Trucks auch heute auf der Autobahn.

Bei einem Farmers’ Market kaufen wir ein, und Klaus fragt spontan, ob wir auf dem Parkplatz übernachten dürfen. Hurra, wir haben unseren ersten „wilden“ Platz gefunden. Sogar ins WLAN können wir uns einklinken.

 

Mo, 10. April

Weiter geht es nach Süden. Alles ist mittlerweile grün. Die Temperaturen sind sommerlich warm, aber nicht heiß. Die Truthahngeier kreisen über uns.

Wir durchqueren NORTH CAROLINA, wo wir beim Aldi in Charlotte einkaufen.

In SOUTH CAROLINA werden wir etwas länger bleiben. An jeder Staatsgrenze gibt es übrigens ein Welcome-Center.

Wir übernachten auf einem Walmart-Parkplatz, der als Overnight Stay in Klaus’ App ausgewiesen ist - mit Erlaubnis der Managerin. So haben wir bis Mitternacht - solange hat der Laden offen - Internet und Klo. Hier können wir über mehrere Stunden die Kunden des Markts beobachten. Schlanke und normalgewichtige Leute zu sehen ist eine echte Ausnahme. Es gibt sehr viele unförmig dicke Leute - auch jüngere -, die sich teilweise nur mehr mühsam bewegen können. Supermärkte bieten oft eine Art Einkaufsrollstühle an, damit man sich „unnötige“ Schritte durch die Ladengänge ersparen kann. Erstaunlicherweise gewöhnt man sich an den Anblick. Wir hingegen werden erfreulicherweise immer dünner.

Beim Kochen stoßen wir wieder auf Rechenaufgaben. 1cup = 225ml, 4cups = 1quart = 900ml.

 

Di, 11. April

Wir fahren heute nach Südwesten durch den Chester State Park und den Sumter National Forest zum Stausee Lake Murray, in dem das Naturschutzgebiet Dreher Island liegt. Mittlerweile ist es für uns normal, dass es sonnig und warm ist, und dass alles um uns grünt und blüht. Wir haben fast vergessen, dass wir vor wenigen Tagen noch so gefroren haben.

Ich habe die Weite des Landes ja schon erwähnt. Wir sehen viele schmucke, einzeln verstreute Häuser und sehr viele Kirchen. Sie sind meist klein und haben einen sehr schmalen, spitzen, weißen Turm. Oft sind sie aus Holz und stehen allein auf weiter Flur. Die USA haben seit jeher Religionsfreiheit. Jeder kann glauben, was er will, und die Religionszugehörigkeit scheint in keinem Dokument auf. Es gibt allein im christlichen Bereich ca. 2000 verschiedene Glaubensrichtungen, auch ziemliche Spinner, die die Evolutionslehre ablehnen, sind dabei.

Was wir auch immer wieder sehen, sind offizielle Autonummern, auf denen „veteran“ steht. Die Veteranen, z.B. aus dem Vietnamkrieg, genießen in Amerika großes Ansehen und bekommen viele Vergünstigungen. Und überall wehen amerikanische Fahnen. „Old Glory“ werden sie genannt.

Gegen Mittag kommen wir auf Dreher Island an. Wir haben es also geschafft. Den Campingplatz hier haben wir bereits von zu Hause aus gebucht und bezahlt. Ab jetzt können wir in unseren ursprünglichen Reiseplan eintauchen.

Der See ist sehr groß und wirkt ganz natürlich. Unser Stellplatz liegt sehr idyllisch direkt am Ufer. Zum Baden ist es uns allerdings doch zu kühl. Wie in Amerika üblich, hat jeder Platz Wasser- und Stromanschluss, eine hölzerne Sitzgruppe und einen Griller. Hier können wir für die nächsten eineinhalb Tage wieder „Urlaub spielen“.

Ich nutze die Zeit zum Wäsche waschen und zum Hausputz. Klaus beschäftigt sich mit der Drohne, das Fliegen ist hier nämlich erlaubt. Es ist ziemlich aufregend, sie über dem Wasser schweben zu lassen. Auch unsere Klapp-Fahrräder holen wir zum ersten Mal hervor.

Was die Tierwelt betrifft, freuen wir uns über die zahlreichen kleinen Wasserschildkröten mit leuchtend orangen Bäuchen und Kardinäle, knallrote kleine Vögel. Auch weibliche Kardinäle sehen wir, was mich erfreut. Die offizielle katholische Kirche ist ja noch nicht so weit. Der hübsche American Robin ist natürlich auch da. Er ist in den USA überall weit verbreitet. Die Abendstimmung am See ist wunderschön. Wir nützen unsere Grillstelle, gehen Holz sammeln und machen ein Feuer an. Über uns steht ein riesiger Vollmond. Wenn das nicht romantisch ist.

Unser deutschstämmiger Campingnachbar Stephan spricht uns an. Er lebt seit vielen Jahren in Amerika. Er war Feuerwehrmann und ist seit seinem Ruhestand mit seiner Freundin auf Reisen. Seine vielen Tipps versucht Klaus gleich in unsere Reiseplanung einzubauen.

 

Mi, 12. April

Zum ersten Mal können wir beim Frühstück im Freien sitzen. Auch die vielen hiesigen, grauen Squirrels - sie sind etwas größer als unsere Eichhörnchen und halten sich eher auf dem Boden auf - gebärden sich vor Freude über den Frühling wie verrückt.

Wir genießen unseren ersten Ruhetag an diesem herrlichen Platz. Auch hier setzen sich unsere Beobachtungen fort - viele unförmig dicke Menschen. Junge Eltern mit kleinen Kindern in ihren 30ern können sich nur mehr schwer bewegen. Die Leute fahren doch tatsächlich die 50m zur Dumpingstation mit dem Auto und ziehen ihren Abwassertank hinter sich her. Außerdem kann man kleine Elektrofahrzeuge mieten, die heftig genutzt werden. Man muss also keinen Schritt zu Fuß machen. Kein Wunder, dass sie größere Autos und Wohnmobile brauchen. Bei den Kindern und Teenagern zeichnet sich meist auch schon ab, wohin der Weg führen wird. Sosehr wir die landschaftlichen Schönheiten bewundern, diese Seite Amerikas erschreckt uns.

Also, nicht lästern, sondern auf die Fahrräder steigen und die Inseln erforschen!

Dreher Island besteht aus mehreren kleinen Inseln, die durch Brücken miteinander verbunden sind. Billy Dreher, der ehemalige Besitzer dieses Gebiets, hat hier um die Jahrhundertwende zum 20. Jhd. bis zu seinem Tod gewohnt. Die Ruine seines Hauses steht noch.

Am Abend schauen wir uns wieder einen Film an. „Cézanne und ich“, über die Freundschaft zwischen Émile Zolà und Paul Cézanne.

Do, 13. April, Gründonnerstag

Wir leeren unser Abwasser und Klo, füllen den Trinkwassertank und begeben uns wieder auf Achse.

Wieder geht es nach Süden, durch ein weites Land mit viel Platz und vereinzelten Häusern.

Schilder auf der Autobahn: „Don’t Text and Drive“, in Anlehnung an das Schlagwort „Don’t Drink and Drive“. Wir sehen sehr oft Autofahrer mit ihrem Handy in der Hand.

Heute knacken wir die 30°, Celsius wohlgemerkt.

Unser heutiges Tagesziel ist Savannah in GEORGIA („on my mind...“) Uns fallen zu so vielen Örtlichkeiten Liedertexte ein. Auf einer ungewöhnlich hohen, modernen Brücke überqueren wir den Savannah River. Wir suchen und finden den Parkplatz des Visitors’ Center, auf dem man für $8,00 über Nacht stehen kann. Dann schwingen wir uns auf unsere Fahrräder und fahren ins historische Zentrum der hübschen, kleinen Stadt. Am Fluss gibt es noch Straßen mit Kopfsteinpflaster - zum Radfahren nicht so fein - und die alten Warenhäuser stehen auch noch hier. Jetzt sind Souvenir-Shops und Lokale darin untergebracht. Die „Georgia Queen“ fährt gerade ab. Sie tut so, als wäre sie ein historischer Raddampfer. Auch an einigen typischen Südstaaten- Häusern radeln wir vorbei. So friedlich und nett die Stadt wirkt, sie hat eine dunkle Vergangenheit, was den Sklavenhandel betrifft. Das Denkmal von General Oglethorpe ist natürlich sehr wichtig. Denn er hat im 18. Jhd. den Staat gegründet und die Stadt geplant. Sie ist wieder ganz geometrisch angelegt, mit quadratischen Parkanlagen in regelmäßigen Abständen. Die große, weiße Kirche ist neugotisch. Übrigens ist Forrest Gump hier irgendwo sinnierend auf seiner Bank gesessen.

 

Fr, 14. April, Karfreitag = Good Friday

Auf der vergeblichen Suche nach einem Walmart finden wir zu unserer Freude einen Whole Foods Market, in dem wir sogar „Bavarian“ Schwarzbrot bekommen.

Weiter geht es nach Süden. Auf den Interstate-Autobahnen kommt man gut voran. Man gleitet mit 70mph (= ca. 115km/h) dahin. Raser gibt es keine. Unser Tempo pendelt sich auf sehr angenehme 90km/h ein.

Links und rechts der Straße kann man bereits die „Swamps“ erkennen. Eine Sumpflandschaft, die durch Wasserläufe durchzogen ist.

Gerade hat uns ein Auto aus Texas überholt, mit der Autonummer „Ewing 1“. Das muss der JR gewesen sein. Da müssen wir also nicht nach Dallas fahren - wir hatten es ohnehin nicht vor.

Unser Tagesziel ist das Okefenokee National Wildlife Refuge. Wir fahren durch dichte Wälder voller Föhren mit ungewöhnlich langen Nadeln = long leaf pines. Das „Unterholz“ besteht aus kleinen Palmen = palmettes.

Hier buchen wir eine abendliche, zweistündige Guided Boating Tour durch die Swamps - eine nette, beschauliche Bootfahrt, begleitet von mindestens 30 Alligatoren ;-) „See you later, alligator...“. Übrigens fressen die keine Menschen. Mit solchen großen Beutestücken können sie nichts anfangen. Sie können nämlich die Kiefer nicht bewegen und daher nicht kauen, nur zubeißen und schlucken. Höchstens einen Fuß oder eine Hand könnten sie uns abbeißen. Das ist doch sehr beruhigend ;-). Wir sehen aber auch schöne Reiher und Kraniche und ein Falkennest mit Jungen. Auch Bären gibt es hier, aber die wollen mit den Menschen nichts zu tun haben, daher sieht man kaum jemals welche. 2011 hat es hier über ein Jahr lang gebrannt. Schön langsam erholt sich alles wieder. Viele Zypressen haben das Feuer überlebt.

Der Kanal, durch den wir fahren, wurde gegraben, um das Gebiet zu entwässern und Farmland daraus zu machen. Es hat nicht funktioniert. Also hat man aus der Not eine Tugend gemacht und nutzt ihn nun für touristische Zwecke. Er ist ca. 1m tief. Wir zweigen in den echten Swamp ab und fahren durch ein riesiges Feld voller Seerosen. Das Wasser ist spiegelglatt. Die Sonne geht unter, die Sterne gehen auf - Romantik pur.

Wir haben schon gehört und im Internet gelesen, dass es hier toller sein soll als in den Everglades. Zumindest was die Anzahl der gesichteten Alligatoren angeht, kann man das wohl glauben. Vielleicht lassen wir die Everglades aus und besuchen stattdessen die Florida Keys, mal sehen.

Zum Übernachten haben wir einen aufgelassenen Campground gefunden. Die Nassräume sind total verdreckt und nicht benutzbar, aber wir stehen unter schattigen, alten Bäumen, und es kostet nichts.

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